Herbsteinsatz erfolgreich abgeschlossen… vom 30. Oktober bis zum 12. November war das Bergwaldprojekt auf Amrum.


Auf weinroten Brombeerblättern im Unterholz schimmert pelzig der Raureif und im Wald duftet es herrlich nach Pilzen, als ich zum Treffpunkt am Querweg in den Süddorfer Wald komme. Ich bin dort mit Anna Helms verabredet, die als Projektförsterin des Bergwaldprojekts in diesem Jahr den Herbsteinsatz auf Amrum leitet. Auf dem Programm stehen Pflegemaßnahmen in den aufgeforsteten Flächen zwischen Leuchtturm und Süddorfer Strandweg. Was so liebevoll klingt, ist ein Stück harter und stacheliger Arbeit für die Freiwilligen des Bergwaldprojekts, bei Wind und Wetter in gebückter Haltung mit Säge, Gertel, Stiehlhippe und Astschere den Brombeersträuchern und Spätblühenden Traubenkirschen zu Leibe zu rücken.

Anna Helms... Projektförsterin.
Anna Helms… Projektförsterin.

Das schnell wachsende Dickicht aus Brombeeren und Traubenkirschen macht den jungen Laubbäumen, die nach den schweren Herbststürmen 2013 neu gepflanzt wurden oder sich selbst angesiedelt haben, das Leben schwer. Da die Flächen viel zu groß sind, um die Wurzeln der unliebsamen Sträucher auszugraben, bleibt nichts als sie zweimal im Jahr bis auf den Boden zurückzuschneiden, „auf den Stock zu setzen“ wie es in der Fachsprache heißt. So bekommen die jungen Bäumchen erst einmal genug Licht um zu wachsen und sich hoffentlich auf Dauer gegenüber den Sträuchern durchzusetzen.

 

„Mit den kontinuierlichen Pflegearbeiten gewinnen wir Zeit für die neuen Pflanzen“, sagt Anna Helms, die sich seit acht Jahren freiberuflich im Bergwaldprojekt engagiert und jetzt im vierten Jahr als Projektförsterin das erste Mal auf Amrum arbeitet. Ob das denn nicht eine elende Sisyphusarbeit sei, frage ich nach. „Keineswegs“, erwidert die studierte Waldwirtin mit dem kräftigen Händedruck, die in Rostock ein zusätzliches Masterstudium in Umweltbildung absolviert hat. „Sisyphus’ Arbeit war ja sinnlos, aber wir haben hier ein Ergebnis.“ Die Neuanpflanzungen von Bergahorn, Linden und Buchen hätten sich trotz der nicht ganz einfachen Standortbedingungen (Sandboden, Trockenheit, Wind) schon gut entwickelt. Ebereschen und Birken, die sich ortstypisch von allein dazu gesellten, ebenfalls. Die neuen Bäumchen seien inzwischen kräftig genug und werden es schaffen. Deshalb würden diese Flächen jetzt zum letzten Mal vom Bergwaldprojekt gepflegt und können sich im nächsten Jahr selbst überlassen werden.

Wuchernde Sträucher müssen mühsam mit der Hand zurückgeschnitten werden
Wuchernde Sträucher müssen mühsam mit der Hand zurückgeschnitten werden

Durch die verheerenden Stürme Xaver und Christian haben die notwendigen Aufforstungs- und Pflegemaßnahmen ganz andere Dimensionen angenommen als zu Beginn der Buchung des Bergwaldprojekts, das seit 2001 zweimal im Jahr auf Amrum im Einsatz ist. Der Aufwand ist so groß, dass der Amrumer Forstverband, dessen Mitgliedern die 180 Hektar Wald auf der Insel gehören, inzwischen 40 Hektar maschinell von Garten- und Landschaftsbau Andresen pflegen lässt. Doch auf frisch aufgeforsteten Flächen, wo die Setzlinge oder jungen Bäumchen zwischen Strauchdickicht schwer ausfindig zu machen sind, kann man keine Freischneider einsetzen und muss die wuchernden Sträucher mühsam mit der Hand zurückschneiden. Ohne die engagierte Arbeit der Helferinnen und Helfer des Bergwaldprojekts, die für den Erhalt und ökologischen Umbau des Amrumer Waldes eine Woche ihres Urlaubs oder ihrer Freizeit einsetzen, wäre das kaum zu bewältigen. Es bleibt also viel zu tun für das Bergwaldprojekt auf der Insel, dessen Einsatz in diesem Jahr durch die Kooperation mit der OTTO Gmbh & Co. KG in Hamburg finanziert ist, die den naturnahen Waldumbau auf Amrum seit einigen Jahren unterstützt.

