„Dass dir nach 14 Kalender-Jahren ‚Strandschönheiten‘ immer noch so viel Neues einfällt“, platzte es mir voll Anerkennung heraus, als der Künstler Matthias Menk seine zwölf neuen Strandschönheiten der Öffentlichkeit vorstellte. Kurz vor Eröffnung der Vernissage hatte sich vor dem Hoonwerk in Nebel schon eine lange Schlange Interessierter gebildet, die auf die Präsentation der neuen Figuren und Kalender warteten.
Auch ich kann mich immer wieder für diese kleinen, lebensbejahenden Kunstwerke begeistern. Auf den Fotografien im Kalender oder als Ansichtskarte wirken die etwa 15 bis 20 cm hohen Keramikfiguren lebensgroß. Sie gönnen sich im Freien eine kleine Auszeit, halten einen Moment inne, atmen durch und tanken Kraft. Zu jeder Jahreszeit scheinen diese ganz unterschiedlich geformten Charaktere Sonne, Wind und Wolken auf unserer Insel zu genießen. Matthias Menk gestaltet Archetypen Amrum-Verbundener, die Stimmungen transportieren und die Gefühle der Betrachtenden ansprechen.
„Die Stille fühlen“ nannte er seine neue Januar-Schönheit. ‚Ich nehme das Jahr, wie es kommt‘, scheint sie ganz ruhig zu signalisieren in ihrer türkisen Thermojacke, deren Muster mich an einen warmen Kachelofen erinnert und erst durch die Zweischichtigkeit der Farben entsteht. Er würde oft erstaunt gefragt, ob er als Töpfer denn überhaupt das ganze Jahr auf Amrum lebe, erzählte Matthias Menk. Doch gerade die Winterfiguren bereiteten ihm besondere Freude, sagte er. Man sieht es ihnen an. „So leicht“ schwebt die Februar-Strandschönheit im Wind, ganz wie das winterlich ocker-goldene Dünengras um sie herum. Dieses Jahr lag sogar ein bisschen Schnee, so dass die kommende Dezember-Schönheit nun ihre „Winterpause“ auf Amrum mit einer noch dampfenden Tasse Tee aus der Thermoskanne still genießen kann, dick eingemummelt in ein warmes Weihnachtsrot und ganz bei sich.
Welch‘ ein Unterschied zur überbordenden Lebenslust der Strandschönheit „Weinwanne“, im November! Da genießt eine temperamentvolle Rothaarige ein Glas Rotwein in ihrer überlaufenden Badewanne am Strand im Abendlicht. Einfach herrlich, eine ganze Szenerie.
„Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, den kleinen Tisch aus Strandholz zu bauen, einen Mini-Korken zu schnitzen und das Etikett für die Flasche zurecht zu basteln“, freute sich der Künstler über die gelungenen Details, die seine Skulpturen begleiten und auch vom Publikum geschätzt werden. Keine Viertelstunde war die Ausstellung eröffnet und die „Weinwanne“ verkauft. Wie gut, dass es den Kalender gibt, sogar online gibt: https://www.strandschoenheiten.com/shop/
Kommt Ihnen die Coverfrau des Kalenders 2025 auch irgendwie bekannt vor? Selbstbewusst, patent, ein bisschen handwerkermäßig, hat sie sich eben nur mal kurz was übergeworfen da oben am FKK-Zeltplatz – eine längsgestreifte „Leuchtturm-Latzhose“. Ja, wie cool ist die denn?!
Mal sind es die Farben oder die Atmosphäre einer Landschaft, mal besondere Beobachtungen oder der Reiz, einen Stoff oder eine Struktur in Ton umzusetzen und manchmal ist es ein besonderes Artefakt, das den Künstler zu einer Strandschönheit inspiriert.
So war ein trashiger Melonen-Sonnenschirm, den ihm jemand geschenkt hatte, die Inspiration für die Strandschönheit im trägerlosen Melonen-Badeanzug mit diesen schönen Spiegelungen im Meer. Lecker und erfrischend so ein „Wassermelonen-Sommer“ – vielleicht wird der nächste ja wieder so heiß, wer weiß?
Dass es nach der besonders frühen, prachtvollen Heideblüte in diesem Jahr endlich auch auf Amrum eine „Heideblüten-Königin“ geben musste, gerade rechtzeitig fotografiert im Wald vor der Süddorfer Aussichtsdüne, leuchtet ebenso ein wie das im Frühjahr aufgetragene Algengrün auf der rot-weiß karierten Hose der ganz glücklich wirkenden Strandschönheit in Wittdün, verwandelt sich Amrums Südseite derzeit doch verblüffend schnell und großflächig in eine Salzwiese.
