Quietschfidel mit 90 – der Seezeichenhafen Amrum feierte seinen Geburtstag mit „Open Ships“ und weit mehr als tausend Gästen


„So richtig Spaß macht es doch nur, wenn viele kommen“, sagte Christina Ruddeck, die Leiterin des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes (WSA), die mit einigen Kollegen aus Tönning angereist war, um Außenstellenleiter Wolfgang Stöck und die Kolleginnen und Kollegen der „Außenstelle Amrum“ nach Kräften zu unterstützen. Und es kamen richtig viele zum 90. Jahrestag des Seezeichenhafens in Wittdün auf Amrum.

Kurze Hafen-Geschichte

Die Bucht an der wind-abgewandten Ostseite der Insel war zwar schon im 18. Jahrhundert als „Amrumer Hafen“ auf Karten eingetragen, hatte aber bis 1916 nur die geschützte Reede im Lee und noch keine Hafenanlagen. Die Mole für den geplanten Schutzhafen wurde mitten im 1. Weltkrieg (1915/16) geschlagen, doch der Ausbau zum Tonnenhafen erfolgte erst später, denn nach dem 1. Weltkrieg diente der Hafen ab 1923 zunächst als Stationshafen für den Bau des Bahndamms nach Sylt. Bis Juni 1927 lag er voll mit Nassbaggern und Baumaschinen. Erst nach Fertigstellung des Hindenburg-Damms begann auf dem 3,3 Hektar großen Gelände der Ausbau zum Tonnenhafen. 1928 wurden die Tonnen aus dem „Tonnhaus“ der Familie Ricklefs in Steenodde überführt und der Tonnenhafen in Betrieb genommen. Heute verfügt der Seezeichenhafen über eine Tonnenhalle für die Instandhaltung der Tonnen und Leuchttonnen, eine eigene Strahlhalle, eine eigene Tischlerei und Schlosserei, Werkzeuge für Unterhaltungsarbeiten, ein kleines Magazin, ein Lager und ein Büro/Verwaltungsgebäude.

Nach dem 2. Weltkrieg bis Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre lagen an manchen Tagen bis zu einhundert Büsumer Krabbenkutter im Amrumer Hafen, der zunächst nur aus kleinen Gebäuden und der langen Pier bestand, an der auch die „Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ einen Liegeplatz für das Rettungsboot hatte. Heute sind neben dem Seenotrettungskreuzer „Ernst-Meier-Hedde“, dem Tonnenleger „Amrumbank“ und den anderen Arbeitsschiffen des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes das Ausflugsschiff „Eilun“ von Kapitän Bandix Tadsen und der Krabbenkutter von Andreas Thaden im Seezeichenhafen stationiert. In den 1980er Jahren wurde ein separater Sportbootbereich im Hafen geschaffen, das Domizil des Amrumer Yachtclubs AYC.

 

Mal wieder richtig feiern

Die Geburtstagsgäste ließen sich – wie könnte es an einem solchen Tag auch anders sein – den kräftigen Wind um die Ohren blasen und nutzten die Gelegenheit sich vor Ort bütjen an banen ausgiebig zu informieren. Denn draußen wie drinnen gab es am Donnerstag im Seezeichenhafen viel zu entdecken:

Open Ship auf dem Tonnenleger „Amrumbank“ und dem Seenotrettungskreuzer „Ernst Meier-Hedde“, die Bakensetzboote „Buttscher“ und „Butt“, das geborgene Rettungsboot 2 der „Pallas“ und alle Arten von Seezeichen mit ihren Verankerungen, überall gut verständliche Infotafeln, die das Seezeichenwesen anschaulich erklären, und drinnen Seekarten, Modelle und Artefakte aus Vergangenheit und Gegenwart.

Die Tonnenhalle war in einen Ausstellungs- und Festsaal verwandelt worden, geschmückt mit frischen Blumentöpfen und großartigen Fotografien vom Tonnenleger, die der Amrumer Naturfotograf und Lehrer Sven Sturm gemacht hat. Sein neuer Fotoband soll 2019 erscheinen und wird nicht nur die Arbeit auf dem Tonnenleger „Amrumbank“ zeigen, sondern auch die anderer Menschen im Wattenmeer. Die neunte Klasse der Öömrang Skuul versorgte die Gäste mit Kaffee und einem Riesen-Kuchenbüffet zur Aufbesserung der Klassenkasse für ihre Abschlussfahrt. Die Amrumer Jugendfeuerwehr verkaufte alte Schallplatten, CD’s und Bücher am Flohmarktstand, die „gesammelten Schätze“ vorheriger Generationen aus ihrem Jugendraum. Steuermann im Ruhestand Jürgen Sönnichsen und seine Frau Katharina bereicherten das Fest kunstgewerblich mit Lichtseekarten und Ölmalerei. Nur den bunt beklecksten Fußboden der Tonnenhalle brauchte man nicht extra zu schmücken, er ist ein abstraktes Kunstwerk in Weiß, Grün und Rot – sozusagen „continuous art in progress“.

Die Kolleginnen und Kollegen der Behörde hatten sich richtig viel Mühe gemacht und erklärten mit viel Freude an ihrem Tun abwechselnd den vielen Besuchern (es kamen im Laufe des Tages vermutlich mehr als 2.000) die vielfältigen Aufgaben ihres Amtes, betreuten Stände und Spiele und stanzten sage und schreibe 500 bunte Buttons mit Schifffahrtsmotiven – lauter kleine Kunstwerke auf Basis der Vorlage von Frau Müller, hauptberuflich eigentlich Verwaltungsfachangestellte im Amrumer Seezeichenhafen. Favorit, na klar, der Amrumer Leuchtturm.

