„Notgeld“


Es ist nun fast hundert Jahre her, aber noch immer tauchen in etlichen Inselhäusern zwischen alten Fotos und Papieren die kleinen bunten Notgeld-Scheine auf, bei deren Anblick man eher an Monopoly-Spielgeld denken würde.
Aber die Scheine hatten in der Zeit des 1. Weltkrieges bis hinein in die Inflationsjahre, also von etwa 1917/18 bis 1923, einen durchaus realen Zweck und beseitigten bzw. milderten einen Mangel im Geldwesen des Deutschen Reiches. Sie dienten mit ihren Werten von 25 Pfennigen bis zu einer Mark als Ersatz für Münzen, die knapp geworden waren, weil die deutsche Reichsregierung das Metall in Panzerkreuzer und Kanonen gesteckt hatte, die nun nach dem verlorenen Krieg auf dem Meeresgrund lagen oder Schrott waren.
Im Lexikon ist zu lesen, dass „Notgeld im Krieg oder bei zerrütteter Währung zur Überbrückung eines Zahlungsmittelmangels vom Staat öffentlich-rechtlichen Körperschaften wie Gemeinden oder von Privat als Ersatzgeld ausgegeben wurde. Notgeld hat jedoch in der Regel keine gesetzliche Zahlungskraft, und sein Umlauf ist lokal und zeitlich begrenzt. In Deutschland und Österreich gab es Notgeld während des 1. Weltkrieges (1914/18) und in der Inflationszeit 1922/24.“

Soweit das Lexikon.

Auf Amrum beteiligten sich zwei Orte an der Ausgabe von Notgeld: Die 1912 selbständig gewordene Gemeinde Wittdün und der zur Gemeinde Amrum gehörende Kurort Norddorf. Im ersteren Fall tragen einige der in mindestens 12 Motiven vorliegenden Scheine die Unterschriften der Bürgermeister R. Wolff bzw. Weber sowie der Gemeindeverordneten Eggers, Sierck, Figge, Petersen und Krahmer. Gezeigt werden Wittdüner Motive, aber auch solche aus dem Deutschen Reich, das Straßburger Münster, St. Marien zu Leipzig, den Roland in Bremen, einen Heldengestalt in Harnisch und die Kirche von Lügumkloster „im geraubten Schleswig“.
Das „geraubte Schleswig“ bezieht sich auf die Abstimmung im deutsch-dänischen Grenzraum am 14. März 1920, als der Landesteil Nordschleswig – 1864 von Preußen-Österreich den Dänen „geraubt“ – mit seiner dänischen Bevölkerungsmehrheit an Dänemark zurückfiel. Überhaupt wurden die meisten Wittdüner Notgeldscheine in Erinnerung an die verlorene Abstimmung mit dem Spruch versehen: „Wittdün war deutsch in Einigkeit und hofft mit Gott auf bessere Zeit, wenn erst kein Grenzpfahl mehr das trennt, was sich zum deutschen Blut bekennt“. Und ein anderer Schein verrät: „Wittdün war am 14. März (1920) einstimmig deutsch“. Bei dieser nachfolgenden Abstimmung in der 2. Zone im Landesteil Schleswig stimmten rund 75% der Einwohner für den Verbleib im Deutschen Reich, und Wittdün lag in dieser Zone. Vermutlich war Wittdün die einzige Gemeinde in dieser 2. Zone, in der es keine Stimme für den Anschluss an Dänemark gab. Das war aber auch kein Wunder, denn der allergrößte Teil des im Jahre 1890 gegründeten Seebades auf der Amrumer Südspitze bestand aus Eingewanderten aus allen Teilen des Deutschen Reiches, denen die rund eintausendjährige Zugehörigkeit der Insel Amrum zum Königreich Dänemark vermutlich weitgehend unbekannt war. Für sie zählte das deutsche Kaiserreich.

Aber mit der Hoffnung auf die Wiedergewinnung des „geraubten“ Nordschleswigs mit Gottes Hilfe wurde es dann doch nichts. Kaum zehn Jahre später hatte Deutschland zwar einen „Führer“ und später den 2. Weltkrieg. Jedoch ungeachtet sonstiger Eroberungsgelüste und -kriege: Dänemark wurde durch die Wehrmacht besetzt, aber der „Führer“ beließ Nordschleswig bei Dänemark, wohl, weil die Dänen als „Arier“ angesehen wurden und deshalb in das Rassenbild der Nazis passten.

Der Norddorfer Verkehrsverein druckt Geld

Die Motive auf den vier vorliegenden farbigen Notgeldscheinen des Seebades Norddorf sind unpolitischer Natur. Sie zeigen eine Frau in Friesentracht, eine Dorfpartie mit Blick von der Höhe am Hotel Hüttmann am Ual Jaat hinunter bis zur Odde auf zwei Häuser, die 1925 abgebrannt sind, eine Friesenstube im Hause von Anna Quedens, die ihren Mann Martin auf See verloren hatte, sowie eine Dünenlandschaft.
Das erste Motiv ist ohne Sinnspruch. Auf den drei anderen lesen wir: „Brük din Rocht, man sanner Bocht“ (Gebrauche Dein Recht, aber ohne es zu beugen) – „So Dü deest, so Dü feest (Wie Du tust, so wird Dir getan) und „Hat mut Swin riin, iar Arken an Bärs feit“ (Es müsste Schweine regnen, eher jeder einen Teil bekommt).
Die Ausgabe erfolgte durch den Verkehrsverein, der sich zwecks Herausgabe eines Prospektes mit Annoncen von Hotels und Zimmervermietern für den Fremdenverkehr etabliert hatte. Erst 1925 wurde die Gemeinde Norddorf selbständig und konnte nun mit einer „regulären“ Kurverwaltung an die Werbung für das von Pastor Bodelschwingh im Jahre 1890 gegründete Seebad denken.
Das Notgeld deckte – wie erwähnt – einen Mangel im deutschen Geldwesen hab, wurde dann aber selbst mit den bunten Scheinen eine Art Werbemittel, so dass die Scheine nicht nur als Zahlungsmittel, sondern auch als eine Art „Andenken“ im Umlauf waren. Die Herausgeber nutzten diese Entwicklung und verdienten sicherlich einiges an Geld. Denn die Druckkosten der Scheine lagen weit unter den Nennwerten von 25 Pfennigen bis zu einer Mark.
Erst im Jahre 1922 durften auf Anordnung der Reichsbank keine Notgeldscheine mehr gedruckt werden. Die einsetzende Inflation warf ihre Schatten voraus, und bald waren ganz andere Scheine im Umlauf – solche mit Millionen und Milliarden von Mark, deren realer Wert aber nur wenige Groschen und Mark betrug. Mit dieser Aktion trug der Staat seine – vor allem durch Weltkriegsrüstung verursachten – Schulden ab und ruinierte die Ersparnisse seiner Bürger.

Georg Quedens

 

 

 

 

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