Ostern in Zeiten der Ausnahme: Stimmungsbilder der Insel …


Beeindruckende Leere …

Knapp über 2000 Einwohner, aber zehntausend Gästebetten. Zu Ostern wären sie voll gewesen, jetzt bleiben alle leer. Zig Tausend Euro Strafe, wenn sie doch einer vermietet. Bußgelder überall, neue „Grenzen“, schlingernde Besuchsregelungen, überraschende Blockwart-Identitäten im Land. Amrum, die kleine Insel der großen Freiheit, ist zu Ostern eine Insel der großen Leere.

Würde auch Amrumern helfen: Die Petition auf change.org

In Zeiten von „Corona“ sind Petitionen genauso wichtig wie bunte Eier. Eine davon kursierte gestern in den Inselforen und hatte Abends schon knapp tausend Stimmen. Darin fordert ein Ferienwohnungsvermieter in Sachen Corona-Soforthilfe die Gleichbehandlung seines Tuns mit dem der Gewerbetreibenden und Solo-Selbständigen. Ein großes Thema auch für Amrum, denn die Insel ist vermieterseitig sehr kleinteilig organisiert: 40 Prozent haben weniger als zehn Betten im Programm. Insgesamt stellt diese Gruppe rund 3.700 Gästebetten zur Verfügung, beherbergt 45.000 Gäste, die 400.000 Mal übernachten. Das ist gehörig! Aber private Kleinvermieter, die kein Gewerbe angemeldet haben, gehen bisher leer aus bei den schnellen Corona-Finanzhilfen. Die Petition findet auch unter Amrum-Fans viele Unterstützer. „Covid 19: Finanzielle Soforthilfe für den Tourismus“ ist auf der Plattform Change.org gelistet und kann dort unterschrieben werden.

Am „ual aanj“, dem Kliff zwischen Nebel und Steenodde, draußen am Watt steht ein kleiner, dichter Tannenbaum. Ganz allein auf weiter Flur – wie ein Vorbild für unser Verhalten in dieser Zeit. Aber jemand hat ihn mit bunten Eiern  geschmückt. Und da Abstandhalten ja die neue Form von Nähe ist, hat das bunte Gestrüpp auch etwas Anheimelndes. Auch süß: Der Kindergarten hat den Kiddies Osternester nach Hause gebracht.

Pizza to go bei Dörnk an Köögem

Die Insulaner machen mobil, was geht: Lieferdienste, Webshops, schöne Plätze: Die Norddorfer Strandkorbvermieter haben gestern die Saison eröffnet und ein paar Strandkörbe rausgestellt – for free. Die Buchhändler fahren Bestellungen über die Insel und posten Lesetipps. Die Landfrauen nähen Gesichtsmasken für ein Krankenhaus aus dem Festland, das keine mehr hat.

Natürlich haben die meisten Läden zu, aber ab und an poppt einer auf: Die Fischbutze hatte für einen Nachmittag geöffnet und macht das nächste Woche gleich nochmal. Im Dörnsk an Köögem gibts die ganze Pizzapalette to go.

Macht jetzt Kuchen mobil: Bäcker Henning Claussen (l.) mit Team

Bäcker Claussen verschickt mit seiner Mannschaft Amrumer Rosinenbrot und Friesenkekse nach Werweißwohin aufs Festland. Und sonst? „Warten, dass es wieder los geht!“, sagt Henning Claussen. Der Blick auf die Insel? „Eigentlich wie im Winter.“ Der Bäcker aus Nebel hat zwölf Mitarbeiter am Start in zwei Filialen. Die Idee mit dem Online-Shop hatte er schon länger im Kopf. Jetzt hat er sie spontan umgesetzt. Die Amrumfans draußen bestellen, bestellen, bestellen. „Für 600 Euro Porto haben wir schon Backwaren verschickt, die Kartons holen wir uns von überall auf der Insel.“ Die sechs Leute in der Backstube arbeiten umschichtig, drei diese Woche, drei in der nächsten. „Es ist ja viel weniger Arbeit da.“ Claussen beliefert normalerweise täglich auch die Kurkliniken und das Frühschiff der Wyker Dampfschiffs-Reederei. „Fällt jetzt alles weg, allein das sind 1.500 Brötchen jeden Tag.“ Keine Kurgäste, keine Schiffs-Gastro – und überhaupt: Sonderfahrplan, nur noch zwei Fähren am Tag

