Von Amrum über Hörnum nach Hamburg


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Brückenreste am Norddorfer Strand

»Hier war bestimmt einmal eine Brücke«, sagen Inselgäste, wenn sie vom Norddorfer Strand nordwärts wandern und etwa in Höhe des ADS-Jugendheimes »Ban Horn« draußen vor der Küste zwei Balkenreihen sehen, die inzwischen von der Nordseebrandung zunehmend ramponiert werden. Und ältere Insulaner erinnern sich sogar noch an das umfangreiche Balkenwerk der Seebrücke, die noch bis 1939, bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges, ihren Zweck erfüllte – nämlich der Anschlusslinie zu den Bäderdampfern der HAPAG, die von Hamburg kamen und wieder nach Hamburg fuhren.
Die Zwischenlinie Amrum-Hörnum hat in dem reichlich 30jährigen Bestehen eine bewegte Geschichte erlebt, verdankt sie ihrem Zustandekommen doch schon einer Zwangssituation und war die Ursache für den Ausbau der Inselbahn auf Amrum.
Geschehen war Folgendes: Im Jahre 1890 war auf der Südspitze von Amrum das Seebad Wittdün gegründet worden, und der hier seit 1892 agierende, rührige und tüchtige Direktor der Aktiengesellschaft, Heinrich Andresen, erkannte, dass der Erfolg des neuen Badeortes so weit hinaus in die Nordsee von einer guten Erreichbarkeit durch das Badepublikum abhängig war. Deshalb bemühte sich Heinrich Andresen mit Erfolg um den Ausbau von Verkehrsverbindnungen nach Amrum.
Damals bestand diese Verbindung seit 1895 durch die Wyker Dampfschiffs-Reederei ab Dagebüll über Wyk nach Wittdün.
Nach Föhr und Amrum Reisende konnten zwar mit der “Marschenbahn” ab Hamburg-Altona seit 1887 bis Niebüll fahren, mussten dort aber auf Pferdefuhrwerke umsteigen, um weiter nach Dagebüll zu gelangen.
Erst 1895 wurde durch wesentliche Finanzhilfe der WDR die heute noch bestehende Kleinbahn Niebüll-Dagebüll eröffnet.
Die zweite Saisonverbindung nach Amrum erfolgte ab Hamburg mit einer Linie, die der einheimische Kapitän und Gründer Wittdüns, Volkert Martin Quedens, 1884 eingerichtet hatte, diese jedoch dem stärkeren Konkurrenten, dem Hamburger Werfteigner Blohm (Blohm & Voß) überlassen musste, der ab 1886 den Raddampfer “Freia” nach Föhr und Amrum sandte.
Mit Amrum war vor der Gründung der Seebäder (1890) aber nichts zu verdienen! Deshalb fuhr die “Freia” nur bis Wyk, Seebad seit 1819, und Passagiere nach Amrum mussten dort übernachten und konnten erst an einem der folgenden Tage mit einem WDR-Dampfer weiterkommen. Anlegestelle war aber nicht Wittdün, sondern Steenodde.

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Die 1909 nach Norder verlegte Brücke mit dem Raddampfer “Sylt”, Kpt. Broder Jensen, der sich in Norddorf ansiedelte

Direktverbindung mit Hamburg
Eine der Bedingungen für die Zuteilung der “Badekonzession“ an den Gründer Wittdüns, Volkert Martin Quedens, war “eine Brücke für das Anlegen Hamburger Dampfer” zu erbauen, was auch geschah.
Als dann ab 1892 Heinrich Andresen den weiteren Aufbau und den Betrieb des Badeortes auf der Amrumer Südspitze übernahm, verhandelte er sofort mit der Ballin’schen Dampfschiffs-Reederei, die 1889 Linie und Dampfer von Blohm übernommen hatte und sich ab 1897 “Nordsee-Linie” nannte, unverändert unter der Regie von Albert Ballin. Und nun hatte Amrum sozusagen eine Direktverbindung mit Hamburg. Fotos und Postkarten aus den 1890er Jahren zeigen die Seebäderdampfer “Silvana” und den Raddampfer “Cobra” an der Wittdün Brücke. Und zusätzlich schickte auch der Norddeutsche Lloyd seinen Dampfer “Seeadler” ab Bremerhaven dreimal wöchentlich über Helgoland nach Amrum!
So schien alles zum Segen für Amrum bzw. Wittdün geregelt. Aber als im Jahre 1907 die Wittdüner Aktiengesellschaft Konkurs anmelden musste, stellte der Lloyd seine sommerliche Verbindung mit Amrum ein. Doch schon vorher, um 1900, hatte die Nordsee-Linie (seit 1905 mit der HAPAG fusioniert) ihren Bäderverkehr nach Amrum eingestellt und nach Hörnum-Sylt verlegt, weil mit Westerland mehr Geld zu verdienen war, als mit dem relativ bescheidenen Fremdenverkehr auf Amrum. Für Amrum war diese Umorientierung eine Katastrophe. Denn die Verbindung mit Hamburg war die Wichtigste in jener Zeit. Wohl gab es schon die erwähnte Bahnverbindung bis Dagebüll und der WDR zur Insel. Aber sehr viele Nordseebesucher wählten – Seekrankheit hin oder her – eine Seereise. Das gehörte im deutschen Kaiserreich zum “guten Ton”. Zwar hatte der Direktor der Wittdüner Aktiengesellschaft sofort für eine Zwischenverbindung von Hörnum nach Wittdün gesorgt. Aber diese war zeitraubend und erfüllte die Erwartungen nicht. Es gab jetzt nur noch eine Lösung! Auf kürzestem Wege eine Zwischenlinie von Hörnum zum Amrumer Strand bei Norddorf !

