Die Amrumer Westküste – wie sie früher war


Als in den Jahren um 1890 Amrum für die “Anlage von Seebädern”, also für den Fremdenverkehr, entdeckt wurde, auf Wittdün die ersten Hotels und Logierhäuser im Gewoge der Dünen und auf dem hohen Dünenwall ge­baut wurden, in der Inselmitte auf der Westerheide der Grundstein für das feudale Kurhaus “Satteldüne” gelegt war und bei Norddorf die West­fälische Diakonissenanstalt unter Leitung von Pastor Bodelschwingh Seehospize errichtete, boten sich für Postkartenverleger entsprechende Motive an. Hotels, Logierhäuser, Strandleben, Dorfpartien, Dampfer, die nach Amrum fuhren, die Inselbahn, Frauen in Friesentracht und natürlich der Leuchtturm wurden als Fotos vielfältig verwendet und in alle Welt verbreitet. Viele dieser Postkarten sind noch heute in Archiven und in privater Hand vorhanden und vermitteln uns ein aus­reichend gutes Bild über Amrum vor und nach 1900.

Zu diesen Postkarten gehört auch das Bild der Inselgestalt aus der genannten Zeit, und hier fällt vor allem die Form des damaligen Kniepsandes auf. So weit, wie wir zurückwissen, hatte der Kniep immer nur im Südwesten Verbindung mit der Insel Amrum. Bekanntlich kommt der Ge­zeitenstrom und damit auch die Sandwanderung an der Nordseeküste von Südwesten, also etwa aus Richtung Helgoland. Entsprechend zeigen Luft­fotos denn auch die querlaufenden Sande und Untiefen seewärts vom Kniep. Und völlig unsinnig ist die immer wieder in den Medien zu hö­rende oder sehende Behauptung, dass der Kniepsand von der wiederkehrenden, millionenteuren Sandvorspülung des Sylter Strandes profitiert, weil die dortigen Sandmassen nach Amrum wandern. Das ist  gegen den Gezeitenstrom und über das mächtige Vortrapp-Tief zwischen Amrum und Sylt ganz unmöglich!
Die vorliegende Postkarte zeigt die Form des Kniepsandes, wie sie um 1900 und noch bis in die nachfolgenden Jahrzehnte aussah.
Im Südwesten von Amrum, zwischen der Südwestspitze “Wriakhörn” und etwa in Höhe des Süddorfer Strandes, liegt diese Sandbank als kilometerbreite Flä­che im Anschluß an die Inselküste. Auf ihrem hochwasserfreien, ebenen Gelände liegt die Strandhalle mit den Badekabinen des Badeortes Witt­dün, seit 1894 mit dem Ort durch eine Dampfspurbahn verbunden. Die Badeanlage auf dem Kniep war von der Wittdüner Badedirektion im obigen Jahre errichtet worden, um den Gästen “einen kräftigen Wellenschlag zu vermitteln”. Denn kräftige, den Körper massieren­de Brandung war damals das Kriterium eines Nordseebades. Und diese Brandung fehlte am unmittelbaren Wittdüner Strand, weil dieser dem Gezeitenwechsel ausgesetzt, also bei Ebbe trocken lag. Und außerdem behinderte ein östlicher Ausläufer des Kniepsandes die Brandung am Wittdüner Strand. Nun aber konnten die Wittdüner Gäste von morgens bis abends jede Stunde für einen Groschen zum Kniepsandbad fahren! Diese Anlage bestand ursprünglich aus einer Strandhalle mit Restau­rant als Endstation der Bahn sowie zu beiden Seiten die Reihen der Badekabinen, wie die Halle sturmflutsicher auf hohen Balken ste­hend. Und natürlich mit getrennten Damen- und Herrenstränden, wie es die strengen Moralvorschriften jener Zeit forderten.
Durch eine schwere Sturmflut am 31. August 1923 wurde die Strandhalle auf dem Kniep zerstört, aber keine neue aufgebaut. Die Badekabinen wurden stattdessen auf den Schienen der Eisenbahn aufgereiht, so dass sie bei einer Sturmflut zügig an Land gezogen werden konnten. Es gab aber noch eine zweite Badeanlage auf dem damaligen Kniep – vom “Kurhaus Satteldüne”, ebenfalls mit Restauration. Zu dieser Anla­ge führte vom Kurhaus aus eine Pferdebahn.
Ansonsten bestand der Kniep aus einem schmalen Nehrungshaken, etwa einen halben Kilometer vor der Amrumer Westküste. Nach oben aber war die Nehrung offen, so dass von dort der naturgebildete “Kniephafen” hineingriff, bis hinunter in Höhe von Süddorf.

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Dieser Naturhafen war so tief, dass hier noch um 1900 Austernkulturen angelegt werden konn­ten und im Winter größere Handelssegler zur Winterruhe lagen. An der Küste befand sich in Höhe der heutigen Strandhalle Nebel die erste Station der “Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger”, im Jahre 1865 eingerichtet. Aber dann machte sich von Südwesten kommend eine gewaltige Sandzufuhr bemerkbar – vielleicht nach Auflösung des großen “Seesandes”, einige Kilometer südlich von Amrum liegend, und der Kniephafen versandete. Schon 1870 mußte die Rettungsstation nach Norden, eben unterhalb des Inselbogens “Hörn” verlegt werden, 1870 ein weiteres Mal, bis “Batjes Stieg”. Und noch einmal im Jahre 1876 bis in Höhe des Norddorfer Strandüberganges. Und ebenso mussten die Brücken für den Hörnum – Hamburg – Zwischenverkehr vom Nord­dorfer Strand einige Male nach Norden verlegt werden. Umsonst! Die dynamische Sandzufuhr von Süden ließ den Kniep immer weiter nach Norden wandern. Und inzwischen hatte sich auch der ehemalige Kniep­hafen in eine geschlossene, feste Sandplatte verwandelt, wie es heute noch der Fall ist. Die übrige Inselküste aber hat sich kaum verändert.

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Über Georg Quedens

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