Da berühren sich Himmel und Erde – ein Ort der Heilung und des Friedens …

Ein Ort der Ruhe

Der Himmel ist wolkenverhangen. Der Wind rauscht und lässt Blätter tanzen. Die kleine Quelle aus einem der Findlinge sprudelt. Es ist ein so friedlicher Ort. Die neue Bank, die neben den Kriegsgräbern aufgestellt wurde, lädt zum Verweilen und zum sich Erinnern ein.

Es ist ein tiefes Eintauchen in die Geschichte. Eintauchen, in eine der schwersten Zeiten.

Schon 1968 wurde hier auf dem Neuen Friedhof eine Gedenkstätte für all diejenigen errichtet, die im 2. Weltkrieg gewaltsam ihr Leben verloren haben. Leitende Position hatte der damalige Pastor  Erich Pörksen, der damals schon der Mahnung zum Frieden folgte. Natürlich immer verantwortet von den Kirchengemeinderäten.

2012 hatte sich der Kirchengemeinderat ein Herz gefasst und die Friedhöfe wurden neu geordnet. Die Opfer der beiden Weltkriege sollten eine gemeinsame Ruhestätte finden und mussten so teilweise umgebettet werden.

Nach der Neugestaltung der Kriegsgräberstätte, zeitgleich mit dem Friedhof der Heimatlosen und den „sprechenden Grabsteinen“, wurden hier bereits am Volkstrauertag 2012 die sterblichen Überreste der neun, im ersten Weltkrieg, bei einer Seeschlacht vor Helgoland gefallenen und auf Amrum angeschwemmten Marinesoldaten, ein zweites mal beigesetzt. Waren sie zuvor noch auf dem Kirchhof in Nebel bestattet. (Amrum News berichtete).

Wichtig sei hier noch zu erwähnen, dass die Neugestaltung in Absprache mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, dem Innenministerium in Kiel durch den Landschaftsarchitekten Dipl.- Ing. Holger Muhs geschah, der für die Planung der Anlage verantwortlich war.

Nachdem lange Zeit die Mittel fehlten, das Projekt komplett fertig zu stellen, wurde dies jetzt vollendet und am letzten Sonntag feierlich präsentiert und übergeben.

Der Posaunenchor spielt “Da berühren sich Himmel und Erde”

Der Posaunenchor spielte zur Einstimmung. Unser derzeitiger Pastor Gert – Axel Reuß, die drei Bürgermeister unserer Kommunen, viele, die am Projekt beteiligt waren, Insulaner und Gäste waren vor Ort.

Hans-Peter Traulsen,Vorsitzender des Kirchengemeinderates, hielt eine Ansprache und begrüßte alle Gekommenen. Er berichtete von dem Projekt, das ohne des Engagement der daran Beteiligten, so hätte nicht entstehen können.

Hans-Peter Traulsen

Eine Informationstafel, eine Beschreibung der Lebensgeschichten, der hier Bestatteten, den Audiowalk, die Stele und eine Bank, konnten nun endlich hinzugefügt und das Projekt abgeschlossen werden.

„Herzlichen Dank an alle Handwerker, die diese Aufgaben ausgeführt und zum Abschluss gebracht haben. Dank an Cornelius Kiene, der die Texte für die verschiedenen Gruppen eingelesen hat und an Peter Lückel, der die graphische und technische Umsetzung der erarbeiteten Ideen durchführte.“, so Hans – Peter Traulsen.

Ein besonderer Dank ging vor allem an Thurid Pörksen (Pastorin von 2017-2018) und Henning Kiene (Pastor von 1993-2002).  Ehrenamtlich machten sie sich auf die Suche nach Zeitzeugen.

Thurid Pörksen besorgte die Unterlagen aus den Archiven und Henning Kiene wertete diese aus, nahm Kontakt zu den Ämtern und der Kriegsgräberfürsorge auf und entwarf nach akribischer Recherche die Texte für den Audioführer und die Informationstafel. Hierbei war es Henning Kiene wichtig zu betonen, dass es eine enge Zusammenarbeit mit den staatlichen Archiven gab, die die Dokumente online zur Verfügung stellen und viele Anfragen zeitnah beantworteten.

Henning Kiene berichtet von seiner umfangreichen Recherche

Henning Kiene gab im Anschluss ein paar Einblicke in die Zeit der Recherche und schnell wurde klar, wie wahnsinnig viel Arbeit und Mühe dahinter steckte:

Er berichtete davon, dass er vor gut einem Jahr von Hans – Peter Traulsen gebeten wurde, für die geplante Tafel auf dem neuen Friedhof vor dem großen Oval einen Text zu schreiben. „Du kannst das doch!“ Klar wollte er das gerne übernehmen und sagte zu, der Text sei am nächsten Morgen fertig. Durch Henning Kienes Nachfrage, wer denn dort alles begraben sei, kam der Stein ins Rollen und alles wurde etwas aufwendiger als gedacht. Thurid Pörksen gab ihm einen Aktenordner mit der Aufschrift „Kriegsgräber“. Ein kleiner Schatz! Er beinhaltet viele Details und Beschreibungen, die man oft nicht lesen oder sich vorstellen möchte.