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Von 1924 bis 1939 besorgte die WDR die Linie Norddorf-Hörnum. Hier der Dampfer “Wyk-Föhr”, Kpt. Wilhelm Nommensen

Die Geburt der Inselbahn
Die Brücke für den Hörnum-Verkehr am Norddorfer Strand war allerdings von Wittdün fast 10 Kilometer entfernt. Deshalb bemühte sich Heinrich Andresen mit der ihm eigenen Energie um den Ausbau einer Bahnlinie. Und dazu bot sich die Kniepsandbahn von Wittdün an, eingerichtet im Jahre 1894 zwischen Wittdün und dem Kniepsandbad westlich von der Amrumer Südwestecke “Wriakhörn”. Nach zähen Verhandlungen mit der Gemeinde Amrum und Landeigentümern konnte die Dampfspurbahn im Jahre 1901 eröffnet werden. Sie führte über das “Kurhaus Satteldüne” als Kopfbahnhof nach Nebel und weiter über Norddorf zum dortigen Strand. Dort befand sich eine Seebrücke für die Hörnum-Dampfer, etwa 100 Meter unterhalb der jetzigen Strandhalle. Für den Zwischenverkehr setzte die Nordsee-Linie zunächst die kleinen Dampfer der “Sylter Dampfschiffs-Gesellschaft” ein. Aber bald musste die Brücke nach Norden verlegt werden, weil von Süden her der Kniepsand heranwanderte und das Fahrwasser immer flacher wurde. Aber auch dem neuen Standort war keine dauernde Bleibe beschieden.
Die Brücke – deren Rest jetzt sichtbar sind – musste erneut nach Norden verlegt werden, und jedesmal war auch die Verlängerung der Eisenbahnschiene nötig – ein ruinöser Zwang für die Aktiengesellschaft Wittdün und eine der Ursachen für den Konkurs. Denn die Bahn war nur für wenige Sommermonate ausgelastet und kämpfte ansonsten das ganze Jahr mit Versandungen der Schiene und mit Sturmfluten am Norddorfer Strand an der sog. “Risum-Lücke”, ehe hier 1913 ein Deich gebaut wurde. Die letzte Verlängerung erfolgte 1931, bis etwa 200 Meter nördlich des heutigen Jugendheimes Ban Horn. Aber auf dieser letzten Strecke wurde die Bahnschiene nicht mehr entsprechend verlängert. Inzwischen hatten Nordseelinie/HAPAG die Zwischenlinie Norddorf-Hörnum der Wyker Dampfschiffs-Reederei überlassen, die hier ab 1922 einen eigenen Dampfer “Wyk-Föhr” einsetzte. Kapitän war Wilhelm Nommensen. Am 10. Juni 1944 wurde der Kapitän kurz vor dem Anlegen in Wittdün auf dem WDR-Dampfer von britischen Tieffliegern erschossen. Aber zu dieser Zeit lag die Brücke am Norddorfer Strand schon still. Der 2. Weltrkrieg hatte den Fremdenverkehr völlig lahmgelegt und damit auch den Seebäderdienst nach Hörnum und Hamburg beendet. Vorbei war die Zeit, als im Sommer täglich die stolzen Dampfer, darunter die “Königin Luise”, am Horizont erschienen und nach Hörnum einliefen.

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Am Ende ein mächtiges Gebilde

Das Ende der Norddorfer Seebrücke
Die letzte, 1937 errichtete Brücke war ein imposantes Balkenwerk, aus stabilen Balken errichtet. Als der Kniepsand dann näher kam und auch hier das Fahrwasser verflachte, wurde die Brücke um einiges seewärts verlängert. Aber das stabile Gebälk hielt doch dem strengen Winter 1940 nicht stand. Als sich die Eismassen, von denen die Brücke eingeschlossen war, bei einem Sturm in Bewegung setzen, wurden über 20 Meter Brückengebälk herausgebrochen. Der Seebäderverkehr war in den Jahren des 2. Weltkrieges eingestellt und wurde in der früheren Form nach Kriegsende und Neubeginn des Fremdenverkehres nicht wieder aufgenommen.
Hamburger Seebäderdampfer – zuletzt die “Wappen von Hamburg” – fuhren nur noch nach Hörnum. Doch sorgte ein WDR-Dampfer noch für einige Jahre für eine Zwischenverbindung nach Wittdün und Wyk, ehe diese Linie mangels Bedarf eingestellt wurde.
Die mächtige WDR-Brücke am Norddorfer Strand lag, von Sturm und Eisgang beschädigt, nun ungenutzt und überflüssig, erhielt aber in den Notjahren der Nachkriegszeit immer wieder nächtlichen Besuch von Einheimischen und Flüchtlingen, die Teile des Balkenwerkes heraussägten, um Brennholz zu gewinnen. Auf den kahlen Balken saßen dann öfter in Wind und Wetter Insulaner, vor Kälte zitternd, um Butt und Schollen zu angeln – darunter als 10-jähriger Knabe auch der Verfasser. Schließlich aber wurde die Brücke durch den Besitzer, die WDR, abgebrochen und die Balken für die Reparatur der Wittdüner Brücke verwendet.

Georg Quedens

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