Diesmal schreibt uns Monika Wall über ihr Amrum.
Amrum – das erste Mal Juli 1967 und die Folgen
Mit der Bahn und einem kleinen karierten Stoffkoffer reiste ich an. Allein, 19 Jahre alt, zum ersten Mal nach Amrum. Die Bedenken der Eltern mit dem Versprechen, zwei Freundinnen kommen später, beschwichtigt. Die Fahrt auf der Fähre war für mich, ein Stadtkind, ein erster, vielversprechender Beginn meiner Begegnung mit Amrum. Über den Fähranleger aus dicken Balken und Planken per Bus nach Nebel. Dort erwartete mich an der Haltestelle ein großer, hagerer Mann mit Kapitänsmütze
„Sie sind also das Frolleinchen aus Berlin.“
Antonius Paulsen, an die achtzig Jahre, schnappte sich meinen Koffer und wies mir den Weg zu einem wunderschönen alten Friesenhaus in der Lungjaat.
Mein Reich für die nächsten drei Wochen war ein kleines Gartenhäuschen hinter dem Haus am Ende des Gartens. Ein Bett, 1 Schrank, 1 kleiner Tisch mit Korbstuhl,, Handwaschbecken in der Scheune. Das alles für 5,00 DM pro Tag und 0,50 DM für die Küchenbenutzung im Haus. Dort waltete Helene Paulsen und begutachtete das Kaffeekochen mit Porzellanfilter und dazugehöriger Filtertüte mit aufmerksamen Blicken – vermeintlich norddeutsch, kühl . Die übrigen Gäste, urlaubsmäßig gut gelaunt, kamen aus Bremen und Berlin. Unter ihnen Inge Wolffberg, eine Kabarettistin der Berliner Stachelschweine. Sie nahm mich unter ihre Fittiche und so frühstückte ich des Öfteren mit ihr im Sküll, was ihr Privileg als Stammgast war.
Schnell realisierte ich, dass der Weg zum Strand nicht nur ziemlich weit schien. Es war ein Fußmarsch von ca. 45 Minuten bis zur Wasserkante mit den untauglichen Riemchenschuhen! Doch Laufen war ich gewohnt, das machte mir nichts aus. Bis ich die Blaue Maus entdeckte aber davon später.
Am ersten Abend erkundete ich das Dorf und war begeistert. Ich war zum ersten Mal auf einer Insel und noch dazu mitten in der Nordsee, kurz vor Dänemark also „jottwede“! Janz weit draußen, wie der Berliner sagt. Statt mehrstöckiger Mietshäuser kleine, reetgedeckte Friesenhäuser. Am Ortsrand die Mühle, die Kirche mit Friedhof mitten im Ort, Lachen und großes Hallo aus dem Kinderheim Friedrichs, gegenüber die Gaststätte Inselkrug, Postamt und das Bahnhofshotel, getrennt durch die Straße nach Norddorf, eine überschaubare Welt.
Im Inselkrug saßen Familien und ließen beim Essen den Tag ausklingen. Dort kehrte ich ein und setzte mich mutig an den Tresen. Schnell kam ich mit Uwe Jöns ins Gespräch, der mich irgendwann fragte:
„Schon mal Krabben gegessen?“
„Nee, noch nie!“
Er verschwand in der Küche, kam mit einem Teller, auf dem ein Berg gepulter Krabben lag, zurück, stellte ihn vor mich hin: „Na, dann iss!“
Seitdem liebe ich Krabben und habe sehr schnell das mühevolle Pulen gelernt.
Das Postamt wurde meine tägliche Anlaufstelle. Als Postangestellte durfte ich nach Vorlage meines Dienstausweises kostenlos telefonieren und lernte gleich die dort arbeiteten Saisonkräfte kennen. Man traf sich abends am Poststammtisch in der Blauen Maus, hatte sofort unzählige neue Kontakte, schloss Freudschaften, die noch heute bestehen. Der Heimweg ohne nächtliche Busverbindung nach Nebel war lang und nach einer durchtanzten Abend beschwerlich. So lernte ich mit 19 Jahren auf Amrum das Fahrradfahren.
Unterschätzt hatte ich mein Budget. Mein Taschengeld ging zur Neige. Auf einem Postamt in Berlin tätigte meine Mutter eine Zahlungsanweisung am Schalter. „Da war ihre Tochter wohl zu oft im Friesen-Café. “ kommentierte der Postbeamte den Vorgang..
Die Zeit verging wie im Fluge. Strandtage, Helgolandfahrt mit Wellengang, Abendfahrt in See, Pharisäer und Inselfeuer, Sonnenuntergänge am Strand, mit dem Fahrrad bei Ebbe über die Sandbänke, Baden bei Sonnenaufgang, der weite Himmel. Das Leben war einfach schön!
Mein 1. Seemannspatent erhielt ich von Kapitän Tadsen auf der MS Hansa, nachdem ich das Schiff unfallfrei gesteuert hatte. Dessen Haus in den Dünen war ein Traumziel von mir. 1969 war es soweit, ein Zimmer unterm Dach in Strandnähe und der Beginn einer lebenslangen Freundschaft mit der Familie Tadsen. Als Gerda Tadsen mich einmal nicht beherbergen konnte, verwies sie mich 1977 an Moni und Benne Tadsen. Dort wurden wir Stammgäste mit Familienanschluss. Bei Ihnen werden wir wohl für den Rest unseres Lebens „urlauben“ und zusammen Familienfeste feiern.
Meine beiden Kinder wuchsen quasi in den Ferien auf Amrum auf. Mitunter waren es die Oster-, Sommer- und Herbstferien. Wir verbrachten dort Weihnachten mit den Omas und Opa, erlebten diverse Silvesterfeiern, bestaunten das Hulken, umrundeten unzählige Male die Nordspitze – die Wanderung wird inzwischen immer kürzer. Wir alle lernten neben dem Pulen von Krabben auch das Putzen von Miesmuscheln, sammelten im Laufe der Zeit stattliche Muschelberge und trockneten Seesterne. Mein Sohn „heuerte“ auf der MS Eilun an, verschwand zu Beginn der Ferien schon vor dem Frühstück an Bord und verbrachte seine Ferientage mit der erweiterten Crew aus Gastkindern.
Es war ein Glück, dass meine ganze Familie auf Amrum glücklich ist und immer wieder gern die Insel besucht, inzwischen auch 4 Enkelkinder. Danke an die vielen Vermieter die uns gastfreundlich beherbergten:
Antonius und Helene Paulsen, Gerda und Helmut Tadsen, Amanda Urbans („Sie sagen aber nicht, dass sie nicht verheiratet sind.“), Familie Domeyer, Familie Behder, Frau Riewerts, Maike Tadsen mit „Duk Di“ und immer wieder Moni und Benne Tadsen.
Auf meinem Fensterbrett steht ein Glas mit Amrumer Sand, Muscheln und Seesternen. Oft blicke ich auf die Amrumer Dünen, denn im Wohnzimmer hängt ein großes Bild, das mein Mann gemalt hat. Sobald es möglich ist, packe ich wieder meinen Koffer, es ist nicht mehr der kleine Stoffkoffer, die Fähre ist gebucht und die Vorfreude groß. Amrum ist nicht mehr weit!
Wie wahr, wie wahr.
Tolle Geschichte(n) dies ist nr. 4
Lese sehr gerne eure Kolumne und manchmal wird man wie in einem spannenden Buch abgeholt. Das erzählen und das schreiben fesselnd.
Danke schön für eure Zeit die ihr euch nimmt um die Zuhause gebliebenen zu unterhalten.
LG Familie Zeutzem