Man wähnte sich tatsächlich mitten in einem Künstlerdorf, so quirlig, bunt und inspirierend war die Atmosphäre im Norddorfer Gemeindehaus, wo der Rotary Club Amrum 28 Maler, Grafiker, Foto- und Keramikkünstler zusammengebracht hatte, um mit Musik und gutem Wein zwei wunderbare Tage zu verbringen.

Im Garten, bei schönstem Sonnenschein, stand Amrums Rotary-Präsident Freddie Flor glücklich unter vier neuen weißen Pagodenzelten und nickte jeden Flaneur mit einem Lächeln zu: „Bestimmt schon wieder jemand, der etwas kaufen will“, sagt er und blickt auf sein Notizbuch, wo er die kleinen Klebepunkte mit Rotary-Logo aufbewahrt, die, neben das Werk geklebt, anzeigen, dass es schon einen Liebhaber gefunden hat. Von dem Teil der Verkaufssumme, den die Künstler später an die Rotarier weitergeben, wird der Club wieder soziale Jugendprojekte unterstützen können.

Die Idee zu dem Event brachte Annette Isemann vor sechs Jahren von einem Ibiza-Urlaub mit. „Dort gab es eine ‘Nacht der Künste’, die fand ich so toll, das wollte ich auch für Amrum haben und habe es mal bei unserem Rotary-Treffen vorgeschlagen.“ Dann ging alles sehr schnell: Im sehr hübschen Norddorfer Gemeindehaus zogen Stühle aus und Stellwände ein. Im ersten Jahr stellten dort nur Amrumer Künstler aus, aber schon im zweiten Jahr öffnete man die Türen auch für andere. So kam Ingo Kühl mit seinen „Sehnsuchtsbildern“ nach Amrum. Unter den vielen bibliophilen Büchern, die der Keitumer Maler, der auch ein Jahr in der Südsee lebte, herausgegeben hat, ist auch eins mit Gedichten von Sarah Kirsch, „Luft und Wasser“ zu denen Kühl die Bilder malte.
Die Geschichten, die sich hinter den Künstlern und ihren Werken auftun, machen einen Großteil der besonderen Atmosphäre dieser zwei Tage aus. Ann Schiffer aus Köln kommt seit Jahren mit Familie zum Urlauben, ihre Mutter kennt Freddie Flor und hat die Tochter für dieses Event vorgeschlagen. Ihre zarten Drucke von Fischkiemen, Lilienpollen und Schmetterlingsflügeln sind tausendfach vergrößerte Ansichten, wie sie ihr unter dem Rasterelektronenmikroskop erscheinen.

Neben ihr – der Kontrast könnte nicht größer und schöner sein – vertritt Rüdiger Skadow den „Spätexpressionismus“ mit Friesenhaus und Leuchtturm in leuchtend, satten Farben. Der Mann mit grauem Kinnbart, der aussieht wie der Kapitän eines alten Handelsschiffes, ist Bauingenieur, Architekt und Maler, lebt in der Pfalz und in seinem kleinen Haus in Süddorf und malt, vor großem Aquarellbogen, gern auf den Knien. „Zwischendurch und nebenbei“ malt der Amrumer Nick Jungclaus, der seit Jahren in Hamburg lebt und als Kreativdirektor einer Werbeagentur arbeitet. Seine Linoldrucke mit Austernfischern, Krabben, Watt und den alten WDR-Fähren kamen beim Publikum sehr gut an. Tobias Hartmann, ein Künstler und Designer, der zwischen Hamburg und Amrum pendelt, hatte 14 Bilder für dieses Fest gemalt, gespachtelt und kalligrafiert. „Es wird ein bisschen wolkig“ kündigte er in seinem Blog „Totaltheater“ seine neue Arbeiten an.

Gleich am Eröffnungsabend, als sich die Gäste drängten und zwischen den Ständen kaum ein Durchkommen war, wurde auch das wunderschön geheimnisvolle „Meeresleuchten“ vom Lübecker Maler Felix Karweick, einem guten Freund von Otfried (Pancho) Schwarz verkauft. Das Werk, dunkelblau in goldenem Rahmen, ging als erstes weg, für 1400 Euro. „Ich freue mich über den Erfolg“, sagt Rotary-Mann Flor, lacht, und platziert einen Klebepunkt.
„Pancho“, Otfried Schwarz, war natürlich auch dabei, aber das ist er eigentlich immer, sind doch einige seiner Werke ständiger, gern gesehener Schmuck im Gemeindehaus. Auch Kai Quedens ist auf der Insel omnipräsent. Er brachte unter anderem das Bild einer Nackten mit und hätte gern noch zwei Stillleben fertig gestellt. Vielleicht zum nächsten Mal ….

Die neue Idee, unter die Maler auch verstärkt Fotografen zu mischen, kam gut an. Fotografin Kinka Tadsen, im Nebenberuf Reporterin bei Amrum-News, zeigte Negative als Positive, tauschte also schwarz und weiß und ließ ihre Motive dabei in buchstäblich völlig neuem Licht erscheinen. „Das ist meine Liebeserklärung an die Dunkelkammer“ sagt sie in Erinnerung an diesen Ort, den viele Fotografen heute gar nicht mehr aufsuchen müssen, um ihre Bilder „zu entwickeln“. Sven Sturm zeigte Bilder aus freier Wildbahn. Der Lehrer an der Öömrang Skuul liebt Vogelmotive, entsprechend riesig ist sein Objektiv, das neben ihm als dekorativer Visitenkartenhalter Kopf steht. Fabian Ploppas Fotos haben auf den Seiten von Amrum.de zahlreiche Fans. Die Panoramaufnahmen des jungen Mannes, der im Sommer in Nebel bei Stefan’s Fahrradverleih arbeitet, wirken mittels HDR-Fotografie, einer Kombination aus Unter-, Über- und Normalbelichtung außergewöhnlich perfekt mit einem Touch ins Drama. Jan Dettmering, bei Foto Quedens angestellt, hatte sich mit seinen Fotos dieses Jahr das Thema „Sand und Bewegung“ ausgesucht. Grafiker Peter Lückel, Chefredakteur von Amrum-News, kombiniert Fotos mit Strandgut – „selbst gewaschen und getrocknet“ – in ein und demselben Rahmen.

Für die wunderschöne Musikuntermalung am Flügel sorgte ein langjähriger Feriengast von Annette Isemann. Thorsten Wszolek aus Neu-Isenburg hat sich einfach mal eben zum Bespielen des Flügels angeboten. Am Eröffnungsabend saß dort Manuel Pabst aus Eckernförde, der bis 2002 Lehrer auf Amrum war, die Soulband mit gründete und gerade auf der Insel urlaubt. Draußen im Garten zupfte Georg Dittmar, die eine Hälfte vom Amrumer Folk-Duo Crazy Horst, an seiner Gitarre. Dort präsentierten sich auch die vier Keramikkünstler der Insel, Cornelia Schau, Cornelia Garbe, Cordula Rudolph und Matthias Menk, die ihre Schalen, Krüge und Schmuckstücke zwischen Strandholz und Fischernetzen drapiert hatten.
Was für ein Künstlerinsel! Worpswede ist ein Dorf dagegen!