Muko-Verein verkauft Haus Sturmvogel


Auf Amrum wird das Haus Sturmvogel verkauft. Das schöne, große 11-Einheitenhaus mit Wattblick am Anfang des Tidenwegs in Wittdün gehört dem gemeinnützigen Mukoviszidose-Verein in Bonn und wurde erst vor vier Jahren für rund 460.000 Euro komplett renoviert. Seit Dezember wird es über einen Makler für 998.000 Euro angeboten. Auf Amrum, wo Menschen, die an der unheilbaren Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose leiden seit Jahrzehnten ein Forum haben, sich treffen, behandelt werden, und jedes Jahr zu Pfingsten gemeinsam mit Hunderten anderer den Mukolauf bestreiten, dessen hohe Spendersummen bis zum vergangenen Jahr auch diesem Haus zugute kamen, hat der beabsichtigte Verkauf für Furore gesorgt. Das Haus ist seit 1992 in Vereinsbesitz und stand Angehörigen und Kranken als Urlaubsmöglichkeit zu stark ermäßigten Preisen zur Verfügung.

Wattblick inklusive: Haus Sturmvogel © Muko-Verein
Wattblick inklusive: Haus Sturmvogel © Muko-Verein

Der Bundesverband des Mukoviszidose-Vereins hatte bereits Anfang des Jahres den Verkauf des Haus empfohlen. Grund war das Risiko von Keimübertragungen bei Betroffenen. Nicht jeder CF-ler (cystische Fibrose wird die Krankheit auch genannt) hat das gleiche Keimspektrum. Manche sind mehr, andere weniger mit antibiotikaresistenten Keimen, sprich Bakterien belastet. Die Gefahr, in einem Haus, das fast ausschließlich von CF-lern genutzt wird, auf Mitmenschen zu treffen, von denen man sich ein für den weiteren Krankheitsverlauf gefährlichen Keim holen kann, ist groß. “Zu groß”, sagt Winfried Klümpen, Geschäftsführer und zuständig für Vereinsangelegenheiten.

Gudrun Hausmann hält dagegen. “Die Keimproblematik ist schon lange bekannt. Dann hätte man doch gar nicht mit so viel Aufwand renovieren müssen.” Die gelernte Kinderkrankenschwester und studierte Pädagogin gehörte jahrelang zu den aktivsten Mitgliedern der Regionalgruppe Amrum, wo ihr Mann einst den Vorsitz hatte. Marcus Hausmann hatte bis zu seiner Lungentransplantation und einer darauf folgenden Erblindung maßgeblich den weit über Norddeutschland hinaus bekannten Muko-Spendenlauf organisiert.

Sauberkeit hat hier oberste Priorität © Muko-Verein
Sauberkeit hat hier oberste Priorität © Muko-Verein

Die Abstimmung während der Jahreshauptversammlung im Mai fiel sehr knapp für einen Verkauf des Hauses aus. Emotional aufgeladen ist das Thema auf jeden Fall. Das Haus hat auf Amrum eine derart große Unterstützung erfahren, “die hat mir immer wahnsinnig imponiert”, sagt Oliver Marco Pohl, der Geschäftsführer der Lebenshilfe Sylt. Der gemeinnützige Verein, der sich um die Inklusion auf den Inseln kümmert, hatte im Vorfeld Interesse an dem Haus signalisiert, auch mit dem Hintergedanken, es vielleicht für geistig Behinderte zu nutzen. “Aber wir haben natürlich keine Chance, am freien Markt mitzubieten.” Es sei im Vorfeld durchaus versucht worden, es Muko-nahen Kliniken oder sozialen Einrichtungen anzubieten, sagt Geschäftsführer Klümpen. “Aber auch die Fachklinik Satteldüne hat abgesagt.” Dort kennt man das Keimproblem natürlich treppauf, treppab.

