Ausgezeichnet Wellem Peters! Holger, du auch!


Das allerallerschönste an der „Seekiste“, dem interessanten Wirtshaus in Nebel, ist die Kette des Wirts. Ein Bernstein, so groß wie eine Babyfaust und so goldgelb und samtbraun, wie Bernstein nur sein kann, geschliffen von Boy Jöns im Bernsteinmuseum St. Peter-Ording in den Umrissen der Insel Amrum. Ein tolles Teil, was Wirt Wellem Peters an kurzem Lederband um den Hals trägt. „Das geht auch nicht mehr ab“, sagt er.

Bernsteinfinder und Interessantes-Wirtshaus-Besitzer Wellem Peters
Bernsteinfinder und Interessantes-Wirtshaus-Besitzer Wellem Peters

Gefunden hat er den Stein auf seinem Lieblingsspazierweg, der am Hafen in Wittdün beginnt und über das Watt zur Südspitze des Kniepsands und seinen Sandbänken führt. Man kann ihn nur bei tiefster Ebbe gehen. Wellem Peters gebraucht dabei das schöne Wort „Hohlebbe“, volkstümlich für „Niedrigwasser“, was man heute nur noch selten hört.

Die Seekiste samt Chef ist, das sieht man sofort, ein Ort voller alter, schöner Dinge aus dem Meer und – so stellt man sich das inselromantisch gestimmt vor – von Walfangschiffen, urigen Friesenkaten, Kapitänskajüten und Schatztruhen. Neu sind hier nur die Auszeichnungen, die das Haus für Küche und Wohlfühl-Klönschnack bekommt und die die Eingangstür hoch und runter schmücken.

Belobigungen hoch bis runter. Nimmt der Chef ganz gelassen.
Belobigungen hoch bis runter. Nimmt der Chef ganz gelassen.

 

Die allerallerneueste Auszeichnung ist das Qualitätssiegel „Schleswig-Holsteiner Gastlichkeit“, das Wellem Peters dieses Jahr im Rahmen der Hamburger Gastro-Messe „Internorga“erhielt. Er hatte alles richtig gemacht, als sein Haus unerkannt und heimlich im Herbst letzten Jahres von so genannten Mystery-Checkern getestet wurde: Ambiente, Küche, Begrüßung, Service … alles top. Peters Mannschaft kann sich an die beiden Tester, einen Mann und eine Frau, noch ein bisschen erinnern. „Sie haben viel gefragt und zigmal umbestellt, dies und das, am Ende hatten sie Pannfisch und Scholle.“ Muss gut gewesen sein, sonst wäre jetzt kein neuer Aufkleber an der Eingangstür. Die Aktion ist eine gemeinsame Sache von der Tourismus-Agentur und dem Hotel- und Gaststättenverband Schleswig-Holstein und soll für Gäste ein Führer sein zu guter Küche zwischen Nord- und Ostsee.*

Gut ist die Küche der „Seekiste“ und regional. „Aber ohne Zwang“, sagt Peters. Frischer Fisch kommt möglichst aus dem nächsten Hafen. „Und der ist im dänischen Esbjerg“, sagt Peters. Die Fischhändler Thies und Detlef Nothdurft aus Tönning mit ihrem traditionellen Räucherofen mit Buchenholzfeuer gehören genauso zu seinen verlässlichen Lieferanten wie die Hofkäserei Backensholz bei Husum und die Lamm-Schlachterei Lüth in Wesselburen. Lamm aus dem Ofen lieben seine Gäste, ein Klassiker ist auch die Fischsuppe, „in die kommt alles, was Fisch ist“, und der Ööksensees-Schafskäse, den es nur in der „Seekiste“ gibt. Peters probiert gerne aus. Ich bin zum Mitkosten eingeladen, die Vorgabe an den Koch war „Nudeln asiatisch“. Die Shrimps sind knackig, die Nudeln prima, „asiatisch ist das aber nicht“, sagt Peters und lässt seine Crew probieren. „Da muss Schärfe rein, da fehlt noch was.“

Wellem und das Schiff...
Wellem und das Schiff…

Wir sitzen am Stammtisch, dem halbrunden Tresen am Ende der Theke. Über Peters hängt ein typisches „Seekiste“-Bild: schweres Schiff in schwerer Brandung. Aus welcher Schatzkiste das ist, will ich wissen. Peters lacht, natürlich hat das Bild eine Geschichte. Es ist ihm vererbt worden. Von Gerda Bassenge, die in Berlin eine sehr traditionsreiche Galerie führte und öfter sein Gast war in Nebel. Nie hat sie ein Wort fallen lassen über irgendwas, was sie ihm schenken wollte. 1995 aber bekam er eines Tages Post vom Amtsgericht Charlottenburg, Testamentseröffnung. Seitdem ist es sein Bild.

