Mehr als 18.000 km östlich von uns und zehn Stunden später schuften etwa 21 Teenager vor und nach der Schule in kleinen Nebenjobs, um sich einen Aufenthalt auf unserer schönen Insel Amrum leisten zu können. Denn: So ein Flug von Neuseeland bis Deutschland ist teuer. Wer ihr Engagement zusätzlich unterstützen möchte, darf das gerne über die Webseite GiveALittle machen.
Doch einmal der Reihe nach: An einem College in Porirua, einer Stadt rund 15 km nördlich von Neuseelands Hauptstadt Wellington, unterrichtet Elin Lorenzen Deutsch. Lorenzen, das klingt norddeutsch. Und tatsächlich kommt Elins Vater und weitere Teile der Familie von Amrum, die Ferien der Kindheit verbrachte sie immer auf der Insel. Mittlerweile lebt Elin seit einigen Jahren auf der etwas größeren Pazifikinsel, die Liebe zur Heimat aber blieb. Und so entschloss sie sich, den Schülerinnen und Schülern in Neuseeland Deutschunterricht zu geben. Das ist mittlerweile vier Jahre her und die Kinder haben richtig Freude an der Sprache und Kultur. Und das, obwohl Deutschland am anderen Ende der Welt liegt und die Anwendbarkeit der Sprache für die meisten Teenager ziemlich utopisch scheint. Das wollte Lorenzen ändern und begann eine Europa-Tour mit ihrer engagiertesten Klasse zu planen. Dass dabei Amrum auf dem Plan stehen würde, war Elin sofort klar. Und außerdem? “Wenn man die Kids fragt, wohin sie gerne wollen, kommt sofort Paris. Der Eiffelturm ist DAS Symbol Europas!”. Dazu noch Kopenhagen und Rom, ein kurzer Zwischenstopp in Köln und dann zurück. Insgesamt 16 Tage soll die Reise, die im kommenden April stattfinden soll, dauern.
Doch: Wer finanziert das Ganze? Insgesamt seien 190.000 NZD notwendig, umgerechnet rund 108.000 Euro. Bei 21 Schüler*innen ergibt das etwa 5.200 Euro pro Kind. Eine ganze Menge Geld. Zumal das Mana College in einem der ärmsten Teile Neuseelands liegt. Doch damit geben sich die Kids nicht einfach ab. Im Gegenteil: Die 15- und 16-Jährigen legen sich mächtig ins Zeug, um das Geld für die Europareise selbst zusammenzubekommen. Zusätzlich zu ihrem eigenen Engagement, wodurch der bislang größte Teil finanziert wurde, haben sie Ende März extra ein Crowdfunding-Projekt initiiert. Auf ihrer GiveALittle-Seite kann jeder einen kleinen Teil beisteuern, um diesen einmaligen Trip zu unterstützen. Mittlerweile sind gut 4.000 NZD zusammengekommen.
Doch damit nicht genug: Die Schülerinnen und Schüler sind sich für keinen Job zu schade. Ist der Unterricht vorbei, helfen sie der Gemeinde beim Unkraut jäten, Holzhacken, Häuser streichen oder kleinen Reparaturarbeiten. Sie verkaufen Bratwürste, veranstalten Kuchenbasare, Quizabende oder Tombolas. Einmal, so erzählt Darcy im Gespräch, habe er als Streckenposten beim Marathon Wasser und Snacks verteilt. Insgesamt sei das eine 24-Stunden-Schicht gewesen. Das war wirklich anstrengend, aber am Ende bekam er 1500 NZD für seinen Einsatz. Andere arbeiten am Wochenende in den Sportstadien, helfen bei der Endreinigung, sammeln Müll ein. Oft bis 1 Uhr nachts. Aber es lohnt sich – und es hat den Vorteil, dass sie kostenlos zu den Veranstaltungen kommen. Am meisten Spaß hatten die Kids bislang an einem selbstgemachten Hāngī. Bei diesem traditionellen Gericht der Maori werden verschiedene Fleischsorten mit Gemüse mehrere Stunden in einem Erdloch gegart. Zur anschließenden Disco kamen leider nur wenige Gäste, da die Jungs und Mädchen zu wenig Werbung im Vorfeld gemacht hatten. “Wir hatten trotzdem einen Riesenspaß! Das wollen wir unbedingt nochmal machen. Und dann bewerben wir das Ganze ordentlich und weit im Voraus”, erzählen die Teenager. Alles würden die Kinder aber auch nicht für Geld tun. Einmal wurden sie gebeten, ein paar lebensgroße Teddybären im Bus nach Wellington zu transportieren. Das kam ihnen merkwürdig vor und sie lehnten ab. “Ein illegaler Drogentransport wollen wir ganz sicher nicht sein”, sagen sie. Stattdessen planen sie noch auf vielen weiteren Märkten, u.a. auf den diesjährigen Weihnachtsmärkten, Verkaufsstände zu betreuen. Die Energie geht ihnen noch lange nicht aus, obwohl sie auf vieles verzichten müssen, um das benötigte Geld zusammenzubekommen. Sie opfern Freizeit, ihre Wochenenden, Schlaf.
Worauf die Schülerinnen und Schüler sich am meisten freuen? “Auf das Essen!”, sind sich die meisten einig. Sie sind total neugierig auf die deutsche Küche und wollen alles probieren. Aber auch die Wattwanderung, die Elin ins Inselprogramm integrieren möchte, fasziniert die Teenager. “Der Vorstellung, zwischen zwei Inseln wie Föhr und Amrum hin- und herwandern zu können, löst noch einige Skepsis bei den Kindern aus”, lacht Elin.
Und was steht sonst auf dem Programm für Amrum? Ein kleiner Kurs bei der Bäckerei Claussen ist bereits vereinbart. Und auch das Team von Amrum News hat sich etwas einfallen lassen: Wenn die Amrumer ordentlich spenden, wird ein kultureller Austauschabend mit der Trachtentanzgruppe und dem Shantychor auf die Beine gestellt. Dann gibt es Volkstanz gegen Haka (eine Maorische Kulturelle Aufführung), und Shantygesänge gegen traditionelle Maori-Lieder. In Vorbereitung darauf hat Elin ihrer Klasse bereits das Wort “Trachtentanzgruppe” beigebracht, das im Interview alle gemeinsam im Chor sagen. Die Lehrerin ist gerührt.
“Die Kinder schmeißen sich wirklich richtig ins Zeug, sie wollen diese Reise unbedingt.”, sagt Elin Lorenzen. Noch fehlt eine ganze Menge Geld, um den Traum von Europa zu verwirklichen. Die Vorbereitungen aber laufen auf Hochtouren: Bereits jetzt sind viele Gastfamilien auf der Insel gefunden, um die etwa 21 Schülerinnen und Schüler sowie vier Lehrkräfte unterzubringen. Englischlehrerin Anna Grütte ist optimistisch, dass bis zum nächsten Jahr für alle neuseeländischen Gäste die passende Familie gefunden ist. “Aber es ist ja nie verkehrt, ein paar Gastgeber als BackUp zu haben.”, sagt sie zum aktuellen Stand.
Wer also gerne ein wenig Welt in die eigenen vier Wände lassen will und den Teenagern von Übersee ein Zuhause für vier bis fünf Tage bieten möchte, darf sich gerne direkt bei Anna Grütte unter 0175-7641462 melden.