Natur pur im Museum Kunst der Westküste auf Föhr


Zwei neue Ausstellungen, die pure Natur von sechs Künstlern und das einfache Leben des friesischen Malers Jopie Huisman, sind jetzt im Museum Kunst der Westküste (MKDW) auf Föhr zu sehen.

Schon vom Katalogfotos gucken wird einem bei „Pure Nature Art“ ganz leicht ums Herz: Wie muss das nur in Wirklichkeit aussehen, wenn die ganze Decke voller Pusteblumen hängt? „Das habe ich mich auch gefragt“, sagt Dr. Katrin Hippel, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin der Ausstellung „Pure Nature Art“, die Naturmaterialien in der zeitgenössischen Kunst zeigt. „Bevor alle Stücke hier waren, kannte ich ja auch fast nur Fotos. Und einiges wurde auch ganz frisch für unsere Ausstellung gemacht“, freut sich die 33-Jährige.

„Frisch“ passt zu den Pusteblumen von Regine Ramseier sehr gut. Die waren nämlich lange noch unter Schweizer Schnee begraben, erfuhr Hippel von der schweizerischen Künstlerin, die auch nicht so genau wusste, wie das empfindliche Material auf seinem kurzen Weg vom Löwenzahn zur Pusteblume das Frühjahr 2017 erleben würde. Die 50-jährige gelernte Tischlerin Regine Ramseier, die im schweizerischen Emmental arbeitet, bedient sich gern an dem zufällig in der Natur Vorgefundenen. Ihre rund 2000 Pusteblumen hat sie in eigens angefertigten Schubladen im Auto Richtung Föhr transportiert, wo sie jetzt dicht an dicht an Nylonschnur wie ein Wunderland die Decke schmücken.

Ein Gang durch die Ausstellungsräume offenbart ganz unterschiedliche Herangehensweisen, die Natur als Material für die Kunst zu nutzen:

Miesmuscheln, die an Bäumen hängen; Federn, die auf Tischen stehen; Berge von feinsten Rosenblüten auf dem Boden; Laub und Rispen, zu Heuschrecken geformt; zarte, tanzende Gräser; ein Gebirge aus Efeusamen und Riesenmuscheln aus Bad Homburger Esche.

Fürs Museum Kunst der Westküste, was – so mitten auf einer Nordseeinsel – natürlich Meer und Küste zum Thema hat und sich dabei all der Künstler verschreibt, die von den Niederlanden bis hoch nach Norwegen, in der Zeit zwischen 1830 und 1930 ihren Lebensmittelpunkt an der Nordsee hatten, ist dieser zeitgenössische Kunstgriff zur Natur ein ganz natürlicher. Denn weshalb kommt der Gast auf diese Inseln? Was sucht er hier? Was genießt er? Was berührt ihn und geht uns alle an? “Wir wollen uns neben der Erschließung der privaten Sammlung auch der internationalen zeitgenössischen Kunst verschreiben“, sagt Museumsdirektorin Dr. Ulrike Wolff-Thomsen. „Es geht dabei um aktuelle Fragen zu Themen wie Natur, Landschaft, Meer und Küste. Wir wollen sie zukünftig verstärkt vor dem Hintergrund globaler ökologischer und gesellschaftlicher Veränderungen ausloten.“

Pure Nature Art. In der Kunst ist diese Richtung noch recht jung: Erst in den 1960er-Jahren hielten Naturmaterialien Einzug in die Museen. Die Föhrer Ausstellung wirft jetzt Schlaglichter auf das inzwischen weite und vielfältige Feld und zeigt über zwanzig Naturschönheiten von sechs Künstlern: Bethan Huws, Christiane Löhr, Alastair Mackie, David Nash, Regine Ramseier und Herman de Vries.

„Sie alle arbeiten mit Materialien, die bewusst nicht besonders wertvoll sind, die alle unserer Natur entstammen und die zeigen, dass alltägliche Werkstoffe zu Kunstwerken gemacht werden können“, sagt Kuratorin Hippel.

Zum Beispiel de Vries, ein 86-jähriger Niederländer, lebt heute in Unterfranken – waldnah, ein international bekannter Pionier der Naturkunst, eine Type wie Rübezahl: mit viel Bart und viel Mut. Er soll auch schon mal nackt Exponate im Wald gesammelt haben. Seine Bodeninstallation empfängt den Besucher mit dem Duft unzähliger Blüten der Damaszena-Rose, noch bevor er sie zu seinen Füßen als wunderschöner Teppich liegen sieht. Dass de Vries ausgebildeter Gärtner ist und lange als Biologe und Botaniker gearbeitet hat, mag man vermuten, wenn man seine gepressten Pflanzen, Gräser und sorgsam arrangierten Rosenstücke in der Ausstellung betrachtet.