Für die Kinder hatte man sich noch etwas ganz Besonderes einfallen lassen – ein „Kapitänspatent des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts Tönning, Außenbezirk Amrum“. Es berechtigt „zum Führen eines Bootes mit den Höchstabmessungen: Breite 10cm, Länge 20cm, Maschinenleistung 1KS (Kinderstärke) auf der Seewasserstraße Nordsee. Auflagen nach §2 Abs. 3 entfallen.“

Erwerben konnte das Patent nur, wer zuvor den Trainings-Parcours bestehend aus Stapel-Lauf, Labyrinth, Murmel-Fangen, Tonnen-Fahren, Leuchtturm-Drehen und Schiffchen-Rennen erfolgreich absolviert hatte (und das war bei dem heftigen Wind gar nicht so leicht). Vom Antragsteller wurden gleich vor Ort ein Pass-Foto gemacht und die persönlichen Daten eingetragen, bevor das Dokument eigenhändig unterschrieben werden musste, von der Behörde abgestempelt und von Kapitän Ingo Jessen persönlich an Bord der „Amrumbank“ noch mit dem Original Schiffsstempel versehen wurde. Ach, wenn das doch bei anderen Behörden auch immer so schnell und unbürokratisch ginge!

 

Verantwortungsvolle Aufgabe

Als einer der drei Außenbezirke des WSA Tönning ist Amrum im 12-Seemeilen-Gebiet zwischen der deutsch-dänischen Grenze und Husum für die Überwachung und Wartung der festen Leucht- und Leitfeuer, der 327 Tonnen, darunter 49 Leuchttonnen an wichtigen Positionen, und rund 1600 Pricken und Stangen an Prielen und schmalen Wasserläufen zuständig. Auch die Bake mit dem Rettungsraum auf Süderoog-Sand und die Loran-Station in den Dünen von Hörnum auf Sylt wird von Amrum betreut. Von den rund 200 MitarbeiterInnen des Tönninger Amtes sind etwa 25 auf Amrum stationiert und es gibt sogar zwei Auszubildende – einen Feinwerkmechaniker in der Werkstatt des Seezeichenhafens und einen Schiffsmechaniker auf der „Amrumbank“.

Die „Amrumbank“ wurde am 17. November 2011 in Dienst gestellt. Das Schiff ist knapp 11 Meter breit und 45 Meter lang, hat eine Brutto-Raum-Zahl von knapp 500 Tonnen, aber nur einen Tiefgang von 1,8 Metern. Das Schiff verfügt über eine Arbeitsfläche von 160 m² auf dem Achterdeck und der Bordkran kann maximal 12.000 kg tragen. Mit Voith-Schneider-Antrieb und leistungsstarkem Bugstrahlruder ist es sehr manövrierfähig. Zu den Hauptaufgaben gehören das Auslegen, Einholen, Transportieren und Reinigen von Seezeichen, Seevermessungs- und Verkehrssicherungsaufgaben. Der Tonnenleger ist mit einer Stammcrew von sechs Seeleuten und einem Azubi besetzt (Steuermann, Schiffsmechaniker Maschine/Deck, Bootsmann, Kranfahrer, zwei Matrosen). Koch und extra Maschinist wurden schon vor Langem eingespart. Selbstverständlich können alle Positionen auch mit weiblichen Seeleuten besetzt werden.

Gewöhnlich ist das Schiff wochentags zwischen 7 und 16 Uhr im Einsatz. Ist der Wellengang für die vorgesehenen Tagesarbeiten zu hoch, weicht man in ruhigere Gewässer aus und erledigt dann dort anfallende Aufgaben. Sollte sich ein Seezeichen in zu schwerer See einmal losreißen oder ausfallen, wird die Schifffahrt über UKW-Funk vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt informiert.

Fotograf Sven Sturm, der die Tonnenleger im letzten Herbst ausnahmsweise einen Tag lang fotografisch begleiteten durfte, war beeindruckt von den Arbeitsprozessen auf der der „Amrumbank“. Er sagte fasziniert: „Wenn Lena aus der Datenbank des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes, die anzusteuernden Seezeichen aufruft und Kapitän Ingo das Schiff in die entsprechende Position bringt, weiß jede und jeder an Bord ganz genau, was zu tun ist. Jeder Handgriff sitzt, ein Arbeitsschritt folgt dem nächsten – wie in einem gut eingespielten Orchester.“ Auf seinen atmosphärisch sehr ausdrucksstarken Fotografien kommt es einem so vor, als wäre man mit dem Tonnenleger auf See und erlebte selbst immer einen dieser ganz besonderen Momente an Bord.

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Über Astrid Thomas-Niemann

Astrid Thomas-Niemann ist gelernte Schifffahrtskauffrau sowie studierte Sprach- und Erziehungswissenschaftlerin. Sie hat viele Jahre als Schifffahrtsanalystin gearbeitet und lebt seit 2015 in Wittdün. Als junge Frau kam Astrid 1981 das erste Mal auf die Insel und besuchte auf Zeltplatz II die Niemanns aus Hamburg, die Amrum seit 1962 urlaubsmäßig die Treue halten, inzwischen bereits in der 4. Generation.

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