Sechs verschiedene Gruppen von Opfern, die fern ihrer Heimat ums Leben kamen, wurden dort beerdigt:

Zum Einen die bereits erwähnten Marinesoldaten.

Eine Gruppe von Kindern. Sie infizierten sich auf der Flucht mit Diphterie, wurden bereits auf dem Schiff nach Amrum von ihren Familien getrennt, aus Sorge vor der Weiterverbreitung der Erkrankung auf der Insel. Einsam starben sie in der Klinik. Viele Familien zogen nach Kriegsende weiter, auf der Suche nach Arbeit. Die Kinder aber blieben hier.

Angeschwemmte Soldaten, die durch ihre Erkennungsmarken zugeordnet werden konnten.

Heimatlose, geflüchtete Menschen, die zum Teil noch vor Ende des Krieges auf die Insel kamen. Und so verdoppelten sich die Anzahl der Insulaner in kürzester Zeit. Eine schwierige Zeit für alle.

Die neue Bank, das neue Informations-Schild

Nahrung war sehr knapp und so mussten die Menschen auch übers Watt nach Föhr, um Lebensmittel zu beschaffen. Auch Hark Bohm berichtet in seinem Buch „Amrum“ von dieser Zeit und dass es damals nicht ungewöhnlich war, über das Watt zur anderen Insel zu gelangen, denn auf Amrum mangelte es wegen des Krieges an allem. Zwei  dieser Männer aber ertranken auf dem Weg zurück. Auch sie liegen hier begraben.

Ein weiteres Einzelschicksal betrifft Josef Obermeier, ein Regensburger Bürger, der als Marinesoldat hier stationiert war. Er hatte einen jüdischen Vater, aufgewachsen war er allerdings bei seinem Ziehvater. Man hatte ihm mitgeteilt, dass er alle militärischen Ränge und alles was er sich jemals erarbeitet hatte, verlieren würde. Daraufhin beging er Suizid und man fand ihn am 1.November 1944 in gekauerter Haltung, mit einem Einschuss in die rechte Schläfe. Auch einen Abschiedsbrief gab es. Er muss sofort tot gewesen sein. Sein Bruder, der sich hier bei Pastorin Heinecke 2012 gemeldet hatte und nachfragte, ob das Grab noch bestehe, teilte unter anderem nun die richtige Schreibweise seines Namens mit. Und es entstand jetzt der Kontakt nach Regensburg, wo die Biographie von Josef Obermeier noch aufgearbeitet wird und so ist unter Anderem dort ein Stolperstein für ihn geplant.

Und durch all diese Schicksale vor Augen entstand der Text auf der Tafel. Niemand sollte vergessen werden, alle Opfergruppen, die auf dem Neuen Friedhof ihre letzte Ruhe fanden, sind im Text mit eingeschlossen.

Es ist ein Ort entstanden, an dem man sich erinnern kann, die Toten haben ihre Namen zurück bekommen (so Hans-Peter Traulsen) und es soll auch als Mahnmal gelten, für das Geschehene in der Vergangenheit.

Alles was in den Audiodateien zu hören ist, sind dokumentierte Fakten, die belegt werden können.

Ein bisschen erleichtert gab Henning Kiene zuletzt den besagten Aktenordner zurück in die Hände des Kirchengemeinderates. Obwohl er noch hinzufügte, dass ihm die Arbeit dahinter auch Freude machte, wenn das Thema doch schwierig sei. Hatten doch viele seiner Vorgänger schon viel Vorarbeit geleistet, um hier einen Ort der Trauer und des Friedens zu schaffen. Die Bürgermeister legten stellvertretend für die politischen Gemeinden, einen Kranz nieder und würdigten den Amrumer Gedenkort für die Toten der Kriege und der Gewalt aus dem 20. Jahrhundert. Der Posaunenchor spielte „Da berühren sich Himmel und Erde.“

 Pastor Gert Axel – Reuß brachte die Eröffnung mit einem Gebet zu Ende, in dem auch er nochmals  aufgriff, dass dieser Ort ein Ort der Versöhnung sein soll.

Über Susanne Schwarz

Susanne Schwarz kam 1981 in der Vorderpfalz zur Welt- aufgewachsen am Haardtrand, mit Blick auf den Pfälzer Wald, inmitten eines Weinbaugebietes. Sie verbrachte in ihrer Kindheit viele glückliche Sommerferientage auf Amrum, wodurch der Wunsch immer größer wurde, nur einmal für längere Zeit dort zu leben. Nach dem Abitur 2001 kam sie zum ersten Mal für ein FSJ auf die Insel. Ein weiterer Aufenthalt folgte nach ihrer Ausbildung in Stuttgart. Die Sehnsucht nach der Insel aber blieb. 2015 lies sie das Festland also hinter sich und zog zusammen mit ihrem Mann zurück nach Amrum, wo sie heute mit ihrem Sohn in Wittdün wohnen.

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