Amrumer Details 08 – Amrums Hochwassermarken …

Es gibt auf Amrum mehrere Stellen an denen sich man gut über die Auswirkungen von extrem hohen Wasserständen der Nordsee informieren kann. In Norddorf sind im Strunwai am Gebäude von „Foto Quedens“ und in Nebel im Böle Bonken-Wai am Friesenwall des letzten Hauses auf der rechten Seite Markierungstafeln zur Erinnerung an bedeutsame Sturmfluten angebracht. Ebenfalls im Nebel steht an der Wattseite ein Pfahl an dem entsprechend stattgehabte Hochwasser-Pegelstände angezeigt werden. Den Pfahl findet man am einfachsten, wenn man schräg gegenüber dem Edeka-Kaufmann den Krümwai durch die Häuserfronten in Richtung Watt geht.

Hochwassermarke in Norddorf

Sturmfluten gab es schon immer und wird es auch in Zukunft geben. Auch der Anstieg der Meeresspiegel, bedingt durch den Klimawandel, beunruhigt nicht nur die Menschen auf der Insel. Im Gegensatz zu anderen Regionen in Deutschland sind die Küstenregionen der Nordsee inklusive den Inseln und Halligen schon immer mit den Folgen von extremen Wetterbedingungen konfrontiert gewesen und es sind stets Vorsorgemaßnahmen zum Schutz von Land, Mensch und Tier getroffen worden. Deichbau- und Sielarbeiten müssen jedoch stets den sich ändernden Verhältnissen anpassen und so werden auch in Zukunft z. B. höhere und modernere Deiche erstellt werden.

Hochwassermarke in Nebel

Verlässliche Aufzeichnungen über Wasserstände gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert.  Allerdings sind zuvor schon immer Berichte zu Naturkatastrophen in der Literatur zu finden, wobei diese zumeist auf Erzählungen und Phantasien bestehen. So wird aus dem Jahr 516 n. Chr. von über 6000 Ertrunkenen an der Nordseeküste berichtet, im Februar 1216 soll es sogar 10.000 Tote in diesem Bereich gegeben haben. Die „Erste Grote Mandränke“ (2. Marcellusflut, 15.-17. Januar 1362), hat zum Untergang der „Uthlande“ geführt und die Halligen sind entstanden. Bei der Allerheiligenflut von 1532 waren wohl allein im Bereich Nordfriesland mehrere tausend Opfer zu beklagen und bei der Burchardiflut („Zweite Grote Mandränke“) ist am 11. Oktober 1634 die Insel „Strand“ in mehrere Teile zertrennt worden.

Markierungspfahl in Nebel

Über die an den Amrumer Gedenktafeln vermerkten Angaben gibt es dann genauere Werte. So hat die „Halligflut“ vom 4. Februar 1825 zum Untergang vieler Halligen geführt, rund 800 tote Menschen waren zu beklagen. Auf Amrum ist ein Hochwasserstand von 3,10 m über MHW (= mittleres Hochwasser, synonym „über NN“, Normal Null) gemessen worden. Wenn sich der Besucher des Hochwassermarkenpfahls in Nebel neben die Markierungen stellt, kann er erahnen welche enorme Wasserhöhe sich hier aufgestaut hatte. Er hätte keinen Boden mehr unter den Füßen gehabt.

Am 24. November 1938 stieg auf Amrum eine Flutwelle bis zu einer Höhe von 2,64 m über MHW an, und vielen wird die Naturkatastrophe vom 17. Februar 1962, zumindest aus Erzählungen und Berichten, bekannt sein. Diese Sturmflut hat insgesamt 347 Menschen das Leben gekostet, 315 davon alleine in Hamburg. Auf Amrum waren keine Todesfälle zu verzeichnen, allerdings brachen auch hier mehrere Dämme und die Norddorfer Marsch wurde komplett überflutet. Die Sturmflut zerstörte auch die Wittdüner Brücke und ließ die Strandpromenade einbrechen. Auf der Insel wurden Wasserstände bis zu 3,01 und 3,05 m über MHW gemessen. Nach den Reparaturmaßnahmen, Deicherhöhungen und Errichtung des Norddorfer Teerdeichs, blieb Amrum bei weiteren Sturmflutereignissen bis heute weitgehend von ähnlich großen Zerstörungen verschont.

