Tag X: Montag, 18. Mai …


Findet die Insel gespenstisch leer: Volker Runge

Kommen da noch mehr oder bleibt das jetzt so?

„Gespenstisch“. Mit Volker Runge hat man als Journalistin richtig Glück. Dem Ahrensburger kommt die Insel gespenstisch vor – gespenstisch leer. Runge kommt seit über 25 Jahren und hat Amrum zu dieser Zeit noch nie so leer erlebt. „Ich weiß noch nicht genau, wie ich das finde. Kommen da noch mehr oder bleibt das jetzt so?“ Solche Beobachtungen sind Gold wert für uns, die wir seit zwei Monaten  in absoluter Leere und Stille auf dieser Insel lebten und jetzt plötzlich die Riesenkarawane heranrollen sehen. Da ist „gespenstisch leer“ doch mal ein interessanter Blickwechsel. Ist was Komisches zu spüren wegen Corona? „Nein, überhaupt nicht“, sagt Runge sofort. „Das hat damit gar nichts zu tun. Es ist einfach nur diese Leere.“ Er sitzt auf einer Bank in Nebel-Downtown, wo er oft sitzt, wenn er Menschen sehen will. „Das ist das schöne an der Insel“, sagt er. „Wenn ich viel will, sitze ich hier. Wenn ich wenig will, gehe ich raus in die Dünen und an den Strand.“

Endlich wieder Lücken bei den Radverleihern!

Montag, 18. Mai. Tag X – oder A. A wie Anreise. Besetzt bis auf den letzten Punkt waren die Fähren. Alles ist genau gekennzeichnet mit roten und grünen Punkten, Wegweisern und Verhaltensregel-Schildern. Selbstbedienung mit genauer Richtung und Abstands-Klebeband am Boden. Kontaktverbot steht an erster Stelle und so auch der Mindestanstand – sorry: -abstand. Ironischerweise ist dies jedoch nur auf jeweils die eigene Sitzbank bezogen, denn der Nachbar im Rücken sitzt nur 30 cm weg. Die Stimmung bei den Gästen war freudig und frei: „Endlich wieder unser Amrum.“ Die Insulaner sehen diesen „Erstansturm“ mit gemischten Gefühlen, denn jetzt heißt es von null auf hundert in ein paar Tagen. „Natürlich freuen wir uns über unsere Gäste, wir wünschen sie uns, und wenn jeder sich bitte zurücknimmt und an die Regeln hält, dann schaffen wir das auch, aber ein bisschen fühlen wir uns überrollt“,  berichtet eine Insulanern, als sie die Autos von der Fähre fahren sieht. Dazu Massen von Menschen – bemundschutzt.

Da die Insulaner vom Hulken ja das Verkleiden kennen, ist das Maskenhafte nicht so befremdlich. Die Wyker Dampfschiffs-Reederei hatte alles im Einsatz, was schwimmt, und reagierte spontan: Als es nötig wurde, routete man kurzerhand eine Fähre direkt nach Amrum um. Die Kapazitäten an Bord waren begrenzt – laut Webseite auf 450 Fahrgäste pro Schiff und Abfahrt.

Auf der Insel war es dann voll – der Bus, die Inselstraße. Viele Fahrzeuge mit Fahrrädern. Kleine Schlange gleich beim Bäcker Claussen in Nebel. „Da hat man viel reden müssen, Maske und so, und bitte so rum anstellen – aber das spielt sich ein“, sagt eine aus dem Bäcker-Team. Und wie sieht die Wir-halten-Abstand-Schlange zu Pfingsten aus? „Na, wir haben drei Stationen: Nebel, Süddorf und Wittdün. Wenn sie sich irgendwo treffen, kann man ja gucken, in welche Richtung man sich wendet, wo es dann kürzer ist“, witzelt es. Leere Brotregal beim Bäcker; und auch endlich wieder Lücken beim Fahrradverleih – da gingen schon wieder jede Menge Leihräder auf die Piste.