Denn tatsächlich ist das Keimproblem nicht neu, aber die Sensibilisierung dafür steigt. Resistenzen gegen Antibiotika sind in letzten Jahren zunehmend größer geworden, was auch daran liegt, dass die Lebenserwartung der CF-ler höher ist, sie also länger Antibiotika einnehmen. Der häufigste Problemkeim trägt den Namen Pseudomonas.  In der Fachklinik Satteldüne kuren – in Keimsprache – positiv und negativ besetzte Patienten streng getrennt zu verschiedenen Zeiten und werden während ihres Aufenthaltes wöchentlich getestet. “Das hätte man, konsequent zu Ende gedacht, auch für den Sturmvogel machen müssen”, sagt Klümpen und beziffert den Mehraufwand für engmaschigere Kontrollen und verstärkte Hygienemaßnahmen auf 30 bis 40 Tausend Euro jährlich. “Das Haus war zum Schluss ja eigentlich ein Urlaubshaus. Rechtfertigt das eine Aufrechterhaltung um jeden Preis?” Zum Dortseinwollen hätte urlaubsreife CF-ler im Vorfeld durch Speicheltest ihr aktuelles Keimspektrum feststellen lassen müssen, und irgendwo hätte jemand darüber wachen müssen, dass sich zur selben Zeit nicht positiv mit negativ mischt. “Das ist doch gar nicht machbar”, sagt Uwe Köller. Der 43-Jährige Sprecher der Regionalgruppe Amrum gehört zu den “alten” CF-lern, denen, als sie jung waren, niemand versprechen konnte, dass sie mal die Vierzig erreichen. “Es hat sich gottseidank viel getan”, sagt Köller, dessen Bruder Mitte der 1990er Jahre mit noch nicht ganz dreißig Jahren starb. Aber es haben sich eben auch Sensibilitäten verstärkt. “Vor fünf Jahren haben wir noch noch keine so feinen Unterschiede beim Keimspektrum gemacht”, sagt Köller. Vielleicht war dieses Bewusstsein auch der Grund für die geringe Auslastung des Hauses? Sie soll bei knapp zwanzig Prozent gelegen haben, was nicht viel ist für Zweier-Wohnungen, die außerhalb der beiden Hochsommermonate gerade mal ab 34 Euro für Mitglieder und 47 Euro für Nichtmitglieder kosten. “Es hat von unserer Seite schon 2012 den Vorschlag gegeben, das Haus selbst zu verwalten, sagt Gudrun Hausmann von der Regionalgruppe Amrum. Der Vorschlag wurde aber – trotz Beschluss des Bundesvorstands auch mit Unterstützung der Bonner Geschäftsstelle – nicht weiter verfolgt. “Das war mit den handelnden Personen und Ressourcen auf der Insel nicht umsetzbar”, sagt Klümpen.

“Viele CF-ler haben sich ohnehin ganz woanders untergebracht”, sagt Köller. “Die kamen mit Hund, der war im Haus verboten, oder sie wollten ihre Ruhe und etwas Abstand.” – “Es war auch die zunehmende “Keimangst”, weshalb die Auslastung nicht stieg”, sagt Geschäftsführer Klümpen, verweist aber auch darauf, dass sie als gemeinnütziger Verein zwar wirtschaftlich arbeiten, aber solche speziellen Angebote auch anbieten können, wenn sie sich nicht rentieren.

Weg von der Urlaubsidee für alle, hin zu Einzelklimamaßnahmen geht jetzt die Idee des Bundesvorstandes. Ab April will der Mukoviszidose-Verein über den sogenannten Sturmvogel-Fonds gezielt Einzelaufenthalte auf Amrum finanzieren. Sie sollen vor allem jenen CF-lern dienen, die auf Grund ihrer Keimproblematik bei Gruppenmaßnahmen gar nicht mehr zugelassen werden oder aus Zeitplan- oder Finanznöten bedürftig sind. Die Idee ist nicht neu, darüber wurde bereits vor sechs Jahren nachgedacht. Die Aufenthalte sollen mit medizinischer Betreuung und Physiotherapie verbunden werden. “Damit würde Amrum für Mukoviszidose-Kranke über die Fachklinikarbeit hinaus weiterhin ein wichtiger Anlaufpunkt bleiben”, sagt Uwe Köller. Das wäre ihm ganz wichtig. Auch wenn der Sturmvogel wegfliegt.

 

 

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Über Undine Bischoff

Journalistin und Texterin. Fuhr mit drei Jahren zum ersten Mal über den Kniep – in einer Schubkarre. Weil ihr Vater da draußen eine Holzhütte baute, zwanzig Feriensommerjahre lang. Betextet Webseiten und Kataloge, schreibt für verschiedene Medien und natürlich für Amrum News.

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