Die von mir in der vergangenen Woche getätigte Reise nach Dagebüll zeigte mir, dass selbst eine banale Fährfahrt erlebnisreich sein kann und mit dem Personal an Bord steht und fällt. Mit dieser „Reiseberichterstattung“ soll niemand an den großen Pranger gestellt werden, doch vielleicht wäre es im heutigen Wettkampf um Urlaubsgäste wert, dem Geschriebenen Beachtung zu schenken.
Der Grund meiner Reise, die ich um 7.15 Uhr ab Wittdün mit der MS „Schleswig-Holstein“ Richtung Dagebüll startete, war ein kurzfristig zugewiesener Facharztbesuch in Flensburg. Einen Fährplatz konnte ich für Hin- und Zurück nur noch für mein Motorrad buchen, bei dem traumhaften Wetter aber auch keine Qual und ein wenig günstiger noch dazu. Wenn auch die Verpflichtung der Anmeldung des Kraftrades nicht gleichbedeutend ist mit dem Anspruch auf einen „normalen“ Stellplatz auf den Fähren. Auf dem zugewiesenen „Stellplatz“, hart an der Bordwand auf dem Achterdeck Steuerbordseite bezog ich somit mit meiner Maschine Stellung und bockte sie auf den Mittelständer. Mit Keilen vor und hinter dem Hinterrad wurde die Parkposition fixiert. Diese zusätzliche Sicherheit erlangt im Verlauf der Fahrt noch an Bedeutung.
Im Salon gesellte ich mich zu einer befreundeten Familie an den Tisch. Das junge Ehepaar war mit ihrer kleinen Tochter auf dem Weg nach Föhr. Im angeregten Gespräch unterbrochen, galt es der barschen Ansage der weiblichen Bedienung: „Der Wickelraum befindet sich ein Deck tiefer“, Aufmerksamkeit zu schenken. Holla guten Morgen. Zeit für das Frühgebet. Hat sich der zwergige Fahrgast, der noch nicht eigenständig laufen kann, etwa mit rosa Wangen verdächtig gemacht, sich seines Darmes zu entleeren?
Die junge Mutter versicherte: „Ich möchte gar nicht wickeln“. Daraufhin die sicherlich ausgeschlafene Servicekraft mit Nachdruck in der Stimme: „Aber der Wickelraum befindet sich ein Deck tiefer“. Die junge Mutter antwortete artig: „Ja vielen Dank“. Da schon eine andere junge Mutter von solch nachdrücklicher Unterweisung dieser Angestellten berichtete, war die unterwiesene Mutter nicht weiter verwundert. Jegliche Müdigkeit war jetzt erstmal verflogen. Die erste Lektion, hier herrscht Zucht- und Ordnung, verstanden. Völlig unbekümmert blieb dabei das kleine Fräulein und forderte vielmehr etwas zu essen ein.
Ich erlaubte mir trotzdem einen Becher Kaffee zu ordern, ansonsten wurde am Tisch nichts weiter bestellt. Auf Nachfrage, ob ich nach Dagebüll fahren wolle, antwortete ich wahrheitsgemäß mit „Ja, das ist so vorgesehen“. Kurz vor der Ankunft in Wyk ging ich zum Kraftrad, um bei eventuellen Remplern stabilisierend eingreifen zu können, soweit das geht, wenn 276 kg in Bewegung kämen. Egal, das wurde mal so von den Besatzungen angewiesen. Jacke Helm und Rucksack verblieben währenddessen am Platz und der nahegelegenen Garderobe. Somit auch ganz dicht bei dem leeren Kaffeebecher.
Als nun auch noch die junge Familie den Platz verließ, um auszusteigen, sah die nette Bedienung Fluchtgefahr gegeben und erkundigte sich spitz, warum sie denn nicht den Kaffee bezahlen wollen, wenn sie nun aussteigen. Der Hinweis, dass ich den Kaffee auf meiner Weiterreise nach Dagebüll garantiert selber zahlen würde, entspannte die Situation und die Familie durfte passieren.