Werbung für all die inselweiten Corona-Selbsthilfe-Projekte verbreitet sich schnell. In Amrums beliebtester Facebook-Community, der Gruppe „Amrum ;-)!!“, lassen die Admins derzeit Werbung zu: Ob Yoga, Pizza, Kuchenversand, Kochshows vom Hotel Seeblick – „Wir lassen alles in der Gruppe stehen“, sagt Betreiber Oliver Peters. „Weil jeder Euro jetzt für jeden auf der Insel zählt.“ In der Community, wo sich mittlerweile über 10.000 Leute täglich treffen und austauschen, ist seit „Corona“ Hochsaison. Es muss viel gelöscht werden. „Die Leute haben Zeit, die Gemüter kochen über“, sagt Peters. „So viel Stress hatten wir Admins noch nie.“ Wir haben dieser Tage mit ihm telefoniert, das Gespräch gibts demnächst hier auf Amrum-News.

Christoph Mossmann von der Bio-Düne

Der kleine Bio-Markt der Insel hat Schwierigkeiten die Mindestbestellmenge zu erreichen – und dennoch auf. Drei Leute gleichzeitig dürfen bei Christoph Mossmann derzeit in seine „Bio-Düne“, so hat jeder viel Einkaufsraum für sich. Die Kunden kaufen jetzt mehr Mehl und mehr Hefe. „Die sind zuhause und backen viel“, sagt Mossmann. „Ich arbeite derzeit in einem Spannungsfeld. Meine älteren Stammkunden haben Angst um ihre Gesundheit, die anderen um ihre Existenz.“ Zwei Mal die Woche bekommt er noch Ware. Es bleibt viel übrig. Er würde gern noch weniger bestellen, aber die Großhändler halten an Mindestmengen fest. „Für die bin ich mit meinem Umsatz nur eine kleine Leuchte. Betriebswirtschaftlich gesehen, wäre es besser, den Laden zuzumachen“, sagt Christoph Mossmann. Macht er aber nicht. „Ich sehe mich in der Pflicht, meinen Beitrag zu leisten. Ich bin durch und durch überzeugter Öko“, sagt er und lacht. „Ich liebe mein Gemüse!“ Sein Blick auf die Insel derzeit: „Mich fasziniert die Ruhe. Es ist so friedlich. Mehr Tierspuren am Strand als Fußabdrücke. Wir haben hier eine riesige Natur, die uns auch in gewisser Weise schützt. Und unendlich viele, leere Quarantäne-Wohnungen; ein gewisser Puffer ist also da.“

Kleiner Ostergruß …

Die St. Clemens-Kirche ist auf, die Glocken gehen – jeden Mittag um 12 Uhr auch zum „Hoffnungsleuten“. Oft ist jemand da, der gut tut. In kleinen Stapeln liegen Andachtstexte aus, Gesangbücher und verschiedene Gebete für den Tag. Vor dem Altar brennt die Osterkerze, es gibt Teelichte und frische Blumen. „Wir bleiben ein Ort, an dem man sich Anregungen holen kann“, sagt Pastorin Martje Brandt. Alles, was in der Kirche gedruckt liegt und sonntags neu hinzukommt, ist auch auf der Homepage (www.amrum-kirche.de) nachzulesen. Dort ertönt live die Kirchenglocke – satte 80 Sekunden, der Segen ist eingesprochen, Musik ist zu hören. Wer mag, kann sich für einen Newsletter mit Texten und Bildern anmelden: per Mail an pastorin.brandt@amrum-kirche.de. Das Highlight jeden Abend: Um 19 Uhr steigt Kirchenmusikerin Anne-Sophie Bunk mit Trompete in den Turm und spielt „Der Mond ist aufgegangen“. Die Pastorin steht vor der Kirche und singt. Und manch Insulaner mit. „Das Lied trägt“, sagt Brandt berührt. „Das ist alles drin. Es ist genial.“

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Über Undine Bischoff

Journalistin und Texterin. Fuhr mit drei Jahren zum ersten Mal über den Kniep – in einer Schubkarre. Weil ihr Vater da draußen eine Holzhütte baute, zwanzig Feriensommerjahre lang. Betextet Webseiten und Kataloge, schreibt für verschiedene Medien und natürlich für Amrum News.

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