Sie verpackt sie sorgfältig, lädt sie in ihren Kleinbus und fährt die 50 prall gefüllten Bananenkartons nach Münster zu einem Containerbahnhof.
Alle sechs Wochen sammelt Angelika Hesse Spenden von Amrumern für Afrika. Obwohl die Hotel Seeblick-Seniorchefin weiß, dass alles, was sie losschickt auch ankommt, war es ihr ein Herzenswunsch „endlich zu sehen, wie die Menschen dort leben“. Zusammen mit ihrer Restaurantleiterin Heike Trumm besuchte sie gerade die Katrin Rhode Stiftung in Burkina Faso.
Für die engagierte Amrumerin wurde es ein besonderer Trip der grenzenlosen Hoffnung.
„Nachts um elf sind wir angekommen und es hatte noch 30 Grad“, beginnt Angelika Hesse und die Augen leuchten. „Wir rissen uns sofort die Jacken vom Leib, es war unendlich heiß. Zumindest nach unserem Empfinden.“ Sie erzählt, wie die beiden Frauen ihren Augen kaum trauten, als sie Einheimische in zerschlissenen Anoraks, bunten Wollmützen und dicken Pullovern begegnen. „Für die Menschen dort ist 30 Grad keine Temperatur. Sie frieren“, energisch begleiten ihre Hände alles Gesagte. Angelika Hesse ist mitten im Thema. Der Spendenfinger zeigt nach oben. „Ja“, sagt sie, „das müssen Sie unbedingt schreiben, dass die Menschen dort auch warme Anziehsachen brauchen!“
Am so genannten Flughafengebäude, ein Bretterschlag mit Rollbahn, erwartet „Mama Tenga“ sie schon, wie die Initiatorin und Mutter des Hilfsprojektes, Katrin Rohde, von „Ihren“ Kindern genannt wird. Eine Stunde dauert die Fahrt von Ouagadougou-Stadt, der für uns unaussprechlichen Hauptstadt des Staates Burkina Faso bis zum eigentlichen Ziel ihrer Reise: dem Slumviertel und die darin beherbergte Hilfsstätte „Managré Nooma“ inmitten der drittärmsten Region der Welt.
A.M.P.O, Sahel e.V. „Hilfe für Kinder in Burkina Faso“, nennt Katrin Rohde 1995 ihr Projekt, als sie in Deutschland mit allem abschließt und auswandert. „AMPO“, das nach dem ersten Waisenhaus für Jungen benannt ist und ausgeschrieben „Association Managré Nooma pour la Protection des Orphélins“ heißt, auf Deutsch: Verein „Das Gute geht nie verloren…“, zum Schutz von Waisenkindern. 60 Jungen im Alter von sechs bis 18 Jahren finden heute dort Zuflucht. Eine Aufgabe, für die Frau Katrin Rohde ihr eigenes Leben in Plön, ihre Buchhandlungen und ihre Wohnung samt Möbel aufgab. Es ist ein Lebenswerk von dem Angelika Hesse vor sechs Jahren in ihrem Restaurant erfuhr. Als Katrin Rohde sich gerade von einer schweren Krankheit auf Amrum erholte.
Ein Dorf auf Wüstensand errichtet, empfängt Angelika Hesse und ihre Begleiterin Heike Trumm am nächsten Morgen. Mädchen und Jungen jeden Alters wirken geschäftig. Ständig wirbelt Staub von trockenen Sandstrassen auf. Die Menschen in „Managré Nooma“ wirken arm, aber gesund. Jeder kümmert sich um jeden. Das Wenige, was es gibt, wird anstandslos geteilt. Angelika Hesse sieht ihre vor vielen Jahren ausrangierten Kurzwellenradios an jeder Ecke. Für viele sind sie nur Schmuck. Denn fließend Wasser? Strom? Toilettenpapier? „Wo denken sie hin“, korrigiert Frau Hesse die Vorstellung vom Leben dort nach unten. Der Grund, weshalb Elektrogeräte für das Hilfswerk zwar gut, aber suboptimal sind. Omas fußbetriebene Nähmaschine, die allzu oft im Keller verstaubt, steht nicht umsonst ganz oben auf dem Infoblatt, das Sahel e.V. herausgibt. Gartengeräte jeder Art, Töpfe, Bettbezüge, Kleidung, Windeln, Gürtel und Rollschuhe stehen ebenso darauf wie Vitamine, Medizin und Schulsachen. Die, die Amrumer Schule jedes Jahr für die Stiftung sammelt.
