Zwanzig Kapitäne erzählen von Glaube, Liebe und Hoffnung im neuen Beste-Geschichten-Buch aus dem Ankerherz-Verlag. Mit dabei auch der Amrumer Arno Schermer. Der 77-Jährige hat 40 Jahre Seefahrtserfahrung, war bis vor kurzem Vorsitzender des Amrumer Yachtclubs (zählt in die Seefahrtsjahre nicht mit rein) und ist der See zwischen Amrum und Helgoland mit seinem Boot immer noch verbunden.
Pongola, Tanga, Karoo, Clivia und Karonga. So heißen die Ferienwohnungen von Arno Schermer auf Amrum. Pongola, Tanga, Karoo, Clivia und Karonga. So hießen auch die Schiffe, auf denen Schermer zur See fuhr.
Er war Steuermann bei den Deutschen Afrika-Linien, als er im Oktober 1974 mit einem gecharterten Schiff unter liberianischer Flagge und einer kroatisch-italienischen Besatzung auf Reise nach Angola geschickt wurde. „Von Hamburg nach Rotterdam, Antwerpen, Douala in Kamerun, nach Gabun, dann in den Kongo nach Matadi und dann der letzte Löschhafen war eben Lobito in Angola. Von vorn herein wurde schon gesagt, die Liegezeit ist zwischen 50 und 80 Tagen“, erzählt Schermer in einer schönen Raucher-Schummer-Bar auf Hamburg-St.-Pauli. Am Ende lag er mit seinem Schiff 129 Tage in Angola fest.
„Die stillen Tage von Lobito“ ist seine Geschichte im neuen Kapitäne!-Buch von Ankerherz-Verlagschef Stefan Kruecken überschrieben. „Ich hatte ihm ein paar Stationen meines Lebens erzählt, und er hat sich diese ausgesucht“, sagt Schermer. Kein Wunder – derartige Liegezeiten sind heute undenkbar. Am 24. November 1974 traf das Schiff ein. „Der Hafen war total verstopft, die Abfertigung lief schleppend, da lagen 34 Schiffe vor uns, und es gab nur 18 Liegeplätze.“
Weihnachten also in Angola. Schermer war der einzige Deutsche an Bord. Und da die Zeiten golden waren, holte er seine Frau als moralische Unterstützung ins afrikanische Land. „Komm’ mal sechs Wochen nach Angola. Wetter ist phantastisch, Wasser ist warm, schöne Restaurants.“ Schermer muss heute selbst nachdenklich gucken, wenn er von diesen Arbeitsbedingungen erzählt. „Bis Weihnachten ging auch alles gut. Aber dann ging es rapide bergab durch den Bürgerkrieg, der immer näher zur Küste kam und es wurde ein bisschen kritisch.“ Angola führte zu der Zeit einen Unabhängigkeitskrieg gegen die portugiesische Kolonialmacht. „Um Lobito wurde schon geschossen. Im Hafen war es noch ruhig, da hielt das portugiesische Militär die Ordnung noch ein bisschen aufrecht. Aber im Inland bekriegten sie sich. Als wir im April 1975 Lobito verließen, war da schon Chaos. Wir haben unsere Ladung noch gelöscht und sind voll beladen mit Sisal und Kaffee und anderem Zeug Richtung Hamburg gefahren.“
Unter den heutigen Bedingungen zur See zu fahren, wäre nicht mehr Schermers Ding. “Die Romantik ist total hin“, sagt er. „Wenn ich sehe, was da heute so abgeht, nein, da hatte ich wirklich Glück, die Deutsche Afrika-Linien war eine sehr spezielle Reederei.“
Was heute verrückt klingt, war damals normal: „Bis Anfang der 1970er konnten die Frauen der Kapitäne an europäischen Küste einfach so an Bord mitfahren.“ Als es dann mit dem Personal etwas kritisch wurde, überlegte man sich noch mehr und weitete das Kümmerpaket auch auf die Kinder aus: „Um die Kinder wurde sich in Heimen gekümmert, während die Frau mitfuhr. Drei Monate lang, teilweise noch länger, alles von der Reederei bezahlt. Auch auf Amrum gab es eins, dann noch ein Internat an der Ostsee und eine Krippe für Kleinkinder in Hamburg.“
Aber das nur am Rande. Im Buch gehts um ganz andere Abenteuer. Auf zehn Seiten schildert Schermer seine Erlebnisse. Neunzehn andere Kapitäne tun dies auch. Darunter eine Frau: Nicole Langosch, die Kapitänin auf einem Kreuzfahrtschiff war. Buxtehude, Heide, Lübeck, Hamburg, Bremen … Stefan Kruecken ist quer durch den Norden gereist für die neuen Geschichten. Da ist alles dabei: Das schlimmste Schiff der Welt, blinde Passagiere, Melancholie, Nordseestürme und eben die stillen Tage von Lobito. Dass Arno Schermer im Inhaltsverzeichnis des Buches der Insel Föhr zugeschrieben wird, kann man ignorieren. So ein bisschen verfährt sich jeder mal …
Stefan Kruecken: Kapitäne! Glaube, Liebe, Hoffnung: Seeleute erzählen ihre besten Geschichten, Ankerherz Verlag, 2019, 29,90 Euro.