Bedeuten die hohen Sandverluste einer der bekanntesten Sandbänke vor der Westküste Amrums, dem „Jungnamensand“, eine Abwanderung der dort anzufindenden Kegelrobben und Seehunde? Diese Frage stellten wir Armin Jeß, einem der drei Seehundsjäger Amrums und gleichzeitigem Leiter des Carl-Zeiss-Naturzentrums des Öömrang Ferians.
Über die Situation, wie gravierend die Stürme zum Jahreswechsel in den Sandhaushalt der Insel Amrum und hier im besonderen Beispiel an der Küste Norddorfs eingegriffen hat, haben wir bereits in einem Artikel dargestellt. Die Tatsache, dass Luftaufnahmen aus dem Januar zeigen, dass die Sandbank „Jungnamensand“ vor der Norddorfer Küste bei den vergangenen Stürmen regelrecht „zerlegt“ wurde, schürt die Sorge um die Kinderstube der Kegelrobben.
Bei einem mittleren Hochwasser wird die als Bollwerk geltende Sandbank vor der Küste Amrums nunmehr überflutet. Vor 20 Jahren ragte die Sandbank bei einem mittleren Hochwasser noch 1,5 Meter aus den Fluten.
„Ich denke, dass unsere Küstenabbrüche an der Küste Norddorfs, vor dem Schullandheim „Ban Horn“ keine direkte Folge der Erosion des Jungnamensandes sind“, schätzt Jeß die Situation ein. „Allerdings sehe ich zum Beispiel den deutlichen Zuwachs der Vordünen vom Quermarkenfeuer bis zum Norddorfer Badestrand kritisch. Hier könnte durchaus Sand angelagert werden, der am Jungnamensand abhanden kommt. Dass der Jungnamensand nun unter Wasser ist, ist ja auch nur ein sichtbares Zeichen einer deutlichen Erosion in dem Gesamtbereich vor der Amrumer Küste“, verdeutlicht Armin Jeß.
Mit der Thematik einer möglichen Abwanderung der Kegelrobben hatte sich Jeß vor einigen Jahren befasst. „Ich vermutete, dass die Kegelrobben nach Helgoland abwandern könnten, weil der Jungnamensand immer kleiner wurde. Gestützt war dies durch Wiedersichtungen von auf Amrum markierten Kegelrobben auf Helgoland. Trotzdem sind die Bestände in den letzten Jahren stabil gewesen oder sind sogar leicht gestiegen. Daher zweifelte ich bereits meine damalige Spekulation an“, so der Leiter des Naturzentrums.
„Durch die nun vorliegenden Fotos wird sie allerdings bestätigt. Es ist jetzt davon auszugehen, dass die Kegelrobben in Zukunft abwandern, entweder nach Helgoland oder auf andere Sände in der Nähe. Bisher ist diese Abwanderungstendenz wohl durch die deutlichen Zuwächse des Gesamtbestandes überdeckt worden“.
„Eine weitere Option ist, dass der Kniepsand in den kommenden Jahren als Wurfbank an Bedeutung gewinnt. Immerhin hatten wir in diesem Jahr an der Odde und am Quermarkenfeuer über Wochen zwei Kegelrobbengruppen am Strand liegen. Im Bereich der Odde waren es bis zu 5 Jungtiere mit 3-4 Muttertieren und 1-2 Bullen. Am Quermarkenfeuer waren es bis zu 7 Muttertiere mit den entsprechenden Jungtieren und auch 1-2 Bullen“, schildert Jeß seine Erfahrung.
Die Bestandszählungen, die in Form von Zählflügen erhoben werden, ergeben für den Nationalpark SH Wattenmeer, im Bereich Amrum, schwankende Zahlen liegen seit 2006 zwischen 100 und 140 Tieren auf dem Jungnamensand, allerdings ohne eine Tendenz aufzuweisen. Auf Helgoland, außerhalb des Nationalparks ist der Bestand im gleichen Zeitraum von 194 auf 334 gestiegen. Im gesamten deutschen, dänischen und niederländischen Wattenmeer stiegen die Zahlen von rund 1800 auf deutlich über 2100 Tiere.
„Wenn sich der Kniepsand als Ersatz für den Jungnamensand zu einer Wurfbank entwickelt, müsste man über eine Absperrung des Bereiches auf dem Kniepsand nachdenken. Aber das ist Zukunftsmusik. In diesem Jahr sind wir aufgrund der extremen Witterung auch gut ohne Absperrung ausgekommen. Das Wetter war so stürmisch und nass, dass kaum jemand bis zum Quermarkenfeuer herausgelaufen ist“, stellt Jeß fest.
Verantwortlich für den Artikel: Thomas Oelers