Mit Humor geht’s: Birgit Friedrichs hinter „Glas“

„Bisschen angespannt noch“, sagt Birgit Friedrichs vom Hotel Friedrichs in Nebel. „Wir müssen ja alle erst mal gucken, wie das so läuft und wie man jetzt was macht.“ Wo sich im Restaurant Bänke nicht verrücken ließen, hängen große Bilderrahmen als Abstandhalter zwischen den Sitzgruppen – mit Fensterglas drin. „Ist prima, sieht gut aus und wir können sie später weiter verwenden“, sagt die Chefin. Im Gastraum ist Luft und Licht, alle paar Stunden schließt das Restaurant für eine Viertelstunde, in der einmal Desinfekt-Grundrein gemacht wird. Speisekarten werden nach jeder Bestellung gereinigt, Meldezettel liegen bereit – alles in Recht und Form und sieht trotzdem leicht aus. So kann man sich vorstellen, dass Essengehen vielleicht doch ein Genuss bleibt. Mit zeitversetzten Reservierungsmöglichkeiten will man zusätzlich Gedrängel vermeiden.

Der Satz der Tages: „Ich nehme nicht an der Maskenpflicht teil.“ Der Mann, der das sagte, musste draußen bleiben. Seine Zeitung bekam er trotzdem. Nebenan im Edeka-Markt in Nebel lief es ganz gut. „Wir hatten nur einen Kunden, der sich nicht so gut benahm“, sagt Cornelius Bendixen. Draußen stand mit offener Tür der Lieferwagen, randvoll mit fertig gepackten Körben. Wie läuft der Bring-Service? Viel mehr als sonst“, sagt Bendixen. „Schon ab dem ersten Tag, als klar war, dass die Inseln aufmachen, gingen die Vorbestellungen ein.“

Heiko Müller in Wittdün, Chef des Zentralmarktes, hatte eigentlich nur 45 Einkaufswagen vor die Tür gestellt. Ja, mein Gott, als die weg waren, hatten eifrige Einkäufer mal eben die restlichen zehn losgeknotet und in die Freiheit des Ladens entlassen. Entspannt soll es aber auch damit noch gewesen sein. „Wir haben vorher Stellprobe gemacht, und das hat auch alles ganz gut gepasst.“ Angesichts der Massenschieberei zu „normalen“ Gutwettersaisonzeiten dürfte das dieser Tage sogar ein ziemlich angenehmes Einkaufserlebenis sein! Bei der Bio-Düne nebenan kann sich jeder ein Holzkärtchen nehmen, wenn fünf weg sind, ist der Laden voll – so die Regel. Hat gut funktioniert.

Ab ins Wasser – endlich!

Lange gewartet hatten dafür die Boote des Amrumer Yachtclubs, die jetzt endlich das Winterlager verlassen und wieder ins Wasser konnten. 25 Boote setzte der Kran letztes Wochenende rein. Eigentlich war das schon für Ende April vorgesehen, die Corona-Pandemie machte auch hier einen Strich durch die Rechnung. Für das kommende Wochenende haben sich auch schon wieder zahlreiche Gastlieger angekündigt.

… und anno 1800 im Öömrang Hüs

Im Öömrang Hüs, dem kleinen Museum, war die Tür auch wieder auf. Die drei Gäste des ersten Tages hatten viel Raum für sich. Man wusste kaum welches Thema interessanter war: Die Geschichte eines uralten Friesenhauses oder die Einsame-Insel-Zeit der letzten zwei Monate plus Turbostart. „Wenn ich mir das Personal bei uns im Hotel angucke, dann kann ich die nur bewundern“, sagt eine Lady aus Springe, die seit Jahren kommt und derzeit im Hotel Seeblick wohnt. „Ich würde durchdrehen mit all den Regeln. Das ist auch als Gast ganz schön anstrengend, da habe ich vorher gar nicht so drüber nachgedacht.“ Froh, auf der Insel zu sein und durchatmen zu können, sind sie alle. Und einig auch, dass es sich einspielt.

Volker Runge aus Ahrensburg hatte bereits im letzten Jahr für diesen Anreisetermin gebucht. Genau genommen für Samstag, den 16. Mai.  „Ich habe echt  gebangt. Es war auf Kante, aber es hat geklappt.“ Jetzt hat er noch einen Tag dran gehängt.

Schöne Ferien allen, die jetzt hier sind und noch kommen!

Mitarbeit: Kinka Tadsen, Ralf Hoffmann

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Über Undine Bischoff

Journalistin und Texterin. Fuhr mit drei Jahren zum ersten Mal über den Kniep – in einer Schubkarre. Weil ihr Vater da draußen eine Holzhütte baute, zwanzig Feriensommerjahre lang. Betextet Webseiten und Kataloge, schreibt für verschiedene Medien und natürlich für Amrum News.

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