Katrin Rohdes Hilfsprojekt ist inzwischen zu einer Stätte herangewachsen. Häuser für verstoßene, schwangere Frauen mit AIDS, Waisenmädchen, eine Krankenstation und Behindertenprojekte finden sich darin. Unter anderem. Ein weiteres Herzstück ist für Katrin Rohde eine generationenübergreifende Landwirtschaftschule, in der sie „Hilfe zur Selbsthilfe“ ebenso groß schreibt wie bei alle anderen Häusern. Die Frauen lernen dort Nähen, Kochen, bekommen Schulunterricht, werden in Viehzucht und Hygiene geschult. 80 Mitarbeiter begleiten die Menschen mittlerweile auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit, die den Schülern und ihrer Familie das Überleben sichern soll.
„Die Entfernung von Hamburg ist eigentlich nicht weit“, erzählt Angelika Hesse, die dieses Jahr ihren 60. Geburtstag feierte. Sie ist ein durch und durch nordischer Typ, helle Haut, helle Haare, blaue Augen. Selbst nach ihrem Trip erkennt man keine Spur von Urlaubsbräune. Gesund, würde man sagen, sieht sie aus. Von Hamburg fliegt man eine Stunde nach Paris und von dort gerade einmal fünf Stunden weiter nach Ouagadougou. Trotzdem könnte die Welt nicht anders und die Kluft nicht größer sein. „Die Menschen dort haben nichts“, sagt Frau Hesse, und betont „wirklich nichts.“ Als sie vor sechs Jahren ihre Hilfslieferungen startete, hatte sie eigentlich nur vor, ihren eigenen Keller leer zu räumen. Doch nur wenige Tage später lagen erste namenlose Säcke vor ihrem Luxus-Hotel Seeblick Genuss und Spa Resort. Sorgfältig gelegte, gebügelte Wäsche, Hosen, Jacken, Kinderkleidung. Eines ihrer absoluten Spenden-Highlights ließ auch nicht lange auf sich warten: Lisbeth Kümmel, eine ehemalige Besitzerin einiger Schuhläden auf Amrum, öffnete für Hesses Afrika-Projekt ihr längst vergessenes Lager, fand 200 Paar neue Schuhe und gab sie Angelika Hesse mit auf „die Reise“.
Auch nagelneue Fahrräder von Amrumer Fahrradverleihen, neue Bettwäschen von Vermietern und Nähzeug für die A.M.P.O-Schneiderinnen zählen zu Glanzstücken ihrer wohltätigen Arbeit. Die ihr umso mehr Spaß macht, weil die Amrumer so liebevoll schenken, wie sie sagt. „Wenn ich einen Schulranzen aufmache, dann sind noch Schreibblöcke und Mäppchen darin. Und wenn ich die Mäppchen aufmache, finde ich Stifte, Radiergummis und Füller mit Patronen. Diese Stifte sind angespitzt! Schöner kann man ein Schulkind in Burkina Faso nicht auf Augenhöhe beschenken“, schwärmt Angelika Hesse und beginnt, die nächsten Säcke in Kartons zu legen, zu beschriften und sie in Reih und Glied für die nächste Fahrt zu stapeln.
Verantwortlich für diesen Artikel: Sabine Streitel
Bestimmt löblich – trotzdem:
“Warum in die Ferne schweifen, wenn die Not doch liegt so nah ?”
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Da muß ich Frau Tanner zustimmen.Warum eigentlich immer im Ausland! In unserem schönen Lande gibt es auch Menschen,die Not leiden.
@ frau tanner
@ frau strauss :
achja, kann man(frau)sich nicht einfach freuen das sich jemand kümmert.
Hallo Angelika,
ich habe den Artikel mit Gänsehaut gelesen, und laß dich nicht von irgendwelchen negativen Kommentaren beirren.
Sehr geehrte Frau Tanner, liebe Barbara,
ich kann eure Kommentare irgendwie verstehen,
aber jammern wir nicht auf hohem Niveau?
1.) Ja klar ist in Deutschland die Kinderarmut auch sehr hoch,aber doch nicht vergleichbar mit den Drittländern!
2.) Ich war vor drei Jahren in Stralsund:
Dort hat sich der Stadtführer mindestens 5 mal für die Einigung bedankt, und das dadurch die Stadtmauer von Stralsund saniert werden konnten.
Wollen wir Stadtmauern, Schlösser, Kirchen sanieren, oder leidenden Menschen helfen, egal welcher Herrkunft?
—All dieses soll nur ein Ansatz zum Gedankenaustausch sein–!
Liebe Angelika, schön, dass Ihr wohlbehalten zurückgekehrt seid und dass Du jetzt noch genauer weißt, was in Burkina Faso gebraucht wird. Gerne unterstützen wir dein tolles Engagement weiter in der öömrang skuul!