Zwei Sprachwissenschaftler in Kiel und auf Föhr arbeiten derzeit an der Erstausgabe eines Wörterbuchs für Amrumer Friesisch. Rund 500 Menschen auf Amrum sollen diese Sprache noch aktiv sprechen. Verstehen tun sie einige mehr. Damit hat das ganze Vorhaben dennoch exotischen Charme. Dr. Ommo Wilts, Anfang 80 und pensioniert, hatte während seines Berufslebens an der Nordfriesischen Wörterbuchstelle in Kiel schon zig Wörterbücher herausgegeben. Und der Amrumer Reinhard Jannen, Friesisch-Experte und zuständig für Archiv und Bibliothek an der Föhrer Ferring-Stiftung, hatte schon zig korrigiert und wollte es eigentlich nie wieder tun. „Ich mache es Ommo zuliebe.“ Ommo Wilts nennt Jannen „meinen letzten Gewährsmann“. Die schreibgeschützten Seiten, die er nach und nach mailt, druckt Jannen aus, setzt per Hand seine Korrekturen ein, scannt das Dokument und schickt es zurück zu Wilts.
Wenn das Sjiisk-Öömrang-Wurdenbuk erschienen ist, wird es sich auch schnell ausverkaufen, schätzt Jannen. „Wörterbücher gehen immer. Wir haben oft gedacht, ach, 500 Auflage, das reicht locker.“ Aber viele der auf den Inseln in den letzten Jahrzehnten herausgegebenen Wörterbücher sind inzwischen vergriffen oder, wie das „Wurdenbuk för Feer an Oomram“ von 1986, in einer „Notauflage“ wieder auf dem Markt, weil die Nachfrage vor drei, vier Jahren plötzlich anstieg. „Das Friesische ist Teil der insularen Identität und deswegen etwas ganz Besonderes“, sagt Wilts.
Es ist erstaunlich. Mahner, die die Sprache aussterben sehen, gab es schon vor 150 Jahren. „Genau deshalb wurde damals ja Wörterbücher angelegt“, sagt Jannen, der die Herausgabe einiger historischer Wortsammlungen mitverantwortet hat, darunter eine von 1862, die „Nordfriesische Sprache nach der Föhrer und Amrumer Mundart“und den Sprachschatz zu Zeiten des Amrumer Pastors Lorenz Friedrich Mechlenburg, der 1875 in Nebel starb. „Das, was jetzt entsteht, wird ein Gegenwartsbezogenes sein“, sagt Jannen. Alte Kamellen, die niemand mehr benutzt, kommen nicht mit rein. „Die Beispielsätze sollen kurz sein“, sagt Wilts, „damit der Zugang wirklich leicht ist und man ganz schnell weiß, was was heißt.“ Reinhard Jannen checkt, ob auch wirklich alles Amrumer Friesisch ist und ob formal und sachlich alles stimmt, Genus, Plural und so weiter.
Die Nischensprache wird als Exotikum gerade wieder hip, deshalb spricht so ein Wörterbuch auch die Öömrang-Neulerner an, die schnell merken, dass die Unterschiede zwischen dem Föhrer und Amrumer Friesisch ganz schön figelinsch sein können und sich über so ein eigenes Sprachwerk sicher freuen werden. Ob a statt i, -ang statt -ing, s statt t oder Unterschiede beim Partizip – flaanj versus flaanjen (geflogen), weitere Beispiele aus Jannen Wörterbucharbeit: Für as Wort „abräumen“ – auf Fering ufberig – benutzen die Amrumer mitnichten den Begriff ufberag, sondern das Wort ufflei. Ufbag (Fering für abbauen) heißt auf Öömrang ufbau. Und zum Verb Aufforsten, gehört auf Amrumerisch der Infinitiv apholte.
Wilts liebenswerter Gedanke, kein Mensch würde ein Wörterbuch ohne Bilder kaufen, führt jetzt dazu, dass eine Zeichnerin für Amrum typische Tiere und Pflanzen im Buch festhält.
Früher war Wilts mindestens ein-, zweimal im Monat auf den Inseln, wo er an den Tischen der Alteingesessenen in die Sprache eingetaucht ist. Mit Zettelkasten und Tonbandgerät. „Helmut Martinen zum Beispiel habe ich viele Wörter zu verdanken. Und Thea Andresen auch. Sie war eine der besten Sprecherinnen, die man auf den Inseln hatte.“
Das laufende Projekt lebt vom Elan seiner freizeitlich arbeitenden Experten. Jannen liest überwiegend morgens auf der Fährstrecke zur Arbeit nach Föhr Korrektur. Und Wilts sitzt im (Un-)Ruhestand wann immer möglich am Schreibtisch in Osdorf bei Kiel. „Die Umarbeitung ist bis U gediehen.“ Seit über zehn Jahren ist so ein Amrumer Friesisch Wörterbuch im Gespräch. Nicht immer ging es Wilts gesundheitlich so gut, dass er die Kraft hatte, es voranzutreiben. Nun aber ist er dran. Rund 15.000 Stichwörter werden es.
Bis zu „Anfang F“ sei er schon gekommen, sagt Jannen. Aus Erfahrung weiß er, dass so ein Projekt immer länger dauert, als man denkt, weshalb er nur hoffen könne, dass man vielleicht bis Weihnachten das Material für den Druck fertig habe. Verlegen will das rund 400 Seiten starke Werk der Amrumer Jens Quedens, dem es am Liebsten wäre, man würde das Projekt erst beim Namen nennen, wenn es tatsächlich fertig ist. Ommo Wilts ist dankbar für die Unterstützung. „Das können nur solche Sondergestalten wie Herr Jannen und Herr Quedens.“ Er sagt tatsächlich Sondergestalten – ein zutiefst liebevolles Wort!