Kurz vor Dagebüll wurde ich dann um die 2,90 Euro gebeten. Ein Fünfer wurde von mir gereicht, mit der Bitte um Rückgabe von 2 Euro. Die gab es dann auch nach der kurzen intensiven Suche mit einer frostigen Miene in Form von 2 x 50 Cent, 3 x 20 Cent und 4 x 10 Cent Geldstücken aus dem Kellnerportemonnaie. Zufall oder Abstrafung für die vermeintlich vorgetäuschte Flucht in Wyk? Welche Servicekraft gibt sonst morgens schon sein Kleingeld freiwillig her?
Bevor nun die Reise, die schon jetzt länger dauerte als der Fahrplan es vorsah, zu Ende geht, noch schnell das WC prüfen. Man hat als kleiner Junge doch der Mutter zugehört. Auf den bevorstehenden Tag konzentriert, verweile ich am Urinal, als plötzlich die Fähre dermaßen vehement Fahrt verliert, sodass meine Füße zu wenig Auflagefläche bieten, um den Vorwärtsdrang meines restlichen Körpers aufzufangen und meine Stirn mit einem “Titsch” an die Bordwand vor mir gerät. Respekt, für solch eine Vollbremsung. Wurde hier vor Dagebüll nicht gerade erst ausgebaggert? Das kann für das Motorrad doch fast nicht gut gegangen sein, schießt es mir durch den Kopf. Also schnell eingepackt, Hände gewaschen und runter aufs Deck. Glücklicherweise ist das Motorrad immer noch auf dem Hauptständer und liegt nicht in dem Kleinbus daneben. Es hätte bei der Nähe zu meinem linken Außenspiegel auch nicht sonderlich weit fallen können. Wofür so ein auskömmlicher Stellplatz doch nicht alles gut gewesen wäre und vielen Dank an die Holzkeile am Hinterrad, geht es mir durch den Kopf.
Als wenn es darum ginge, die Verspätung aufzuholen, wird nach der Grundberührung wieder Fahrt aufgenommen. So ein Festkommen kann sicherlich aufgrund der Statistik nicht noch einmal so schnell passieren, vermute ich aufgrund der relativ zügigen Fahrt. Die Reise soll an Fähranleger 2 enden. Doch der Kapitän weist per Lautsprecher die Mannschaft an, die heruntergelassene Hebebühne wieder hochzufahren und die Leinen loszumachen. Rückwärts geht es dann zum Anleger 1, wo dann um 9.41 Uhr die Entladung beginnt. Nur gut, dass ich bis zum Termin in Flensburg so viel Zeitreserve habe.
Die Rückfahrt um 17.45 Uhr steht mit der MS „Uthlande“ an. Welch ein Traum. Im Hinterkopf reihen sich Erlebnisse, wie Verspätung und überaus komplizierte und unflexible Decksmannschaften auf. Hat nicht auch ein großes Klinikum auf Amrum heute Anreise? Na klar und es sollen auch noch 60 Personen mehr anreisen als sonst, berichtet ein Bekannter kurz darauf. Er hat in dem Kliniktransporter bereits ein Meer voller Koffer und Taschen verstaut.
Das könnte ganz schön eng werden. Aber es stehen auch viele Autos in den Wartespuren, ob die alle mitkommen? Nur gut, dass ich angemeldet bin. Die Gäste in ihren Fahrzeugen warten auch schon gespannt auf die Verladung, soll doch laut Fahrplan die Abfahrt in Kürze erfolgen. Nun die Freigabe durch den Fahrkartenkontrolleur für die Ersten in der Reihe. Motor an, die Räder rollen schon. Doch dann doch nicht er, der losfahren darf. Die Anweisung kam per Funk. Die Reihe daneben soll zu erst verladen werden. „Was war das jetzt“, verwundert sich der Gast und macht den Motor nach einer kurzen Zeit des Wunderns wieder aus. Der Umstand wird mit der Beifahrerin kurz erörtert, dann wieder volle Konzentration um eventuelle Anweisungen nicht zu versäumen.
