Erster stationärer Blitzer auf Amrum


 

Einige Insulaner erinnern sich noch an die Zeit, als man mit einer freundlichen Verwarnung des Inselpolizisten davonkam, wenn man die Verkehrsordnung offenbar nicht ganz korrekt beachtet hatte. Doch diese gemächlichen Zeiten sind auch auf Amrum längst Geschichte…

Wirkt wie ein Fremdkörper

Nachdem im letzten Jahr bereits mehrfach Verkehrspolizisten vom Festland auf Amrum im Einsatz waren, um an verschiedenen Stellen der Insel Laser-Geschwindigkeitskontrollen durchzuführen, wurde jetzt die erste feste Anlage für Lidar-Messungen installiert. Offenbar waren die Messergebnisse so ergiebig, dass das notorisch finanzschwache Schleswig-Holstein seine Verkehrssünder auf der Insel nun kontinuierlich zur Kasse bitten möchte. Zuständig für Sicherheit und Instandhaltung der Inselstraße außerhalb der geschlossenen Ortschaften ist nämlich das Land.

Im Gespräch mit Amrum-News sieht Wittdüns stellvertretender Bürgermeister Heiko Müller nicht nur die Aufbesserung der Landeskasse: „Mit den fest installierten Blitzern reduzieren wir die Geschwindigkeit der notorischen Raser dauerhaft, nicht nur wenn die mobilen Blitzer auf der Insel sind, von denen jeder sowieso weiß, wann sie kommen.“

Etwas verschmitzt gab Müller gegenüber Amrum-News zu, dass er der Erste war, der geblitzt wurde. Er sei gerade auf dem Weg gewesen, um seine Tochter vom Reiten abzuholen und war schon spät dran. Einen Blumenstrauß – weil er der Erste war – habe er aber nicht bekommen.

Hatten Vorbeifahrende zunächst gedacht, es handele sich bei den Arbeiten auf dem Grünstreifen zwischen Zeltplatz und Heidekate um die alljährlichen Verschönerungen, stellten die Behörden dort einen Starenkasten auf. Auf den ersten Blick sieht er aus wie ein gewöhnlicher PoliScan Speed Tower, gemeinhin als Blitzersäule bekannt. Mit diesen knapp 100.000 Euro teuren Systemen von Victronic kann mittels eines scannenden Lasers nicht nur die Geschwindigkeit und Position aller Fahrzeuge, sondern auch der Fußgängerüberweg und die Kreuzung im Messbereich kontrolliert werden. KfZ-Kennzeichen werden automatisch gelesen. Neuartig an dem Prototyp, der auf der Insel zum Einsatz kommt, ist jedoch die Einbeziehung von Radfahrern und Fußgängern. So ließe sich beispielsweise herausfinden, ob der drastisch zunehmende Verkehr in der Hauptsaison zusätzliche Maßnahmen für die Verkehrssicherheit erfordert, etwa eine Fußgängerampel oder ein Stoppschild für die aus dem Waldweg kommenden Radfahrer.

Das speziell für den Amrumer Blitzer entwickelte Scan-Programm kann mittels einer elektronischen Schnittstelle mit einer Personenerkennungssoftware gekoppelt werden, die sogar behelmte Fahrradfahrer und Mütter im Friesennerzen identifiziert. Etwaigen Einwendungen aus Datenschutzsicht soll mit der Aufstellung eines kleines Schildes am Fähranleger begegnet werden: „Unsere Hauptstraße wird videoüberwacht. Danke für Ihr Verständnis.“

Das Programm wurde vom selben wissenschaftlich-technischen Institut entwickelt, das auch den Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur bei der PKW-Maut beraten hat und gilt als weiteres Vorzeigeprojekt des CSU-Ministers im Wahljahr 2017. Amrum böte hervorragende Möglichkeiten für einen groß angelegten Feldversuch, heißt es aus dem Umfeld des Ministers. In einem klar abgegrenzten Versuchsumfeld begegneten sich hier zwangsläufig jeden Sommer Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer auf Augenhöhe und erhöben den Anspruch auf eine gleichberechtigte Nutzung der Straße. Ein solches, real gelebtes Forschungs-Szenario sei verkehrspolitisch fast einzigartig in Deutschland und rechtfertige es, auch vom Bund finanziell unterstützt zu werden.