Überhaupt: Was man da sieht, macht schon warm ums Herz und beruhigt die Nerven in unserer aufgeregten Zeit, weil wir wahrscheinlich alle am liebsten nur draußen wären und nicht an Kaufhaustresen und Büroschreibtischen. Außer vielleicht an jenen, auf denen so viele schöne Federn stehen, wie bei der Konzeptkünstlerin Bethan Huws, Jahrgang 1961, die aus Wales stammt, aber in Berlin lebt, und von der, neben dem „Federtisch“ – der auch das Ausstellungsplakat schmückt – auch noch das wunderwunderschöne Bäumchen stammt, an dem zarte Miesmuscheln an den Astspitzen von feinen Buchenzweigen hängen.

Man glaubt nicht, woraus man alles etwas bauen kann: Der 1977 geborene Alastair Mackie war schon einmal auf Föhr vertreten, mit seinem Wespennester-Haus in der „Empty Rooms“-Show 2016. Auch er verwendet viel organisches Material wie Holz, Schlamm oder Muscheln. Er hat zwar in London studiert, lebt aber heute wieder an der Küste Cornwalls. Wer einmal seine auf Format geschliffenen Sepiaschalen bewundert hat, sieht den Flutsaum seiner Urlaubsinsel beim nächsten Mal mit anderen Augen.

Gespannt war die Kuratorin auch auf Christiane Löhr. Die Künstlerin, die aus zarten Samen, Kletten, Blüten oder Stängeln ganz fragile Installationen zaubert, stellt im Glasgang ihre Säule aus Pferdehaar aus – vor Ort von Hand dekoriert, schließlich ist auch Föhrer Pferdehaar darin verwebt. Löhr, 1965 geboren, kommt aus Köln, ist aber öfter in Oberitalien anzutreffen. Sie war eine Schülerin des Mitbegründers jener starken, richtungsweisenden, italienischen Kunstbewegung Arte Povera (arme Kunst), die Mitte der 1960er versuchte, das klassische Kunstwerk von seinem Sockel herunterzuholen und Banales zum Kunstwerk zu machen.

David Nash ist auch einer der ganz großen der Naturbewegung. Der 71-jährige Brite ist der Mann des Holzes. Seine Kuppeln aus Korkeichenrinde oder die Muschel aus alter Esche: sie leben und reagieren auf Hitze, Licht und Feuchtigkeit. „Wenn ein Sprung entsteht, dann darf der sein – ja, das soll sogar“, sagt die Ausstellungskuratorin. Nash lebt und arbeitet in einer kleinen Bergarbeiterstadt im Norden von Wales, in einer alten Kapelle am Rande eines Schiefersteinbruchs. Von ihm sind die Sätze: „Ich will ein Leben und ein Werk, in dem sich die Ausgeglichenheit und Dauerhaftigkeit der Natur zeigt. Ich will eine einfache Art des Lebens und Tuns.“

Einen besseren Übergang zur zweiten Ausstellung kann man sich nicht wünschen: Jopie Huisman. Hommage an das einfach Leben. Erstmals außerhalb seines Heimatlandes gibt es jetzt Arbeiten des friesischen Malers zu sehen, dem, 1922 geboren und 2000 gestorben, in seiner Heimatstadt Workum in Ijsselmeer-Nähe liegt, ein ganzes Museum gewidmet ist. Die „verborgenen Perlen“ stammen aus einer Schweizer Privatsammlung. Der MKDW-Gründer und Stifter Frederik Paulsen hat Huismans Identifikation mit seiner friesischen Herkunft derart gefallen, dass er anfing, ihn für sein Unternehmen zu sammeln. In den Niederlanden ist der Mann eine Legende. Ein Lumpensammler und Altmetallhändler, mit 16 Jahren das erste Bild, ein Autodidakt, was die Malerei angeht, zeitlebens zu verliebt in seine eigenen Bilder, um sie zu verkaufen, vielleicht auch einfach nur zu verliebt in seine Heimat, die er nicht aus der Hand geben wollte.
Er wurde einer der bedeutendsten realistischen Maler der Niederlande. Seine Welt gibt es jetzt auf Föhr zu sehen.

„Pure Nature Art – Naturmaterialien in der zeitgenössischen Kunst“ und „Jopie Huisman – Hommage an das einfach Leben, bis 7. Januar 2018.

Auch noch gut zu wissen: Die Ausstellung über das Worpsweder Künstlerpaar Fritz Overbeck und Hermine Overbeck-Rohte läuft noch bis zum 10. September. Immer Dienstag, Mittwoch und Freitag gibt es ab Wyker Hafen (unterhalb WDR-Gebäude) ein Kunstshuttle nach Alkersum. Hin um 13 Uhr, zurück 15.30 Uhr. Dienstags schafft man damit auch bequem die Führung um 13.30 Uhr. Für alle Führungen und Künstlergespräche bitte anmelden: per Mail an info@mkdw.de oder telefonisch: 04681/747400

Alle Fotos ©Museum Kunst der Westküste

Über Undine Bischoff

Journalistin und Texterin. Fuhr mit drei Jahren zum ersten Mal über den Kniep – in einer Schubkarre. Weil ihr Vater da draußen eine Holzhütte baute, zwanzig Feriensommerjahre lang. Betextet Webseiten und Kataloge, schreibt für verschiedene Medien und natürlich für Amrum News.

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