Das Hafenbecken stellt sich für solch einen sonnigen Tag doch sehr aufgewühlt dar. Das bedeutet bestimmt bei der Fahrt Gischt auf dem Vordeck. Ich habe bei der Fahrkartenkontrolle vorsichtig angefragt, ob es möglich wäre, nicht gerade auf dem Vordeck stehen zu müssen. „Mal schauen, das dauert noch ein bisschen“, so die Erklärung des Kontrolleurs. Nachfolgend wurde akribisch geladen, um alle Pkws, Pferdeanhänger, Transporter und den LKW mit Anhänger zu stauen. Haben die auch mich noch auf der Reihe? Es ist doch schon 17.50 Uhr, als noch die unangemeldeten Fahrzeuge und ein Motorrad in den Wartespuren stehen. Dann kommt die Kleinbahn im Bahnhof Dagebüll an. Hat sie Verspätung? Die Menschenmassen, die nun zur Fähre strömen, sind in Anbetracht der schon auf der Fähre verweilenden Fahrgäste enorm. Wo mag das Gepäck überall stehen? In meinen Überlegungen unterbrochen darf ich starten. Aber vor der Hebebühne muss ich erneut warten und die restlichen Autos nach Amrum an mir vorbeiziehen lassen. Und das, obwohl doch neben dem Gespann aus Flurförderfahrzeug, kurz “Muli” genannt und Pferdeanhänger, die diagonal über zwei Spuren geparkt sind, auf beiden Seiten ein prädestinierter Platz vorhanden ist.
Als wenn nun die gezeigte Konzentration bei der Verladung zusammenbricht, werden die letzten Fahrzeuge schon fast unkoordiniert an Deck gestaut. Der Platz vor dem Steuerkasten der Bugpforte soll nun meiner sein. „Kann ich nicht doch den Platz da hinten bekommen“? , versuche ich mein Begehren noch umzusetzen, das Motorrad nicht neben einem Haufen zusammengestellter Fahrräder parken zu müssen. „Das ist jetzt zu spät“ lautet die lapidare Antwort.
Der Van mit noch laufendem Motor neben mir müsste doch nur einen Meter von den hinter ihm freien drei Metern zurückstoßen. Stattdessen beweihräuchern sich die Kollegen in Rot, wie gut sie das doch hingekriegt haben. Immer wieder ein Traum. In diesem Punkt stimmt die Statistik auf dem Deck der „Uthlande“. Abfahrt um 17.55 Uhr.
Im Schiffsinneren herrscht ab Vorderkante Koffergang die erwartete Verkehrsdichte, nur gut, dass die Sonne scheint und viele Passagiere draußen verweilen. Tüchtige haben ihr Gepäck sogar mit aufs Sonnendeck geschleppt und Unverbesserliche füttern mal wieder die Möwen.
Im Salon sind die meisten Fensterplätze für die Patienten des Klinikums reserviert, die andern Tische sind aber auch alle eng besetzt. Also doch ein sonniges Plätzchen auf dem Sonnendeck. Nur gut das es nicht regnet. Da klingen mir doch die Worte des Klinikdirektors in den Ohren, dass die Reederei zwar einen genauen An- und Abreiseplan der einzelnen Kuren hat und nach seinem Empfinden dann doch die MS „Uthlande“ an solchen Tagen oft die letzte Abfahrt nach Amrum alleine bedient. Bei den geringeren Abmaßen und einem um 210 Personen und 8 Pkw Plätze geringerem Transportvermögen im Verhältnis zur MS „Nordfriesland“, bedeutet das eine Enge im Salon und eine noch schneller ausgebuchte letzte Abfahrt um 17.45 Uhr nach Amrum als nötig. Ich hätte dann sicherlich auch mein Auto an diesem Tag buchen können.
„Nur schnell nach Hause… geht das mit der „Uthlande“? Der Volksmund sagt Nein. Das ablaufende Wasser rettet die Verspätung und schon fast pünktlich entluden sich die Massen auf den Wittdüner Fähranleger. Ich frage mich immer noch, ob es schon vor der Hauptsaison an zu viel Stress bei den Angestellten gelegen haben könnte, dass sich die Ereignisse so abgespielt haben. Oder ist es das Naturell. Dann können sich die Familien mit Kleinstkindern ja noch warm anziehen, wenn die Frauenquote unter den Servicekräften an ihren Tisch tritt.
Für eine bessere Abstimmung bei der Auswahl des Schiffsmaterials zur letzten Abfahrt könnte die Einbeziehung von bekannten An- und Abreisen der beiden großen Kliniken auf Amrum dienlich sein und zu einem nicht unerheblichen Servicegewinn für die Urlaubsdestination führen.
Verantwortlich für diesen Artikel: Thomas Oelers