Willkommen und Ankommen…


Begegnung in großer Runde für Amrumer und Flüchtlinge.

Und um es gleich vorweg zu nehmen, das Schönste an der Begegnung waren für viele: die fröhlichen Gesichter rundum, die ansteckend tolle Stimmung beim Tanzen und die Kinder, die ganz unbefangen miteinander kickerten. Danke für diesen schönen Nachmittag!

Am 6. März hatten die auf der Insel lebenden Flüchtlinge und ihr Helferkreis mehrsprachig zum Kennenlernfest ins Amrum Spa geladen. Sich gegenseitig kennenlernen, klönen, essen, trinken, Musik hören, zusammen spielen und einen Film gucken standen auf dem Programm. Alle hatten mit angepackt, organisiert, gebacken oder gekocht, und tatsächlich sind am Sonntag Nachmittag über 70 Amrumer gekommen, um die Flüchtlinge kennenzulernen und willkommen zu heißen. Eine gelungene Überraschung kam auch aus Föhr: Herr Ben-Mansour, seit vier Wochen der neue Ansprechpartner für die Betreuung der Asylsuchenden im Amt Föhr-Amrum, brachte eine rund 20-köpfige Delegation von der Nachbarinsel mit, die sich auf Amrum sichtlich wohl fühlte und nicht nur mit ihrer Tanzfreude eine Bereicherung für die Feier war.

Let's-Dance
Let’s-Dance

Schon um 16 Uhr wuselten bei bester Stimmung gut einhundert Menschen im proppevollen Eingangsbereich des Spa munter durcheinander, um sich erstmal mit selbst geschriebenen Namensschildern („Vorname reicht!“), Getränken und leckeren Speisen vom Büffet zu versorgen. Gar nicht so einfach, sich einen Überblick zu verschaffen: Wer ist da, wen kennt man und wer sind wohl „die Flüchtlinge“?

Auf Amrum leben zurzeit 18 Menschen, Erwachsene und Kinder, die Asyl suchen. Sie wohnen in Wittdün und Süddorf und kommen aus Afghanistan, dem Irak, Albanien und dem Kosovo. Aus unterschiedlichen Gründe mussten sie ihre Heimat verlassen (Amrumer Familien kennen das auch aus eigener Erfahrung) und kamen über das Erstaufnahmelager in Neumünster auf die Insel. Vermutlich werden nicht alle bleiben können, aber diese Entscheidung liegt in den Händen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (kurz BAMF) und kann dauern. Endlose Tage der Ungewissheit, des Wartens und der Sorge um zurück gelassene Angehörige…

 Kontakte knüpfen geht beim Essen super...
Kontakte knüpfen geht beim Essen super…

In diesen Tagen hat Familie Habib ihre Anhörung beim BAMF und in den folgenden Wochen wird dann über ihren Asylantrag entschieden. Habibs, das sind Maryam und Ramin mit den beiden quirligen kleinen Jungen Tayed und Youssuf. Ramin ist Elektroingenieur, spricht gut Englisch und macht derzeit ein Praktikum bei Edeka. Er musste aus Afghanistan fliehen, weil er für die US Army gearbeitet hat und bedroht ist. Die Familie ist schon seit einem Jahr auf der Insel und möchte gern auf Amrum bleiben. Tayed ist in der Waldgruppe vom Kindergarten und Ramin ehrenamtlich bei der freiwilligen Feuerwehr. Die Familie wohnt in Wittdün, in meiner Nachbarschaft und ich kenne sie. Aber die anderen Asylsuchenden kenne ich nicht. Soll man einfach jemanden ansprechen, den man gar nicht kennt? Echt schwierig!

Ich fasse mir ein Herz und spreche den zufällig neben mir stehenden Fahmy an, vorsichtshalber auf Englisch. Der antwortet in perfektem Deutsch und nimmt’s mit Humor. Er lebt nämlich schon weit über 20 Jahre in Norddorf und gehört zum Helferkreis. Doch durch ihn lerne ich Omar kennen, einen der beiden Flüchtlinge aus dem Irak, die im Dünenweg wohnen. Er ist vor vier Monaten auf die Insel gekommen und kann sich schon ganz gut auf Deutsch verständigen. Gelernt hat er das im Unterricht, den Anna an vier Vormittagen in der Woche erteilt, jeweils zwei Stunden pro Tag. Ich bin beeindruckt: ein charmanter junger Mann Ende Zwanzig, von Beruf Frisör, der mir behilflich ist, mich in dem Gewusel am Tresen zurechtzufinden. Er stellt mir seinen Landsmann Cetim vor, der Tischler ist und auch schon etwas Deutsch spricht, und dessen Freund Bashir, der aus Afghanistan stammt und dort LKW-Fahrer war. Mit ihm, der unter den Taliban in seiner Heimat keine Schule besuchen durfte und auf Amrum jetzt Lesen und Schreiben lernt, spricht er Türkisch. Türkisch? frage ich verwundert. Tatsächlich verständigen sich die beiden jungen Männer in einer gemeinsamen Fremdsprache, denn ihre Fluchtwege aus Afghanistan und dem Irak führten sie zunächst in die Türkei, wo sie  erstmal festsaßen und Freundschaft schlossen. Wie es den Dreien auf Amrum gefällt, will ich wissen. Ganz gut, aber sie würden gern arbeiten und mehr Gleichaltrige kennenlernen. Beides nur allzu verständlich!

