Ansegeln 2017


Nachdem alle Boote des Amrumer Yacht Clubs (AYC) im Mai zu Wasser gelassen waren (AmrumNews berichtete), wurde Sonnabend vor einer Woche „offiziell“ angesegelt. Sechs Eigner meldeten ihre Boote für den ersten gemeinsamen Törn des Jahres an, der traditionell nach Wyk auf Föhr geht. Aleiga, Maike, Miss Moody, Racker, Seekuh und Waasluuper waren mit von der Partie, und ich durfte als Gast auf der Miss Moody mitfahren. An dieser Stelle „mitsegeln“ zu schreiben wäre übertrieben, denn meine Segelqualifikation reicht gerade mal aus, um die Fahrt zu genießen und an Bord nicht im Wege zu stehen, womit wir auch schon mitten im Thema wären.

Leinen los…

Am Sonnabendmittag hieß es im Amrumer Seezeichenhafen „Leinen los“ und Motor an um vom Liegeplatz wegzukommen. Auf der Miss Moody setzten sie gleich den Blister und Recht hatte der Skipper mit dieser Wahl, denn so kamen wir bei dem seichten Wind auch ohne Motor einigermaßen voran. Draußen war es milchig-schwül, so richtig Wind wollte nicht aufkommen. Das Wetter konnte sich irgendwie nicht entscheiden: Mal sandte es von oben das eine oder andere Grummeln und schickte lauter kleine Gewitterfliegen auf’s Meer hinaus; mal lugte die Sonne zwischen den Wolken hervor und ein Hauch von Wind sorgte für blauen Himmel, dann aber wieder für grau-violette Gewitterwolken.

Gut zweieinhalb Stunden dümpelten wir in dieser Flaute so gut es ging in Richtung Föhr und ignorierten geduldig Miss Moody’s bord-übliche Geschwindigkeitsuntergrenze von 1,7 Knoten. Wir wollten segeln und nicht Motorboot fahren!

Als aber der Geschwindigkeitsmesser nur noch 0,00 Seemeilen pro Stunde anzeigte und ein paar Minuten später der Autopilot im Piepton ankündigte seine Arbeit einzustellen, gaben wir uns geschlagen und warfen den Motor an. Schließlich wollten wir ja abends auf Föhr alle zusammen essen gehen und nicht erst in der Nacht ankommen. Andere Boote hatten schon vorher kapituliert oder gar nicht erst die Segel gesetzt und lagen bereits im Wyker Yachthafen, von wo es zu Fuß zum Landgang ging – vorbei an der „Walter Herrmann“ aus Wischhafen, viel Baumaterial für das große Hotelprojekt am Südstrand, der „Catjan“ und zwei ganz jungen, kleinen Lämmchen, die auf dem frisch gemähten Deich übermütig ihre Bocksprünge machten.

Absacker im „Heimathafen“

Das Essen beim Italiener war lecker und ein Absacker im „Heimathafen“ unvermeidlich.

Gut gelaunt stieß der Amrumer Yacht Club auf die Eröffnung der Segelsaison an und prostete manch’ Föhrer Prominenz zu. Begeistert von der angesagten Location raunte jemand, ob die WDR-Werkhalle auf Amrum irgendwann wohl auch einmal in eine so coole Bar umgewandelt werden könnte. Die schöne, laue Nacht am Hafen ging zu Ende, als irgendwann zu fortgeschrittener Stunde alle selig in ihre Kojen kletterten…

Am nächsten Morgens war bestes Segelwetter: Windstärke 3-4, blauer Himmel, Sonnenschein – gefühlt einer der ersten Sommertage dieses Jahres. Doch über den Zeitpunkt, wann wer warum in See stechen würde, wurde fleißig diskutiert, denn mittags war Niedrigwasser. Lieber ganz früh versegeln oder erst am späten Nachmittag? Die Strategien, was am günstigsten wäre, gingen auseinander – offensichtlich auch unter den Föhrern, die zum Ansegeln nach Amrum und abends zum Grillen zurück in Wyk sein wollten.

Skipper Sönke (Scheppel) Jessen sitzt zufrieden am “Rohr”

Bei einem ausgiebigen Frühstück änderten wir unseren ursprünglichen Plan, erst nachmittags auszulaufen und starteten am späten Vormittag bei ablaufendem Wasser. Nachdem die Miss Moody sich mühsam, aber erfolgreich aus dem Schlick gewühlt hatte (das Echolot zeigte -30 cm), setzten wir Großsegel und Selbstwendefock und segelten los. Eine weise Entscheidung vom Skipper, um bei Niedrigwasser nicht ratzfatz auf einer der vielen Sandbänke aufzulaufen. Was Segel-Erfahrung in diesem Revier Wert ist, habe ich schlagartig begriffen, als das Echolot erst irgend etwas zwischen fünf, und acht Metern Tiefgang anzeigte, dann aber jäh auf 26,80 Metern sprang und innerhalb von Sekunden auf 0,30 Meter fiel, just bevor das Segelmanöver des Skippers griff und wir gerade noch rechtzeitig kreuzten, zurück in tieferes Fahrwasser.

 

Als wir vielleicht die Hälfte der Strecke zwischen Föhr und Amrum zurückgelegt hatten, kamen jedoch wir auf diese Weise nicht weiter voran in Richtung Wittdün. Der Ebbstrom war einfach zu stark und der Wind ging in die falsche Richtung. Nach einer weiteren halben Stunde vergeblichen Kreuzens mussten wir schließlich doch den Motor anlassen, um noch zum Kaffee nach Hause zu kommen.

Erst kurz vor Amrum ermöglichten Wind und Strömung der Miss Moody, standesgemäß in ihren Heimathafen einzulaufen – ganz ohne Nebengeräusche. Dort wartete schon der frische Kuchen auf uns und die Neuigkeiten von den Booten, die vor uns gestartet waren oder nach uns ablegten und noch unterwegs waren. Nicht alle hatten so viel Glück bei der Ankunft.

Ehrlich gesagt, war mir zuvor gar nicht richtig bewusst, was Segeln im Wattenmeer wirklich bedeutet. Ich hatte die Rechnung vollkommen ohne gegenläufigen Wind und Tide gemacht und dachte im Stillen, ein Segeltörn nach Föhr, das sei doch nichts Besonderes – nur einmal kurz rüber zur Nachbarinsel und zurück. Welch’ ein Irrtum!

Vielen Dank an Skipper und Crew der Miss Moody und dem Amrumer Yacht Club für dieses schöne Ansegel-Wochenende. Bis zum nächsten Mal hab’ ich den Webleinenstek drauf. Versprochen.

Über Astrid Thomas-Niemann

Astrid Thomas-Niemann ist gelernte Schifffahrtskauffrau sowie studierte Sprach- und Erziehungswissenschaftlerin. Sie hat viele Jahre als Schifffahrtsanalystin gearbeitet und lebt seit 2015 in Wittdün. Als junge Frau kam Astrid 1981 das erste Mal auf die Insel und besuchte auf Zeltplatz II die Niemanns aus Hamburg, die Amrum seit 1962 urlaubsmäßig die Treue halten, inzwischen bereits in der 4. Generation.

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