Die Heimkehr der Viermastbark


Alle Mann (und Frau) ums Schiff: Spender Maren und Meinhard Breckwoldt (1. u. 2. v. l.) mit den Öömrang-Hüslern

„Die Heimkehr der Kurt“ resümierte Maren Breckwoldt zum Ende der Übergaberunde im Öömrang Hüs. Auf dem Tisch in der guten Stube stand die wunderschöne Nachbildung einer Viermastbark, damals und heute die längste ihrer Art, und drum herum saßen all jene, deren Familiengeschichte ganz eng mit diesem Schiff verbunden ist und die die „Kurt“ jetzt dem Öömrang Hüs überlassen haben. „Wir sind so dankbar über diese wundervolle Schenkung. Danke, dass ihr an uns gedacht habt“, sagte Jan Ruempler, der gemeinsam mit seiner Frau Helga die kleine Gruppe der Ehrenämtler anführt, die sich ums Haus kümmert. „Unsere Großmutter hätte es auch schön gefunden, dass das Schiff jetzt hier angekommen ist“, befand Maren Breckwoldt. Was fast ein kleines Wunder ist, denn schließlich wurde das Breckwoldtsche Anwesen in Nebel hinter der Kirche 1998 durch einen Brand sehr zerstört. Das Schiffsmodell überlebte. Nur der Bugspriet ist seitdem geschient.

Und nun steht es im Kreis von Kurt Tönissen und Maren und Meinhard Breckwoldt, drei Enkel der damaligen Schiffsbesatzung, die mit der Bark – gebaut 1904 in Glasgow – zwischen Südamerika und Australien segelte und Salpeter, Kohle und Weizen fuhr. Großvater Wilhelm Tönissen war mit 27 Jahren ein ganz junger Kapitän. Großvater Meinhard Breckwoldt der Schiffszimmerer an Bord. Seine Frau Betty betrieb im Familienhaus eine Pension mit Mittagstisch – zweimal täglich Warm – der inselweit berühmt war. Zeitlebens hat der Hausherr von der „Kurt“ geschwärmt, dass sich irgendwann einer der Stammgäste daran machte, sie getreu einem Zeitungsausschnitt nachzubauen.

Ein Stammgast hat damals das Modell gebaut

Wunderschön. Ein filigranes Werk aus Holz und Seil, 80 Zentimeter lang und 45 Zentimeter hoch. Feinste Holzarbeiten. „Da stecken mindestens tausend Arbeitsstunden drin“, sagt Jens Quedens, der Gründer des Amrumer Kulturvereins. „Das Schiff hat uns unsere ganze Kindheit begleitet“, erzählt Enkel Meinhard Breckwoldt. „Die ‘Kurt’ war wirklich immer präsent“, sagt auch seine Cousine. „Nach und nach haben wir erfahren, was für eine große Bedeutung es für unseren Großvater hatte.“

Nach dem Brand ging das Schiffsmodell über den Vater zum Sohn in Bad Oldesloe, wo es bei Meinhard Breckwoldt einen Platz zwischen Familienfotos bekam – „ein Gedächtnisort“. Dort ergab sich auch das Gespräch an dessen Ende die schöne Idee stand, das Schiff dem Öömrang Hüs zu vermachen. „Unsere Väter haben ja auch lange hier im Hüs mitgewirkt. Da haben wir gemeinsam beschlossen, dass es ein guter Ort ist für das Schiff, und das wir es schenken wollen“, erzählen Maren und Meinhard Breckwoldt.

Solange die Vitrine für das empfindliche Stück noch nicht fertig ist, kommt das Modell ins Archiv. „Sonst ist jede Woche Havarie“, witzelt Jens Quedens angesichts vieler neugieriger Besucherhände. „Wir wollen sie später in die Spinnstube stellen“, sagt Jan Ruempler „Zu den Bildern und Geschichten der Amrumer Seefahrt.“

Danke für das Schiff: Die Freude war bei allen groß!

Mit in der Runde auch Kurt Tönissen, Amrumer, ehemalig Kapitän auf großer Fahrt, W.D.R.-Schiffsführer und Enkel des ‘Kurt’-Kapitäns Wilhelm Tönissen, der seinerzeit mit dem Schiff Geschwindigkeitsrekorde brach. „Mein Name – Kurt – hat mich einfach verpflichtet“, sagt er und lacht. „Für uns war diese Schiff auch ein großes Stück Familiengeschichte.“ Der 75-Jährige hatte noch ein Ölbild der Viermastbark von 1941 mitgebracht, das damals bei der Großmutter im Wohnzimmer hing. Auch bei den Breckwoldts hing solch ein Werk des Amrumer Schiffsmalers Gerhard Martens.

Insgesamt fünf Amrumer waren damals an Bord des Schiffes, das zu Kriegsbeginn 1914 einen sicheren Hafen am Columbia River in Oregon aufsuchte und bei Kriegseintritt der Amerikaner von ihnen annektiert wurde. Einige der Amrumer gingen von Bord und machten ihr Glück in Amerika. Meinhard Breckwoldt verdiente sein Geld fortan mit Lachse fischen. Kapitän Tönissen blieb an Bord – und weil ihn die Hamburger Reederei weiterhin bezahlte, konnte er sich nach seiner Rückkehr mit 50000 Goldmark 1927 das damals größte Haus Nebels bauen: das Kapitänshaus Klaar Kimming oben auf dem Geesthügel. Mit acht Zimmern für Vermietung, Salon und großer Küche. „Da ist mein Vater aufgewachsen“, sagt Kurt Tönissen und erinnert sich, wie er früher von dort mit dem Fernrohr bis rüber nach Föhr gucken konnte. Der Grabstein seines Großvaters steht auf dem Nebeler Friedhof – geziert vom Konterfei der „Kurt“.

Die großzügige Schenkung weckt in der Runde Erinnerungen. Jens Jessen, beim Hüs fürs Archiv zuständig, erinnerte sich, dass fast zur gleichen Zeit, als das Modell vom Brand verschont blieb, das Original durch einen Investor vor der Verschrottung bewahrt wurde. Die „Kurt“ liegt heute in Philadelphia als Restaurantschiff und heißt „Moshulu“. Kurt Tönissen und die Breckwoldt-Enkel waren natürlich schon da. „Die Besatzung ist ausgeflippt vor Freude und hat uns das ganze Schiff gezeigt.“

Im Angesicht des Modells wurde eine Flasche Sekt geköpft und auf die „Kurt“ angestoßen. Aus der Heimkehr des Schiffes wird jetzt bestimmt der Beginn einer weiteren, spannenden Inselgeschichte, erzählt im Öömrang Hüs.

 

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Über Undine Bischoff

Journalistin und Texterin. Fuhr mit drei Jahren zum ersten Mal über den Kniep – in einer Schubkarre. Weil ihr Vater da draußen eine Holzhütte baute, zwanzig Feriensommerjahre lang. Betextet Webseiten und Kataloge, schreibt für verschiedene Medien und natürlich für Amrum News.

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