Meine Freundin Suse, die Maus und der Ire…


Ich war nicht in der Maus, um über eins der schönen Konzerte zu berichten. Ich war in der Maus, weil mich im Mai dieses Jahres im Foyer des Kinos, in dem ich gerade die Sommersaison arbeitend verbringe, eine Frau fragend anstarrte bevor sie wissen wollte, ob ich in Hannover zur Schule gegangen sei. Ich bin tatsächlich in Hannover zur Schule gegangen. Abi 1984. Gemeinsam mit einer verrückten Rothaarigen. Nämlich mit der, die da im Kino-Foyer vor mir stand. Suse! Ein Wiedersehen nach dreißig Jahren. Sie sagte, sie kommt im Herbst wieder. Wie man das eben so sagt. Suse kam im Herbst wieder. Sie zog in mein Gästezimmer, was nun, wo Suse wieder weg ist, schrecklich leer aussieht.

Meine Freundin Suse (vorne)
Meine Freundin Suse (vorne)

Was man jetzt wissen muss: Suse hat mal ein Jahr in Irland gelebt. Und ist irischer als alle Iren, spricht irischer als Iren irisch sprechen und hat rotere Haare als alle rothaarigen Iren.

In diesem Sinne machte sich Suse die Insel zum Freund. Sie arbeitete sich vom Anleger  bis zu einer Linie vor, die vom Restaurant „Likedeeler“, wo ein Ire arbeitet, bis zur „Blauen Maus“-Kneipe reicht, wo ein Ire auftrat.

So kamen wir also in die Maus. Gerry Doyle, der irische Balladen-Sänger, war schon da. Schwarze Jeans, schwarzes Hemd, Schirmmütze in Irischgrün auf dem kahlen Schädel. Wir standen vorn neben der Theke und Suse hatte sofort den Plan, ihn zumindest nach seiner irischen Herkunft zu befragen (er kommt aus Tipperary) und wartete auf die erste Pause. Sie sprachen ein wenig, wir sprachen alle ein wenig (Gerry wohnt derzeit in der Nähe Hamburgs; kam letzten Sommer zur Insel-Kultour erstmals nach Amrum und fand Gefallen an der „Maus,“). Nach der Pause sang er weiter.

Schwarze Jeans, schwarzes Hemd, Schirmmütze in Irischgrün auf dem kahlen Schädel...
Schwarze Jeans, schwarzes Hemd, Schirmmütze in Irischgrün auf dem kahlen Schädel…

Er sang sehr schön. Ich würde mir „Dublin Town 1962“ wünschen, flüsterte Suse mir zu. Und Gerry – sang von Dublin 1962. Er konnte es unmöglich gehört haben, aber vielleicht können die Iren hellsehen. Suse war natürlich entzückt, saß aber noch auf ihrem Hocker und sang versunken mit. Eine Dame kam an uns vorbei und wisperte Suse zu, was für eine schöne Stimme sie habe. Irgendwer vom hinteren Tisch wünschte sich irgendwas, und da Iren wohl geduldige Sänger sind, sang Gerry Doyle sogar das. Um der irischen Musikrettung wegen ging Suse danach zum Sänger und wünschte sich „Dirty old Town“. Und Gerry sang von der dreckigen, alten Stadt. Auch Suse sang vor sich hin, ihre Augen glänzten, und der Saal guckte jetzt abwechselnd auf Gerry und auf Suse.

Was man jetzt wissen muss:  Suse hatte mir die CD einer Irin mitgebracht, die derzeit ihre absolute Musikfavoritin ist.

Und Gerry Doyle spielt plötzlich ein Lied von genau dieser Lady. Ihr Name ist Mary Black. Suses Hand fuhr zum Mund. Ihre Augen wurden feucht. Sie erstarrte auf ihrem Hocker. Als die letzten Takte von „Song for Ireland“ verklangen, entfuhr Suse ein Laut der Begeisterung, der sie augenblicklich in den Fokus aller dort vorne versammelten Gäste brachte. Die dann dabei zuschauten, wie sie mit den Worten „oh my goodness“ zur Bühne stürzte  und Gerry Doyle um den Hals fiel. Ich glaube sogar, in dem Moment hielt der Saal den Atem an. Alle guckten auf Suse, die da am Hals des Sängers hing.

War ein schöner Abend! Die Insel hätte sich in dieser Kneipe zu dieser Musik kein besseres Testimonial wünschen können als diese irlandverrückte Rothaarige. Die Gäste zogen beim Tschüss-sagen lachend an Suse vorbei, nickten und sprachen ihr zu.

Ich hatte keinen Schreibauftrag für den Gerry-Doyle-Auftritt – und keine Kamera. Aber als plötzlich eine CD mit Gerry-Doyle-Maus-Fotos im Kino für mich abgegeben wurde, da hab ich doch was geschrieben. Über die Kraft der Musik an einem Ort der Freunde auf einer Insel der schönen Gefühle.

See you Suse!

 

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Über Undine Bischoff

Journalistin und Texterin. Fuhr mit drei Jahren zum ersten Mal über den Kniep – in einer Schubkarre. Weil ihr Vater da draußen eine Holzhütte baute, zwanzig Feriensommerjahre lang. Betextet Webseiten und Kataloge, schreibt für verschiedene Medien und natürlich für Amrum News.

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