Der Amrumer Zimmermannsgeselle Yannik Zimmermann kletterte im Mai 2009 standesgemäß über das Ortsschild seiner Heimatgemeinde Wittdün und besiegelte damit seinen Lebensweg für mindestens die nächsten drei Jahre und einen Tag (wir berichteten).
Mit diesem Abschied von Amrum begab er sich als Junggeselle auf die Walz und durfte damit seinem Heimatort nicht näher als 60 km kommen. Das entsprach einem Bannkreis, der für den Insulaner bis nach Flensburg reichte. Seit Jahrhunderten hat die Wanderschaft im deutschsprachigen Raum eine feste Tradition im Handwerk. Im Mittelalter war es sogar Pflicht. Schuldenfrei, nicht vorbestraft und weder Frau noch Kind – das sind die Voraussetzungen, um im „Rolandschacht“ durch die Lande zu ziehen, immer auf der Suche nach Arbeit.
Nun wurde ihm von seiner Familie und Freunden ein herzlicher Empfang bereitet. Für viele war die Spannung schon sehr groß, was nun aus dem einst Neunzehnjährigen nach drei Jahren Wanderszeit geworden ist. Nachdem die Fähre angelegt hatte, musste sich das Empfangskomitee noch ein Weilchen gedulden. Yannik Zimmermann und die zehn Wandersburschen, die den jungen Amrumer auf seine Insel begleiteten, hatten alle Zeit der Welt. Da musste erst noch ein Bierchen nach der Schiffsreise verkostet werden, bevor sie sich zum „Spinnermarsch“ aufmachten. „Ich habe vorsichtshalber im benachbarten Kiosk Bescheid gesagt, dass sie der Reisegesellschaft kein Bier ausschenken sollen. Ansonsten könnten wir sicher noch lange warten“, grinst Vater Bernd Zimmermann.
Wurde zur Überwindung des Ortsschildes vor drei Jahren noch eine Trittleiter gereicht, so bildeten die Rolandsbrüder eine „Stenztreppe“ – aus ihren kunstvoll geschwungenen Wanderstöcken – über die der Heimkehrer schon mal auf Augenhöhe mit dem Schild klettern konnte. Der Rest musste mit entsprechendem Sportsgeist und einem gekonnten Beinaufschwung bewältigt werden.
Der Abstieg, nach einem kräftigen Schluck aus der Pulle, gestaltete sich leider etwas polterig und lies den Zuschauern kurz den Schreck in die Glieder fahren. Laut Protokoll sollte sich der Kletterer rücklinks vom Schild fallen lassen und von den Rolandsbrüdern aufgefangen werden. Plan und Timing der Ausführung erwiesen sich als lückenhaft und bescherten einen nur leicht abgebremsten Bodenkontakt. Glücklicherweise ging dieser Programmpunkt ohne Verletzungen ab.
Mutter Martina nutze als Erste die Gelegenheit, um ihren Burschen in die Arme zu schließen und ihn willkommen zu heißen. Sollte die Rückkehr doch nur ein Zwischenstopp für den weiteren Werdegang darstellen. Die Liebe zu seiner Freundin Steffi Wendt, die sich erst eine Woche vor seiner Wanderszeit zu einer Beziehung entwickelt hatte, hat bis heute gehalten und ist nun zeichnend für die gemeinsame Zukunft in Hamburg. Dort hat der Zimmermannsgeselle auch Arbeit gefunden.
Nach der persönlichen Begrüßung aller Anwesenden musste noch die vor drei Jahren vergrabene Buddel Schnapps gesucht werden. „Er hat sich ja schon verändert, gestand eine junge Dame und betrachtete den Wust an Haaren im Gesicht und auf dem Kopf von dem Heimkehrer, während dieser sich durch den Amrumer Sandboden schaufelte.
„Eigentlich bin ich noch gar nicht wieder richtig angekommen“, gestand Yannik Zimmermann noch Tage später. Und schon gehören die in den drei Jahren verpönten Hilfsmittel, wie zum Beispiel das Handy, wie selbstverständlich wieder zum Tagesgeschehen. Den Kontakt mit seiner Freundin hat er über Postkarten, Briefe und Telefonate gehalten. „Mich hat es natürlich auch schon mal nach Hamburg getrieben“, lächelt Zimmermann.
Ähnlich unwirklich waren auch die ersten drei Wochen als Fremdgeschriebener. Geschlafen wurde da, wo Platz war.„Die Zeit der Wanderschaft hat mir eine Fülle an Eindrücken einen Zugewinn an Menschenkenntnis und eine riesige Portion an Lebenserfahrungen beschert. Im Handwerk wurde für mich deutlich, wie unterschiedlich die Arbeiten in der Welt angegangen werden und so konnte ich meine eigenen Kenntnisse und Fertigkeiten noch weiter verfeinern. Neben dem deutschsprachigen Raum bereiste ich auch Thailand, Laos, Vietnam und Kambodscha und verrichtete dort entsprechende Handwerksarbeiten. Bambus war dabei ein interessanter Baustoff. Ägypten wurde nur kulturell ergründet“, beschreibt der Handwerksgeselle seine Zeit. „Das negativste Ereignis war ein hinterhältiger Überfall in Nürnberg. Als ich aus einer Kneipe kam, wurde ich rücklings niedergeschlagen. Zum Glück hat der Wirt das mitbekommen und ist mir zur Hilfe geeilt“.
Nun sind Yannik Zimmermann und Steffi Wendt voller Spannung auf die gemeinsame Zeit in Hamburg. Es war eine schöne Zeit, die jetzt zu Ende ist. Bedauern tut der Heimkehrer das nicht. Der Kontakt bleibt und auf den sogenannten Kongressen wird er sicherlich auch seine gewonnenen Freunde wiedertreffen.
Verantwortlich für diesen Artikel: Thomas Oelers