Guck, das Tau! Zeichnungen von Kerstin Friedrichs in Norddorf …


Kerstin Friedrichs jetzt in Norddorf
© Stefan Dietz

Da haben Menschen eine Lebensliebe, von der sie nicht leben wollen oder können, bleiben ihr treu und entdecken mit ihr immer neue Räume. So jetzt Kerstin Friedrichs im Norddorfer Gemeindehaus, wo die Künstlerin just eine Ausstellung mit neuen Zeichnungen eröffnet hat.

Friedrichs lebt nicht von Malen. „Ich habe einen ganz normalen Teilzeitjob in der Verwaltung“, aber sie zeichnet, seitdem sie ein kleines Mädchen ist. „Ich saß auf dem Küchenfußboden im Bauernhof meiner Eltern in Pennigsehl und malte.“ Das Talent des Kindes wurde erkannt und gefördert; nicht so üblich ländlicherseits – auch nicht in Nienburg/Weser – in der damaligen Zeit. „Es kam eine Künstlerin aus Bremen zu uns nach Hause“, erinnert sich Friedrichs. „Wenn ich bei ihr in der Stadt war, habe ich mit ihr zusammen Ausstellungen besucht und das genaue Schauen und das Zeichnen gelernt.“ Es folgte ein Studium des Textildesigns in Hannover. Aber die 47-Jährige beließ es beim Hobby. Die Hälfte ihrer kreativen Zeit widmet sie heute Auftragsarbeiten wie Porträts und Zeichnungen, der Rest gehört ihr allein.

Möglichst Bodenhaftung. Die Künstlerin zuhause
© Stefan Dietz

„Windspiel“, „Vorgarten am alten Kapitänshaus“, „Weit ist der Weg“, „Anker am Sportboothafen“, „Abfahrt von der Insel“, so heißen ihre Bilder. Tuschezeichnungen mit ganz feinem Tuschestift. Taue, Seile, Grashalme, Steine. „Dieses akribische Zeichen macht mir am meisten Spaß, da kann ich wunderbar abschalten, das ist wie Meditation.“ So entstanden Zeichnungen vom Amrumer Krabbenkutter, von Strandgut am Kniep, maritime Details und Dünenlandschaften. Sie hangelt sich von Strich zu Strich. Vorsicht ist geboten, “ist der Strich erst mal drauf, ist er drauf“, sagt sie. Sie sitzt beim Arbeiten immer noch gern auf dem Fußboden. „Da hab ich alles um mich rum und muss nichts wegräumen.“

Reetdachhaus …
© Stefan Dietz

Friedrichs ist ihrem Landkreis treu geblieben und wohnt heute in Liebenau. „Am Rande der Geest“, so wirbt die Weser-Gemeinde. Bonbons und den Schnaps, was man in dem kleinen Städtchen herstellt, hatte sie mit im Gepäck und verschenkte es nach der Eröffnungsrede an Gastgeberin Kirsten Sothmann, die im Sommer die Norddorfer Bücherstube im Gemeindehaus von Anke Quedens-Herber (köstliche Waffeln!) übernommen hat.

… und Weidezaun
© Stefan Dietz

Amrum war Zufall, da zog es Kerstin Friedrichs eines Tages einfach mal hin; 2006 zum Urlaub. Ein guter Start, sie kam jedes Jahr wieder, 2010 gleich eine eigene Ausstellung in der Nebeler Mühle, dann im Amt, dann da und dort. „Fünf Jahre lang waren meine Bilder eigentlich ununterbrochen auf der Insel.“ Wie jede Amrumverliebte, entdeckt sie jedes Mal wieder etwas Neues auf der Insel, Orte, Licht, Wetter, die Gezeiten. „Oder die Veränderungen, die es durch Besitzerwechsel und Baumaßnahmen gibt.“ Sie macht vorab ein Foto und zeichnet dann zuhause am Bild. Sie mag das Morbide, das Watt, den Modder. Einen verwitterten Pfahl. „Das ist netter, als nette Blumen zu malen.“ Diese winzigen Striche sehen von weitem dann so akkurat aus, dass man kurz denken könnte: ein Foto! Neben Tuschezeichnungen sind auch einige Aquarelle in der Ausstellung zu sehen, die das Farbineinanderfließen der Inselnatur wiedergeben. Sie nutzt Buntstifte und macht Collagen. „Da unterlege ich Ausschnitte aus Seekarten mit Ausschnitten aus meinen Tagebuch, tusche dann und aquarelliere darauf.“

Kerstin Friedrichs Werke im Gemeindehaus
© Stefan Dietz

Noch mehr Liebeserklärungen an diese Insel sind zusammengefasst in dem kleinen Büchlein „Amrumer Weite“, mit Zeichnungen von ihr und betextet von einem alten Freund, dem Pädagogen, Lyriker und Amrumverliebten Kurt H. Möller. Die beiden kannten ich schon lange, als sie sich zufällig auf Amrum trafen und eine gemeinsame Arbeit beschlossen. Für sich entdeckt hat sie gerade die Vogelkoje. „Das ist fast wie ein Feenwald, ganz verwunschen.“ Vielleicht entsteht ja etwas draus. Im nächsten Sommer zum Rotary-Künstlerfest kommt Kerstin Friedrichs wieder.

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Über Undine Bischoff

Journalistin und Texterin. Fuhr mit drei Jahren zum ersten Mal über den Kniep – in einer Schubkarre. Weil ihr Vater da draußen eine Holzhütte baute, zwanzig Feriensommerjahre lang. Betextet Webseiten und Kataloge, schreibt für verschiedene Medien und natürlich für Amrum News.

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