Teamtagung der Jugend- und Eingliederungshilfe des Landkreises Nordfriesland


Alle zwei bis drei Monate treffen sich die Teams der Jugend- und Eingliederungshilfe des Kreises Nordfriesland zur großen gemeinsamen Teamsitzung und Heilpädagogin Gudrun Hausmann vom Verein Lebenshilfe auf Amrum macht sich auf den Weg nach Niebüll oder auf eine der beiden größeren Nachbarinseln.

Normalerweise. Denn die einzige Amrumerin im Team „Sozialraum – Die Inseln“ war nun erstmalig selbst Gastgeberin dieses Treffens und so reisten an einem dieser ungewöhnlich warmen Spätsommertage alle für die nordfriesische Inseln zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter per Schiff und Fahrrad nach Süddorf zur Öömrang Skuul, um sich zu informieren und auszutauschen.

Die große Runde...
Die große Runde…

In praller Vormittagssonne leicht verschwitzt am Tagungsort angekommen, wurden sie von ihrer Teamkollegin Gudrun Hausmann, Sonderpädagogin Inken Rolfs und Schulleiter Jörn Tadsen herzlich in Empfang genommen und man startete gleich durch zur Schulführung mit anschließender Informationsrunde zum Thema „Inklusion“.

Die Öömrang Skuul wird von allen schulpflichtigen Inselkindern von der ersten bis zur zehnten Klasse besucht und ist dadurch – im Unterschied zu fast allen Schulen auf dem Festland, Sylt und Föhr – eine echte Gemeinschaftsschule, was sich positiv auf das durchschnittliche Leistungsniveau der Schülerinnen und Schüler auswirkt, wie der Schulleiter berichtete.

Im Rahmen der „Inklusion“ versuche man den einzelnen Kindern und Jugendlichen mit ihren ganz unterschiedlichen Fähigkeiten und Handicaps „soviel Gemeinschaft wie möglich und soviel individuelle Förderung wie nötig“ zu bieten, erläuterten die Amrumer ihr flexibles Herangehen, das im Neubau der Schule räumlich gut umgesetzt werden kann. Von Vorteil erweise sich auch, dass zwei voll ausgebildete Sonderpädagogen an der Inselschule unterrichten (zusätzlich die Fächer Musik und Mathematik) und den anderen Lehrkräften jederzeit beratend zur Seite stünden.

Nach einer interessanten Diskussion zu personellen, strukturellen und praktischen Fragen der Umsetzung von Inklusion an der Öömrang Skuul begann dann die interne Tagung in einem der Klassenräume.

Im Kreis Nordfriesland treffen sich alle mit Fragen der Jugend- und Eingliederungshilfe befassten Teams regelmäßig, um sich auszutauschen, neue Einblicke, Eindrücke und Anregungen zu erhalten, die im eigenen Alltag vor Ort hilfreich sein können, erklärt mir Gudrun Hausmann später. Auf Föhr im kleineren Kreis komme man monatlich zusammen und vierteljährlich in dieser großen Teamrunde für „Die Inseln“, einem von fünf definierten Sozialräumen im Kreis Nordfriesland.

Die große Runde, das sind die zuständigen Behördenvertreter des Kreises und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Allgemeinen Sozialen Dienste, kurz: ASD, (früher war es das Jugendamt) und der freien Träger, die in diesem Bereich die Leistungen für den Kreis Nordfriesland erbringen und sich alle fünf Jahre neu darum bewerben und anderen Anbietern gegenüber durchsetzen müssen. Als freie Träger auf den Inseln nimmt die FiM „Familie im Mittelpunkt“ des Diakonischen Werks Südtondern Aufgaben der Jugendhilfe wahr und die „Lebenshilfe Sylt-Amrum“ kümmert sich um die Eingliederungshilfen.