Im Januar 1976 waren bei gleich zwei Sturmfluten am 3.1. und 21.1. Wasserstände zwischen 2,82 und 2,91 m über MHW zu verzeichnen, am 24.11.1981 waren es Höhen von 2,91 und 2,95 m über MHW und in den Anfangsmonaten des Jahres 1990 (26.1. uns 27.2.) erreichten die Werte zwischen 2,62 und 2,81 m über MHW.

Auch dürften weitere, nicht auf den Tafeln bzw. am Pfahl markierte Stürme und Orkane so manchem Betrachter noch in Erinnerung geblieben sein: 3.12.1999 Orkan Anatol, 1.11.2006 Allerheiligenflut (höchste je gemessenen Pegelwerte im Bereich der ostfriesischen Inseln), 9.11.2007 Orkan Tilo, 5. – 6. 12 2013 Orkan Xaver, 9. – 10. 2020 Orkan Sabine, 17. und 18.2.2022 Stürme Ylenia und Zeynep.

Es ist durchaus faszinierend und erschreckend zugleich, wenn man vor den Markierungen steht und sich mit Blick auf die Umgebung ausmalt, wie hoch das Wasser hier gestanden hat und wie es wohl in die Häuser eingedrungen ist.

Zum Schutz der Gebäude sind, v. a. in Nebel, an kritischen Stellen weitere Deiche erbaut worden. Fluttore, die bei Bedarf mit Metallwänden geschlossen werden können sind u. a. am Böle Bonken-Wai, am Meeskwai und rund um das Gelände des „Haus des Gastes“ eingerichtet.

Interessanterweise sind auf Grund der geografischen Gegebenheiten große Teile der Insel Amrum, im Gegensatz beispielsweise zu Föhr oder den Halligen, vor Überflutungen geschützt. Dies kann man sich gut auch an den Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten von der Bundesanstalt für Gewässerkunde (bafg) im Internet ansehen (z.B. https://geoportal.bafg.de/karten/HWRM_Aktuell/).

Auch wenn man sich auf Amrum, zumindest was den Inselkern anbetrifft, vor ruinösen Hochwasserlagen der Nordsee einigermaßen sicher fühlen mag, so sind doch ähnliche Ereignisse wie die Katastrophe rund um Hamburg 1962, oder das Ostseesturmhochwasser im Oktober 2023, auch in unserer näheren Umgebung nicht auszuschließen. Und wenn „rund um Amrum“ alles von den Fluten zerstört ist wird zumindest eine Versorgung der Insel schwierig werden.

Über Peter Totzauer

Dr. med. Peter Totzauer, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Spezielle Schmerztherapie, geb. 1954 in Fürth/Bay., hat, bedingt durch den Beruf des Vaters, als Kind u.a. 4 ½ Jahre in Frankreich gelebt. Abitur 1974 in Köln, Studium der Humanmedizin an der Universität Bonn. War seit 1982 ärztlich tätig, davon viele Jahre als Oberarzt in der Anästhesie und als Leitender Notarzt in Euskirchen. War 2007 für ein halbes Jahr im Rahmen einer „Auszeit“ vom Klinikalltag bei seiner Lebensgefährtin und mittlerweile Ehefrau Claudia auf Amrum. Dies hat ihm so gut gefallen, dass er seit Ende 2008 seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ganz auf die Insel verlegt hat und hier seit 2010 mit in der „Praxis an der Mühle“ gearbeitet hat. In 2024 ist er endgültig in den ärztlichen Ruhestand getreten. Er hat zwei erwachsene Kinder, sein Sohn ist niedergelassener Physiotherapeut in Neuss, seine Tochter ist Lehrerin an der Öömrang Skuul.

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