Das ist der Frau in der Jeansjacke sicherlich auch aufgefallen. Die einzige Strandschönheit mit offenen Augen. Sie scheint an Vielem interessiert, hat einen Stapel Bücher dabei. Bestimmt war sie mit dem Fahrrad unterwegs, um so ein schönes Plätzchen zum Lesen zu finden. Gerade hat sie ihre „Dünenlektüre“ unterbrochen und sinniert über irgendetwas nach.
Für mich sind diese, von Matthias Menk für den Jahreskalender wunderbar passend in die Amrumer Landschaft gesetzten Keramikfiguren mehr als zweckgebundene Skulpturen und wertvolle, individuelle Souvenirs, die uns an Momente erinnern, die wir selbst vielleicht so oder ähnlich erlebt haben.
Es sind kleine Kunstwerke, die zu Assoziationen anregen und uns Geschichten erzählen – die des Künstlers, Ihre oder meine.
Die Strandschönheit mit den niedlichen Sommersprossen im grün-weiß gestreiften Bikini für den kommenden Juni hat ihre ganz eigene: „Ich wollte unbedingt einmal eine Strandschönheit auf der Himmelsleiter in Norddorf fotografieren“, berichtete Matthias Menk über den Tag der Aufnahme. „Gewöhnlich soll die Landschaft menschenleer sein, wenn ich meine Figuren fotografiere. Doch an diesem Tag war es voll, und es waren immer wieder interessierte Beobachter auf der Himmelsleiter, wie dieser Junge, der von oben auf der Düne so herrlich neugierig das Geschehen zwischen den beiden Wegen verfolgte.“ Also durfte er ausnahmsweise mit auf das Foto von der Strandschönheit „Ich bin ja so verschossen in deine Sommersprossen“.
Auch ohne ihren jeweiligen Landschaftskontext erzählen die Strandschönheiten Geschichten, ganz andere Geschichten vielleicht – und auch das ist wunderbar. Die Strandschönheit im Bikini mit den schwarzen Punkten hat Matthias Menk auf einen modernen Stuhl gesetzt. Sie genießt darauf im September die letzten Sonnenstrahlen am Strand. Das grafische Muster ihres Bikinis passt sehr schön zu ihrem hellbraunen Hautton. Sie könnte eigentlich überall sitzen, ob an einem See, an einem Pool, auf dem Balkon oder einer Terrasse, drinnen am Fenster oder in fröhlicher Gesellschaft wie auf der Vernissage. Überall würde sie eine gute Figur abgeben, sogar ganz allein im Wartezimmer einer Untersuchung. Sie ist mit sich im Reinen und dem Leben zugewandt. Eine wirklich ermutigende Schönheit, finde ich.
720 bis 850 Euro kosten die Unikate im Hoonwerk. Der große Jahreskalender 2025 (DIN A 3) ist für 29 Euro zu haben, der kleine (DIN A 4) für 20 Euro. Neun der zwölf neuen Strandschönheiten standen oder saßen auch für Ansichtskarten Modell. Die gibt‘s wie viele schöne aus den letzten 14 Jahren für Stück 1,50 Euro.
Und bevor ich es vergesse: In diesem Jahr gesellte sich natürlich auch wieder ein Quotenmann zur Vernissage im Hoonwerk, ein gestandener Seebär. Elf Strandschönheiten warteten schon auf ihn, aber er hatte seinen Anker längst geworfen und war nicht mehr zu haben.
Hoonwerk, Uasterstigh 9a in Nebel auf Amrum. Geöffnet Mo- Frei 11-17 und Sa 11-13 Uhr. Kontakt: strandschoenheiten@gmx.de
Astrid Thomas-Niemann ist gelernte Schifffahrtskauffrau sowie studierte Sprach- und Erziehungswissenschaftlerin.
Sie hat viele Jahre als Schifffahrtsanalystin gearbeitet und lebt seit 2015 in Wittdün. Als junge Frau kam Astrid 1981 das erste Mal auf die Insel und besuchte auf Zeltplatz II die Niemanns aus Hamburg, die Amrum seit 1962 urlaubsmäßig die Treue halten, inzwischen bereits in der 4. Generation.