Überall fröhliche Gesichter
Überall fröhliche Gesichter

Die Ungewissheit ist zermürbend und Warten ein ganz schlechter Zeitvertreib. Die jungen Leute brauchen Gesellschaft und etwas zu tun. Sie wollen sich einbringen.

Ich stelle mir gerade vor, wie es sein muss, mit Mitte zwanzig aus dem Süden stammend, mitten im Winter auf der Insel anzukommen, ohne eine Ahnung davon, dass im Sommer hier tausende von Gästen erwartet werden und man sich vor Arbeit kaum retten kann.

Aber bevor ich ihnen das so richtig erklären kann und überlege, wer wohl die anderen drei jungen Männer aus Afghanistan sind, die auch in Süddorf leben, kommt im Amrum Spa plötzlich mediterrane Stimmung auf.

Levantinisch-orientalische Klänge erfüllen den Raum und die ersten Männer beginnen eine Reihe zu bilden und zu tanzen. Weitere reihen sich ein, klatschen rhythmisch in die Hände – (Ist es eine Dabke?). Dann macht auch das Publikum mit. Gabi traut sich sogar zu tanzen, und – wie schön – jetzt reihen sich auch die jungen Mädchen aus Albanien ein! Eine heitere Fröhlichkeit erfüllt den Raum und ergreift das äußerlich doch eher norddeutsch zurückhaltende Publikum. Welch eine Freude, zu sehen, wie ausgelassen die jüngeren Leute ihre Soli tanzen! Eine Momentaufnahme der Unbeschwertheit –  ermutigender, kleiner Hoffnungsschimmer angesichts der täglichen Bilder, die uns vom Grauen der Menschen erzählen, die noch auf der Flucht sind.

Gegen 17 Uhr machen sich die Föhrer auf den Weg zur letzten Fähre und der Amrum Info Film wird gezeigt.

Ich gehe den Fragen nach, die sich viele stellen: Was kann man tun? Wer kennt sich aus? Wen spricht man an?

Kickern geht immer
Kickern geht immer

Um die Flüchtlinge herum hat sich im Laufe des vergangenen Jahres ein probates Netzwerk gespannt, ein ehrenamtlicher Helferkreis, der inzwischen 15 Aktive umfasst und je nach konkretem Bedarf erweitert wird. Zwecks Koordinierung trifft man sich ungefähr alle vier Wochen. Für Bildung und Gesundheit ist erstmal gesorgt, und um den materiellen Bedarf der Asylbewerber kümmert sich das Amt Föhr-Amrum vor Ort. Falls jemand einem der Flüchtlinge einen geeigneten Arbeits-, Ausbildungs- oder Praktikumsplatz anbieten kann, möge er sich bitte an Herrn Ben-Mansour im Amt Föhr-Amrum auf Föhr wenden.

Danach gefragt, was man denn zur Zeit konkret tun könnte, um den Flüchtlingen auf der Insel zu helfen, lautet die einhellige Antwort im Helferkreis: soziale Kontakte knüpfen und die Menschen in das gesellschaftliche Leben einbeziehen. Das fängt mit ganz einfachen Dingen an, zum Beispiel jemandem beim Einkaufen zu grüßen und einfach mal anzusprechen oder in der Freizeit etwas zusammen zu unternehmen und Deutsch zu sprechen, jemanden mit zu einer Veranstaltung auf der Insel zu nehmen oder sich im Rahmen der Nachbarschaft gegenseitig zu helfen und auch mal einzuladen oder zu besuchen. Ideen gibt es viele und einiges ist auch schon auf den Weg gebracht: Fußball im TSV, Gitarrenunterricht, Krabbelgruppe…

Willkommen und Ankommen auf Amrum eben, Begegnung im Kleinen und höchstpersönlich.

Astrid Thomas-NIemann für AmrumNews 10.3.2016

 

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Über Astrid Thomas-Niemann

Astrid Thomas-Niemann ist gelernte Schifffahrtskauffrau sowie studierte Sprach- und Erziehungswissenschaftlerin. Sie hat viele Jahre als Schifffahrtsanalystin gearbeitet und lebt seit 2015 in Wittdün. Als junge Frau kam Astrid 1981 das erste Mal auf die Insel und besuchte auf Zeltplatz II die Niemanns aus Hamburg, die Amrum seit 1962 urlaubsmäßig die Treue halten, inzwischen bereits in der 4. Generation.

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