Er mag es. Er mag alles, was da so hängt, steht, sich drängt und glänzt. Schwerter, Schiffsglocken, Walfischzähne, Kerzenleuchter überall, Friesenteller, Kapitänstische, Steuerräder, alte Fliesen, Barometer, Galionsfiguren. Es sieht aus, als hätte Wellem Peters den Nautiquitätenladen, den er früher in diesem – seinem – Haus betrieb, einfach nur in „Seekiste“ umbenannt und sich als Koch in die Küche gestellt. Fertig war 1984 die neue Geschäftsidee .

In der Küche steht er heute nicht mehr, aber der Norddorfer hat Koch gelernt. „Weil ich als Kind immer schon von weitem gerochen habe, was es zu essen gab“, sagt er und grinst. Nach der Lehre in Flensburg zog er Anfang der 1960er Jahre ab in die Welt, jobbte in einer Konditorei, ging für ein Jahr nach St. Moritz, zur Hotelfachschule nach Berlin und nach Stockholm ins legendäre Operakällaren, den Opernkeller, damals das beste Restaurants Schwedens und Hoflieferant fürs Königshaus. Tolle Zeit. Aber die Welt ist nicht Amrum. 1968, mit 28 Jahren kehrt er zurück, führt bald darauf die Strandhalle Nebel, „den ersten Selbstbedienungsbetrieb der Insel“, wie er stolz sagt, und kauft sich das Häuschen in der Smääljaat, der „kleinen Gasse“ nahe der Nebeler Kirche, wo er heute noch mit seiner „Seekiste“ wohnt. 52 Gäste passen in sein Haus, noch einmal 30 in den Wintergarten, wo man sehr gemütlich überdacht von Weinrebenranken sitzt, die Peters vor zehn Jahren gepflanzt hat. Das Weingelee daraus serviert er zu Ziegenkäse.

Du auch Holger...
Du auch Holger…

Vor dem Haus steht das berühmteste Verkehrsschild Amrums: „Fahrt langsam bitte! Du auch Holger.“Immer wieder bleiben Spaziergänger stehen, lachen, rätseln, fotografieren. „Wir haben Gäste, die rufen noch nach ihrem Urlaub an: `Wellem, was wir noch vergessen haben zu fragen, wer ist eigentlich Holger?´“ Die häufigste Frage überhaupt in diesem Haus. Nicht „wo ist der Fisch her?“ oder „kann man die Galionsfigur kaufen?“ sondern „wer ist Holger?“. Wellem Peters grinst. Der Holger, den das Schild meint (mahnt!), heißt eigentlich gar nicht Holger. „Der Name ist nur ein Platzhalter“, sagt Peters. Den richtigen wird er nicht schreiben, er will ja nicht, dass er/sie beleidigt durchs Dorf rast.

Fragt man Wellem Peters, was er sich für die Insel wünscht, überlegt er nicht lange: „Mehr Bed & Breakfast-Häuser“. Er möchte abends mehr Leben auf der Straße und weniger Home-Entertainment in top ausgestatteten Apartments mit XXL-Fernseher-Sofa-Kamin-Wellness. Für diejenigen, die zu ihm kommen, weil sie Gesellschaft mögen, hat er den allerallerschönsten Tisch reserviert. Den Stammtisch an der Theke. Da wird sich einfach nebeneinander gesetzt. Unter das Bild von der Galeristin Gerda Bassenge. Wahrscheinlich hat sie da auch öfter gesessen, hat sich toll unterhalten und gedacht: Ein interessantes Wirtshaus hier, ich werde ihnen ein Bild schenken.

* Das Siegel „Schleswig-Holsteiner Gastlichkeit“ tragen auf Amrum auch die Hotel-Restaurants „Seeblick“ und „Weiße Düne“ sowie das „Romantik-Hotel Hüttmann“.

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Über Undine Bischoff

Journalistin und Texterin. Fuhr mit drei Jahren zum ersten Mal über den Kniep – in einer Schubkarre. Weil ihr Vater da draußen eine Holzhütte baute, zwanzig Feriensommerjahre lang. Betextet Webseiten und Kataloge, schreibt für verschiedene Medien und natürlich für Amrum News.

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One comment

  1. Gratulation!!!
    Eine berechtigte Auszeichnung. Als Stammgast auf Amrum esse ich gerne mit Freunden in der Seekiste. Die Fischsuppe ist stets frisch und schmeckt immer sehr gut. Nicht zu vergessen, die Lammfrikadellen, leeecker.
    Und den Ööksensees-Schafskäse muss man probiert haben.
    In gut 4 Wochen sind wir wieder für 3 Wochen auf Amrum und freuen uns auf das tolle Essen.

    Sonnige Grüße aus dem Hessenland.
    A. Willmann

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