The Summer of ’18: Kunst am Nebeler Strand …


Strand Nebel: New Adventures in Vexillology – neue Flaggenkunde-Abenteuer 2018
© Sandra Hermannsen

So ein bisschen hat Sheldon Lee Cooper der Vexillologie Glamour beschert. Der Physiker aus der TV-Sitcom Big Bang Theory hatte nämlich regelmäßig Spaß mit Flaggen (fun with flags). Die Wissenschaft, die gerade mal 60 Jahre jung ist, wird vom Amrumer Kunstverein bereits im vierten Jahr aufgegriffen: Entlang des Weges von den Dünen zum Nebeler Strand wehen immer sechs Flaggen. Wobei sich der Laufsteg aus Holzbohlen ganz wunderbar eignet, die Kunstwerke in aller Muße abzuschreiten. Und am Café Knülle zu enden, dem Sitz jenes Kunstvereins, der Strand und Kultur immer auf unterschiedliche Weise zu einen sucht.

„High by the beach“ ist die diesjährige Show überschrieben: Hoch am Strand. Die sechs Künstler haben ihre Werke Amrums Wind übereignet, auf dass er damit spiele. Und endlich tut er das auch wieder, nach diesem oberlauen Supersommer. Die Themen sind erfrischend rau und ehrlich: Kosumwahn, Selbstoptimierung und eine durchsexte, aber immer prüder werdende Welt. Happy Holiday! Zwischendrin flattert aber das bunte Hawaiihemd der Sympathie, und dass die hübsche Meerjungfrau oben am Pfahl ihre Regel hat – na ja, das kommt alle paar Wochen halt vor.

Philipp Ricklefs am Pfahl und Valeska Hageney am Smartphone. Dazwischen Imke Kannegießer und Kalle Wruck © Sandra Hermannsen

„Manchmal sieht man die Gäste, wie sie gehen, dann stehen und nachdenken“, sagt Kalle Wruck, der am Nebeler Strand parallel zum Café Knülle den Amrumer Kunstverein betreibt, gemeinsam mit dem Berliner Künstler Philipp Ricklefs, der von der Insel stammt. Wenn die Gäste vorne angekommen sind, fragen manche. Die Kuratorinnen Valeska Hageney aus Berlin und Imke Kannegießer aus Baden-Baden suchen in Kunstkreisen jedes Jahr aufs Neue nach der Botschaft im Plakativen. „Man muss das ja auch erkennen können da oben“, sagt Valeska Hageney. 1,5 Quadratmeter ist jede Fahne groß, es gibt sie vier Mal, man kann sie kaufen. Ende Oktober zur Finissage werden die windgepeitschten Flaggen eingeholt und archiviert.

Zu schade für die Vitrine: Porzellanbecher von Dennis Scholl

Man kann am Café sitzen, einen Fair-Trade-Kaffee aus dem von Künstler Dennis Scholl gestalteten Kaffeebecher Cup #4 trinken und die Fahnen im einzelnen beschauen: #1:David Horvitz, Kalifornier, der mit „Ocean Sounds“ in den Pazifik reinhört. Sein Rat: Augen schließen, der Nordsee zuhören und sich vorstellen, man sei das Meer. #2: Andy Kassier, ein Berliner Konzeptkünstler, der sich als Strand-Dandy inszeniert: enge Playboyhose, oben nix und unten drunter das weiße Pferd. Ein Hoch auf die permanente Selbstvermarktung! #3: Anna Ley aus Hamburg erinnert mit ihrer “Hawaiihemd”-Flagge an die Entwicklung und Symbolkraft eines Kleidungsstücks, das 1840 als Arbeitshemd der Plantagenarbeiter und Cowboys auftauchte und heute paradiesisches Urlaubsfeeling versprechen will. #4: „Ich bin nicht sauer, ich bin nur traurig”. Nora Turato, aus Kroatien und in Amsterdam lebend, hört diesen Satz von Kindern, die schwer vom Strand wegzukriegen sind. Kollagiert in Rot-Gelb, den Farben der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), werden aus Botschaften kleine, neue Weisheiten. #5: Alexandra Wolframm aus Berlin. Ihre Palme lässt an Urlaub denken – bis man liest, was drunter steht: Migrant. Zack, ist die Wonnewirkung weg, und sind andere Gedanken da. Aber: Palmen haben sich integriert und sind mittlerweile fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Hoffnung keimt … #6: Wir leben (und posten) in einer durchsexualisierten Welt. Werden aber immer prüder. Das Thema nimmt die Leipziger Künstlerin Petra Mattheis auf und tropft ihrer Meerjungfrau, die auch als Bierlabel oder Tattoo eine gute Figur machen würde, Menstruationsblut zwischen die Schwanzflossen. Wird nicht gephotoshoppt, bleibt so!

Gibt’s aus Pappe und Porzellan: Becher von Dennis Scholl vor Tüte von René Scheerf

Darauf noch einen Schluck Kaffee oder lieber Gin Tonic. Der porzellane Kaffeebecher ist auf 100 Stück limitiert und zu verkaufen. Mit Glück – und ohne Anspruch – kann man ihn in einer der 25 Papiertüten davontragen, die der Hamburger Grafitti-Künstlers René Scheer besiebdruckt hat. Alle Kunst ganz nah: www.kunstverein-amrum.de

 

 

 

 

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Über Undine Bischoff

Journalistin und Texterin. Fuhr mit drei Jahren zum ersten Mal über den Kniep – in einer Schubkarre. Weil ihr Vater da draußen eine Holzhütte baute, zwanzig Feriensommerjahre lang. Betextet Webseiten und Kataloge, schreibt für verschiedene Medien und natürlich für Amrum News.

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