Die zweite Projektphase sieht einen weiteren Lidar-Messpoint vor, voraussichtlich zwischen Nebel und Norddorf. Auf dieser Strecke wird ja bekanntlich gern getestet, ob der Tacho auch über 100 km/h die Geschwindigkeit noch korrekt anzeigt. Hier könnte aus vermeintlicher Narren-Freiheit für das eine oder andere Fahrzeug schnell No-Fun werden, wenn der zweite Starenkasten zwitschert, wer die Höchstgeschwindigkeit, insbesondere an der Vogelkoje missachtet, ganz egal ob die Fähre unbedingt noch erreicht werden musste oder nur das Gaspedal mal kräftig durchgetreten.

Allerdings ist noch nicht entschieden, ob es wirklich einen zweiten stationären Blitzer auf Amrum geben wird, denn die Lidar-Technik steht vollautomatisch auch in mobiler Version zur Verfügung. Sowohl aus Sicht der Verkehrssicherheit als auch aus Kosten-Nutzen-Erwägungen scheint ein mobiles Gerät sinnvoller. Es könnte abwechselnd zur Überwachung der 30ger- Zonen in Nebel, Norddorf und Wittdün eingesetzt werden.

Bei seinem letzten Amrum-Urlaub war einem wissenschaftlich ambitionierten Gast aus Bayern nämlich aufgefallen, dass ihn ein Radfahrer bei Köhn’s Übergang mit 35 Stundenkilometern überholte.

Aber rechtfertigt die potenzielle Unfallvermeidung wirklich die eingesetzten Gelder?

Die Verkehrsunfälle auf der Insel halten sich doch glücklicherweise in Grenzen, wenn man einmal von Parkschrammen und den doch leider viel zu häufig unter die Räder gekommenen Vögeln und Kaninchen absieht.

 

 

 

 

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Über Astrid Thomas-Niemann

Astrid Thomas-Niemann ist gelernte Schifffahrtskauffrau sowie studierte Sprach- und Erziehungswissenschaftlerin. Sie hat viele Jahre als Schifffahrtsanalystin gearbeitet und lebt seit 2015 in Wittdün. Als junge Frau kam Astrid 1981 das erste Mal auf die Insel und besuchte auf Zeltplatz II die Niemanns aus Hamburg, die Amrum seit 1962 urlaubsmäßig die Treue halten, inzwischen bereits in der 4. Generation.

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3 comments

  1. Malte Ewertsson

    Da Amrum aus durchaus nachvollziehbaren Gründen kaum einen nennenswerten Beitrag zur Durchsetzung der PKW-Maut auf Autobahnen und Fernstraßen leisten wird, finde ich es hoch erfreulich und außerordentlich beachtenswert, dass die so überaus große Anerkennung verdienende Leistung des CSU-Ministers Dobrindt nun auf diese Weise endlich auch im nicht-bayerischen Ausland die ihr gebührende Aufmerksamkeit erfährt.
    Das ermutigt mich zu einem weiteren Vorschlag: In Nebel gibt es ja die Söderjaat. Mit minimalsten finanziellen Aufwand könnte man sie in Markus-Söderjaat umbenennen, man bräuchte lediglich zwei kleine Markus-Täfelchen an die bereits vorhandenen Straßenschilder anbringen und könnte damit einen weiteren verdienstvollen CSU-Politiker ehren und so weit über die Grenzen des Freistaats, wo man ihn bereits zur Genüge kennt, hinaus berühmt machen. Das würde ihm auch zusätzliche Autorität im Machtkampf um Seehofers Nachfolge verleihen, wenn er darauf verweisen könnte, das ein ganzer Straßenzug seinen Namen trägt, denn bisher hat nur IKEA einen Armleuchter nach ihm benannt. Malte Ewertsson

  2. Klar war es ein Insulaner der zuerst geblitzt wurde.das ist das erste gewesen was mich auf der Insel irritierte.Kein Urlauber rast so wie die Insulaner.Im Juli Herr Müller zeige ich ihnen den bösen Finger.lach Wir kennen uns schon viele Jahre.

  3. Ach mir fällt gerade ein 1.April das mit dem Blitzer ist wohl ein Aprilscherz.Auf der Rennstrecke Nebel-Norddorf wäre er allerdings angebracht

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