Der Empfang hatte es in sich: Sonntagmorgen, halb elf auf Amrum: In Stefan Klindtbergs Versuchsküche ist der Tisch gedeckt. ZweiGläser und kaltes Tonic, Eis im Kübel, daneben eine Kiste Gin. Auf dem Tresen ist die Mini-Destillieranlage schon am Laufen, im Kolben kocht’s, die Dämpfe steigen hoch ins Röhrchen, verflüssigen sich durch die Kühlung, gleich fallen die ersten Tröpfchen, da kann man dann den Finger drunter halten und einen Probierschmatz nehmen, um zu testen, ob die Mischung stimmt. 80-prozentiger Alkohol um 11 Uhr. In Nebel ist der Gottesdienst gleich zu Ende, in Süddorf danken wir den Erfindern – gesegnet sei der warme Tropfen und der gute Geschmack.
Öömrang Gin, Amrums erster Gin, ist seit Juni auf dem Markt: Das Blaufeuer und das Café Dörnsk an Köögem in Nebel verkaufen ihn, das Bistro Große Fahrt und Strand 33 in Norddorf auch. Ebenso der Zentralmarkt in Wittdün und die Speisekammer in Wyk auf Föhr, eine Fundgrube für leckeres Essen und Trinken. Stefan Klindtberg, Amrumer, 47 Jahre, gelernter Elektroinstallateur und seit zwanzig Jahren Geschäftsführer der Firma Elektrotechnik Drews, hatte zwischendrin schon längst Nachschubprobleme zu meistern. Die Destille in Dollerup an der Flensburger Förde lastet er ganz schön aus. Im Kupferkessel dort wird der Geschmack noch ein bisschen runder. Fürs Selberbrauen liegt Amrum einfach zu weit ab. “Das würde sich nicht lohnen“, sagt Klindtberg. “Allein der Zöllner, der auf dem Festland zweimal pro Woche kommt und die Brandweinsteuer festlegt, den würde man gar nicht ständig hier rüber kriegen.“
Die ersten 220 Flaschen Gin waren auf Amrum ruck, zuck weg. Mittlerweile hat Klindtberg die dritte Lieferung rüber geholt, 440 Flaschen, knapp 100 Liter. Das Amrumer Wasser, lebensmittelecht verpackt, nimmt er auf der Hinfahrt mit. Klindtberg fährt selbst, und er knotet auch selbst die orangenfarbenen Bänzel um seine Flaschen. Ein Paragliding-Seil, was er vorher auf die richtige Länge bringt. „Leewer duad üs slav“ (lieber Tod als Sklave) steht hinten auf der Flasche. Urfriesischer Wahlspruch gegen zu viel Vereinnahmung. Und so wie Klindtberg da Bänzel schlingt und grinst, passt das alles schon ganz gut. Ein großer Onlinehändler hat auch schon angefragt. Klindtberg weiß, dass das einen Haufen mehr Knoten bedeuten würde.
Die Möglichkeiten des Zutaten-Mix beim Gin sind unendlich. „Aber wenn man den Geruch der Botanicals schon als angenehm empfindest, dann bekommt man das auch mit dem Geschmack hin“, hat Klindtberg festgestellt. Tonkabohne, Kardamom, Rosen- und Hibiskusblüten, Zitronenschalen, Pflaume und Wacholder sind drin. Abgerundet durch handgeschöpftes Amrumer Meersalz und hahngeschöpftes Inselwasser. Klindtberg, dem Gins oft zu wacholderlastig schmeckten, packte nach einem Gin-Seminar im Sommer 2016 die Lust am Experimentieren. Sein erster Gin war ihm zu stark, aber der Ehrgeiz war geweckt, das feiner hinzukriegen. Der Vor- und Nachlauf aus seiner Hausdestille sind nur das Pflichtprogramm. „Was zählt, ist der Mittellauf, das Herzstück, da erkennt man, was in ihm steckt.“ Das Destillat wird später mit Amrumer Wasser auf trinkbare 44 Prozent gebracht. Gut ist er geworden, der Öömrang Gin, fruchtig-floral im Geschmack und am besten mit Tonic von Schweppes, findet der Macher. „Das unterstützt mit Zitrusnoten“, sagt Klindtberg. Jeden seiner Probeläufe hat er dokumentiert, Rezeptur (Tonkabohne null komma vier Gramm ) und Ergebnis sind genau festgehalten.
Klindtberg gefiel die Idee von Fischer Andreas Thaden, der mit seinem Amrumer Meersalz ein lokales Produkt für den heimischen Markt schuf. Schnell war klar, das sollte mit rein in den Gin. Man kann sich in etwa vorstellen, wie ambitioniert die Arbeitsgespräche der beiden Herren gewesen sein müssen, bis alles passte. Die Runde, zu der über den Jahreswechsel 2016/17 immer wieder auch Freunde stießen, trank und schnupperte sich durch den Winter und die Aromen. Als am Himmel die Sonne dann wieder höher stand, waren sie mit dem Gröbsten durch und hatten etwas Feines fabriziert. Und liefen – Klindtberg und Thaden– ihren ersten Mukolauf gemeinsam, so als Anstoß.
Klindtberg hat viel Freude an seinem beliebten Produkt. Und wer ihm zuguckt, wie er an seiner Destille probiert, abwägt und Zutaten ändert, der ahnt, dass das noch nicht alles war, was aus der Amrumer Versuchsküche an Ideen kommt. Klindtbergs Vater kommt übrigens von Föhr. Ach so … Klindtberg grinst. „Ich arbeite noch an einem anderen Produkt, und ich denke, dass ich auch bald fertig bin.“ Einen Musterbrand gibt es auf jeden Fall schon.