Im Mittelpunkt stehe die Verbesserung der Lebensbedingungen der Familien in der Region. Um einen größtmöglichen Nutzen für die Familien zu bewirken, ihnen die bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen und dafür alle mobilisierbaren Ressourcen optimal zu nutzen, seien eine gute Kooperation und Vernetzung zwischen Trägern und Ämtern absolut notwendig. Die unterschiedlichen Teams arbeiten interdisziplinär eng zusammen, sagt Gudrun Hausmann. Neben flexiblen Einzelfall-Hilfen werden auch zahlreiche präventive, nicht fallspezifische Ansätze entwickelt. „Wir treffen Absprachen, initiieren Projekte und setzen gemeinsam Ideen um, für a l l e Kinder und Jugendlichen in der Region, zum Beispiel unsere Ferienprojekte, Team- und Projektklassen, Familienausflüge, Psychomotorik, Wicky, Elterncafé, Angebote für Kinder mit Migrationshintergrund und vieles mehr.“

Finanziert werden die Maßnahmen über ein eigenes Budget, das aus den verschiedenen Bereichen gespeist wird, wobei viele gute Projekte zusätzlich durch Sponsoren unterstützt würden, damit sie dann letztlich auch umgesetzt werden könnten.

Damit sind die Nordfriesen Vorreiter in der Bundesrepublik, denn in der Großen Koalition wird schon länger darüber nachgedacht, die Leistungen der Jugend- und Sozialämter zusammenzulegen und eine entsprechende Gesetzesreform auf den Weg zu bringen.

Noch sind in Deutschland bei Kindern und Jugendlichen laut Gesetz unterschiedliche Ämter für unterschiedliche Arten von Handicaps zuständig: bei geistigen und körperlichen Behinderungen die Sozialämter, bei seelischen Behinderungen oder Erziehungshilfen die Jugendämter. Die von Familienministerin Manuela Schwesig geplante Reform des Sozialgesetzbuchs könnte im Sinne der betroffenen Familien endlich den oftmals jahrelangen Streitereien zwischen Jugend- und Sozialämtern ein Ende bereiten. Weniger Kinder würden durch’s Netz fallen und unzureichende Unterstützung erhalten, meinen Experten.

Die Erfahrungen in Schleswig-Holstein sind positiv. In der Jugendhilfe arbeitet der Kreis Nordfriesland seit 2002 konsequent sozialraumorientiert und seit 2009 wird die Sozialraumorientierung auch in der Eingliederungshilfe für Kinder umgesetzt, das heißt die Hilfen zur Erziehung werden individuell maßgeschneidert und richten sich an den Zielen der Betroffenen aus. Die Organisations- und Finanzstrukturen sind so gestaltet, dass sie die fachlichen Ziele befördern. Dabei blieben die Ausgabensteigerungen der Jugendhilfe im Bereich der Erziehungshilfe mit durchschnittlich 1% pro Jahr sogar deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. So offiziell nachzulesen auf der Webseite des Landkreises. Und da die Sozialraumorientierung die Ideen der Inklusion voran bringe, wird seit 2013 im Kreis auch für Erwachsene das »Modellprojekt Sozialraumorientierte Eingliederungshilfe in Nordfriesland« erprobt, das hier zusammen mit den freien Trägern und unterstützt vom Land Schleswig-Holstein entwickelt wurde. Aber da trifft sich dann ein anderes großes Team…

Die Team-Kolleginnen der Jugend-und Eingliederungshilfe des Sozialraums Inseln waren um 17:30 Uhr wieder unterwegs in Richtung Festland bzw. Föhr und Sylt, im Gepäck die neu gewonnenen Eindrücke von Amrum und einen fruchtbaren Erfahrungsaustausch.

 

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Über Astrid Thomas-Niemann

Astrid Thomas-Niemann ist gelernte Schifffahrtskauffrau sowie studierte Sprach- und Erziehungswissenschaftlerin. Sie hat viele Jahre als Schifffahrtsanalystin gearbeitet und lebt seit 2015 in Wittdün. Als junge Frau kam Astrid 1981 das erste Mal auf die Insel und besuchte auf Zeltplatz II die Niemanns aus Hamburg, die Amrum seit 1962 urlaubsmäßig die Treue halten, inzwischen bereits in der 4. Generation.

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