Vor 71 Jahren : Hausbau der Familie Jakobs in Steenodde und Havarie von MS „Ambronia“ im Jahr 1953


Das neue Haus in Steenodde

Auf dem Esstisch in der elterlichen Wohnung in Wittdün auf Amrum lag im Jahr 1952 Geld, für mein Verständnis viel Geld! Wozu braucht Vati so viel Geld? Wieviel es tatsächlich war, konnte ich, 7 Jahre jung, nicht ermessen, mir fehlte dazu jedes Maß! Taschengeld kannte ich nicht, für eine Kugel Eis im „Café Götze” genügte ein „Groschen“. ( 10 Pfennig)  Ein Brausepulver von „Frilo“, vom Handrücken zu schlecken, kostete nur 5 Pfennige. Geld hatte ich nur selten in meiner Hand.
Vati gab bereitwillig Auskunft, er sagte mir, dass Mutti und er in Steenodde ein Haus bauen wollen. Steenodde liegt gleich hinter dem Tonnenhafen und dort wohnte Maren , meine Freundin. Mir gefiel diese Vorstellung, denn die derzeitige Hauswirtin in Wittdün war nicht gerade freundlich zu uns, sie wolle uns „Beine machen“ , sagte sie einmal , was ich nicht verstand, denn ich wußte doch, dass ich Beine habe!
Unsere ganze Familie, damals 4 Kinder, Mutter und Vater , wanderten eines Tages, im Sommer 1952  von Wittdün, heute Haus „Kerrin“ nach Steenodde.

Bauzeit, Nachbarn, Hilfen
Wir haben das Grundstück angeguckt und bestaunt, fanden alles prima und schon bald wurde die Baugrube ausgehoben. Der Aushub war vorwiegend von heller, gelblicher Farbe, also sandig. Viele Lurche und Salamander bewohnten das Erdreich. mir gefielen diese niedlichen Tierchen, sie huschelten so eilig von dannen.

Die Verkäufer des Grundstücks, unsere späteren Nachbarn, waren Peter und Philippine  Kling , geb. Schmidt. Zum besseren Verständnis :  Philippine, von uns „Tante Pine“ genannt,  war eine Cousine von Inge Peters, geb. Schmidt, aus dem “Honigparadies” in Nebel. Inge Peters und ihr Mann Ernst Peters waren die Eltern von Julius Peters aus Steenodde.
Familie Kling betrieb eine kleine Bauernstelle mit einigen Kühen, Schweinen, Hühnern, einem Hund „Teffi” und  den Kaltblutpferden, „Franz“ und „Liese“. Diese Pferde zogen Pflug oder Egge und Ackerwagen. Zusätzlich transportierte Peter damit Fracht von der Steenodder Brücke in die Dörfer Amrums.
Nach Steenodde führte von Süddorf nur eine unbefestigte Wagenspur, erst in den späten 1950er Jahren wurde die Straße asphaltiert.
Die Nachbarschaft zu Pine und Peter auf der einen Seite und Familie Helmut (Heike) und Grete Martinen auf der anderen Seite, war unproblematisch, ja glücklich.
Im Haus Martinen lebten 4 Kinder.  Wir hatten  viele Spielgefährten in Steenodde, nach meiner Zählung gab es 25 schulpflichtige Kinder , die mehrheitlich friesisch sprachen, meine Eltern sprachen Hochdeutsch oder Plattdeutsch, so lernte wir Friesisch schnell und spielerisch!
Schon im Mai 1953 war der Umzugstermin, der Keller war fertig, das Erdgeschoss befand sich bisher nur auf dem Bauplan. Der Sommer war sehr warm, wechselhaft mit Sonne, Gewitter, Wind und Regen, so dass die Eltern oft auf der Grundfläche des Erdgeschosses Regenpfützen abfegen mußten, damit das Wasser nicht in unsere Wohnräume im Keller eindrang.
Der Bau ging weiter: Im August standen die Mauern des Erdgeschosses, das Dachgeschoß sollte errichtet werden, da passierte das Unglück  !

Fahrgastschiff Ambronia

An diesem wundervollen Sommertag,  5. August 1953, wir aßen gerade leckere Hefeklöße mit Blaubeeren und brauner Butter in  fröhlicher, großer Familienrunde, da ereilte uns die Nachricht: Vaters Fahrgastschiff „Ambronia” – vollbesetzt mit Passagieren – war vor der Odde mit einer Tonne kollidiert . Das Schiff  schlug leck und sank auf den Grund, war das Schiff mit dem Deck nur teilweise unter Wasser, da die Wassertiefe hier glücklicherweise sehr gering war.
Alle Schiffe von Augusts Kollegen waren schnell zur Stelle: Die “Hansa” von Helmuth Tadsen,  die “Wega” von Christian Hansen, die “Anna” der Tonnenleger von Familie Ricklefs. Alle Passagiere der „Ambronia“ kamen gesund und heil vom Schiff, doch der wirtschaftliche Schaden war für uns sehr bedrohlich.  Nachdem ein Taucher das Leck abgedichtet hatte, wurde die „Ambronia“ mit Hilfe von zwei Schiffen zur Reparatur in die Werft nach Husum geschleppt.
Der Chef der Husumer Werft, Hans Kröger, gab den Reparaturarbeiten an der „Ambronia” in seiner Werft den Vorrang, so dass sie  nach 14 Tagen wieder fahren und Geld verdienen konnte. Welch eine aufregende Zeit für uns !

Als Kind – mit 8 Jahren- war mir klar, dass so ein Unglück unsere Existenz bedrohen und damit der Weiterbau des Hauses gefährdet sein könnte.
Im Spätsommer dieses Jahres konnte Richtfest gefeiert werden und zwar im Tonnenschuppen von Gerhard Ricklefs. Ich durfte so viele Würstchen essen, wie ich möchte, sagte Vati. Die Würstchen waren klein , vielleicht 10 cm lang und 1 cm dick , doch ich konnte nur 3 davon essen, höchst bedauerlich für mich über viele Jahre.
Ende Oktober sollte der Umzug vom Keller in die oberen Räume erfolgen, doch es brauchte noch eine kleine Weile, bis das Haus bezugsfertig war. Die Temperaturen sanken, doch die Heizung konnte noch nicht arbeiten. Die Nachbarn boten uns  wieder eine große Hilfe an, wir konnten über eine längere Zeit im Haus von Meta und Gerhard Ricklefs im Tonnenhaus wohnen, bis unser Haus im Dezember 1953 bezugsfertig war und wir dort das Weihnachtsfest feiern konnten
Die Hilfsbereitschaft der Nachbarn in Steenodde war hervorragend, man half und machte davon keinen “Wind”!

Anke Petersen, geb. Jakobs

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