 

„Der nächste Frühjahrseinsatz wird sogar drei Wochen dauern“, sagt Bezirksförster Walther Rathkens, der die Forstarbeiten auf der Insel koordiniert und zum Gespräch dazu gestoßen ist. Bei der Vogelkoje soll eine Waldfläche neu bepflanzt werden. Der Boden dafür werde gerade vorbereitet. Walther Rathkens arbeitet eng mit den jeweiligen Projektförstern des Bergwaldprojekts zusammen und ist froh darüber, bei den Einsätzen des Bergwaldprojekts immer feste Ansprechpartner vor Ort zu haben.

 

Nacheinander kommen inzwischen die Helferinnen und Helfer mit ihren Werkzeugen aus der freigeschnittenen Fläche zwischen Dünen und Waldweg heraus. Gestern noch ein undurchdringliches, pieksiges Dickicht, kommt sie mir nun kahl und riesig vor. Tatsächlich aber erkennt man jetzt die vielen jungen Bäumchen, die hier vor zweieinhalb Jahren gepflanzt wurden. Ich staune, was dieses bunt zusammengesetzte Team aus allen Teilen Deutschlands in so kurzer Zeit geschafft hat. „Das kann man nur, wenn so viele Leute gleichzeitig in die Fläche gehen“, sagt mir eine Teilnehmerin, die aus Oberhausen kommt und strahlt. Sie ist das erste Mal auf Amrum im Einsatz, so wie die meisten. Es macht Spaß: Die gemeinsame Aufgabe, die körperliche Arbeit im Wald, das kulturelle Rahmenprogramm und nicht zuletzt die leckeren gemeinsamen Mahlzeiten (beim Bergwaldprojekt immer vom eigens mitgereisten Koch zubereitet) schweißen ein hoch motiviertes Team zusammen. Männer und Frauen zwischen 18 und 81 Jahren, die sich vorher gar nicht kannten. Liselotte ist mit 81 die älteste Teilnehmerin und als einzige der Gruppe schon das zweite Mal auf Amrum dabei.

 

Am Sonntag auf eigene Kosten angereist, Montag und Dienstag den ganzen Tag an der frostig-frischen Luft gearbeitet, abends ein Museumsbesuch im Öömrang Hüs, am Mittwoch Morgen auf dem Leuchtturm, nachmittags eine Exkursion ins Watt, davor und danach arbeiten im Gelände. Draußen herrschen inzwischen Minusgrade. Alle Achtung, strammes Programm!

„Fallt Ihr nicht gleich mit Muskelkater todmüde ins Bett?“, frage ich und denke an den einzigen Skiurlaub meines Lebens. „Nicht ganz, aber wir gehen zeitig zu Bett. Vorher gemeinsam essen und noch mal schnell unter die heiße Dusche. Es gibt nämlich nur eine“, lautet lachend die Antwort. Es ist inzwischen Abend geworden und die 21 freiwilligen Helferinnen und Helfer des zweiten Herbsteinsatz-Teams sind bei den Fahrrädern am Treffpunkt eingetroffen und fahren zurück ins Quartier nach Norddorf. Es ist kalt, aber windstill. Kein Regen, diese Woche also richtig viel Glück mit dem Wetter. Am nächsten Tag geht’s wieder früh raus. Das ist schon der vorletzte Einsatztag und bis zur Abreise am Sonnabend sind die ganzen 12 Hektar geschafft. Vielen Dank an die beiden Herbstteams des Bergwaldprojekts!

 

 

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Über Astrid Thomas-Niemann

Astrid Thomas-Niemann ist gelernte Schifffahrtskauffrau sowie studierte Sprach- und Erziehungswissenschaftlerin. Sie hat viele Jahre als Schifffahrtsanalystin gearbeitet und lebt seit 2015 in Wittdün. Als junge Frau kam Astrid 1981 das erste Mal auf die Insel und besuchte auf Zeltplatz II die Niemanns aus Hamburg, die Amrum seit 1962 urlaubsmäßig die Treue halten, inzwischen bereits in der 4. Generation.

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