Neue Fotoausstellung zeigt Amrumer Strandburgen …


Jens Gerdes vor dem Foto von Achims Hütte, eine der wenigen Strandburgen, die heute noch steht und besucht werden kann …

Wie zurückgelassene Filmkulissen stehen sie da, am scheinbar endlosen Strand von Amrum. Ein Stückwerk aus Holzmasten, Planen, Fischernetzen und Paletten. Provisorisch zusammengezimmert. Beinahe wie gestrandete Schiffe sehen die Bauwerke von weitem aus: Die Amrumer Strandburgen.

Inspiriert von ihrem kulissenhaften Anblick wurde auch der Kunstfotograf und Treibholzkünstler Jens Gerdes, als er die Burgen vor knapp 10 Jahren das erste Mal sah. Diese bunten Bauwerke, die wie Fremdkörper am nahezu vegetationslosen Strand wirkten, hatten sein fotografisches Auge und seinen kreativen Geist geweckt. Ein einfaches Foto war Jens nicht genug, es musste eine Inszenierung werden! So kunstvoll die Burgen bei Tageslicht auch waren, so leblos und gewöhnlich erschienen sie ihm auch. Vielleicht fast ein wenig traurig, aus ihren kaputten und durchlöcherten Resten. Ein Zustand, der ihrer teils beeindruckenden Größe und der Detailliebe der Erbauer nicht gerecht wurde. Und so startete Jens im Jahr 2016 ein fotografisches Langzeitprojekt, das erst 2019 endete.

Jens Gerdes erläutert, wie er den Innenraum der Panchos Burg in Szene gesetzt hat …

Ein Teil dieser Arbeit ist unter dem Titel Strunborags – wie die Strandburgen im Amrumer Friesisch heißen – seit kurzem im Norddorfer Gemeindehaus ausgestellt. Und was ist nun das Besondere an Jens` Inszenierung? Er fotografierte die Burgen bei Nacht. „Am besten bei Vollmond“, erläutert Jens. „Ich brauchte möglichst viel natürliches Licht.“ Hinzu kamen drei bis vier weitere künstliche Lichtquellen, meist Baustrahler und Taschenlampen. Ähnlich wie am Filmset wurden die Burgen dann von allen Seiten angestrahlt, um die kleinen Details auch in der Nacht sichtbar zu machen. Mithilfe von Langzeitbelichtung und viel Geduld entstanden schließlich Kunstwerke, die beinahe aus sich selbst heraus strahlen. Die Farben sind satt, die Hütten scheinen plötzlich voller Leben, einladend und gemütlich, oder feierlich majestätisch. „Teilweise brauchte ich sechs bis sieben Stunden bis ich das perfekte Motiv hatte. Manchmal war ich selbst dann noch nicht zufrieden und musste in der nächsten Vollmondnacht wiederkommen.“, erinnert sich Jens. Was den besonderen Reiz der Bauwerke für den Fotografen ausmachte, war auch ihre Vergänglichkeit. „Wie Filmkulissen werden sie auf- und wieder abgebaut. Sie stehen nur für einen gewissen Moment. Bis die nächste große Flut sie wieder mitnimmt.“

Dieses Schicksal ereilte viele der Amrumer Strandburgen. Früher sollen es mal an die 50 gewesen sein, so hört man. Entstanden aus dem, was das Meer so hergab. Und erfinderisch waren die Amrumer schon immer – und freiheitsliebend. Und so entwickelte sich eine Tradition, die für Unabhängigkeit und Freiheit stand, fern jeder Regeln und Zwänge. Die Hütten waren Treffpunkt der Insulaner, es wurde gefeiert, getrunken oder gemeinsam gebaut. Bei Unwetter boten sie Spaziergängern Schutz. Offiziell erlaubt war der Burgenbau nie – doch geduldet wird er bis heute, solange er nicht überhand nimmt. Denn die Strand- und Dünenlandschaft der Insel ist streng geschützt. Und Müll, vor allem Plastikreste, gehören hier selbstverständlich nicht hin.

Die bekannteste aller Hütten: Panchos Burg, die 2017 abgerissen werden musste

Doch heute stehen nicht mal mehr zehn der kunstvollen Bauten. Vielen von ihnen wurden Opfer schwerer Sturmfluten. Die berühmteste Hütte, die sogenannte Panchos Burg, musste 2017 wegen Einsturzgefahr abgerissen werden. Sie war eine – wenn nicht gar DIE – Attraktion der Insel. Errichtet hatte sie der Amrumer Künstler Otfried Schwarz, genannt Pancho, bereits in den 90er Jahren, immer wieder erweitert oder neu erbaut. Jens hatte das große Glück, auch diesen zweistöckigen Koloss noch fotografisch festhalten zu können.

Von den insgesamt sechs im Norddorfer Gemeindehaus ausgestellten Strandburgen stehen heute nur noch zwei auf der Insel. Wer sie besuchen möchte, muss wachen Auges den weiten Kniepsand entlang spazieren. Oder nimmt sich einen der großformatigen, hochwertigen Fotodrucke mit nach Hause. Die Bilder sind im Format 50×70 cm auf edlem Hahnemühle Papier gedruckt und können nicht nur bestaunt, sondern auch gekauft werden. Die schlichten Holzrahmen sind ebenfalls vom Künstler selbstgebaut. Wem Platz oder das nötige Kleingeld fehlt, für den bietet Jens kleinere, ungerahmte Drucke an. Ein ganz besonderes Inselsouvenir! In Erinnerung an den Urlaub auf Amrum und in Erinnerung an die imposanten Strandburgen, die heute nur noch in Gedanken weiterleben…

Geöffnet ist das Gemeindehaus von Montag bis Freitag, 10-12 Uhr und 15-18 Uhr, samstags von 10-12 Uhr, sowie zu Abendveranstaltungen.

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Über Nina Löschner

Nina Löschner kam 1989 kurz vor dem Mauerfall in Ost-Berlin zur Welt. Aufgewachsen auf dem Brandenburger Land zog es sie nach der Schule zurück in die Hauptstadt. In Berlin studierte sie Kunstgeschichte und Englisch, arbeite anschließend im Projektmanagement eines Auktionshauses und schließlich sieben Jahre lang als Redakteurin für Funk und Fernsehen. 2022 nahm sie sich eine berufliche Auszeit und absolvierte einen Freiwilligendienst im Naturschutz auf Amrum. Doch die Insel ließ sie nicht mehr los - und so brach sie alle Zelte in der Hauptstadt ab. Heute arbeitet Nina als Leiterin der Schutzstation Wattenmeer in Wittdün.

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