Das Ökosystem des Wattenmeeres ist ein wesentlicher Teil des Lebensraumes der Insel- und Halligbewohner und ist, so könnte man meinen, so vertraut, wie ein täglicher Wegbegleiter wohl sein kann.
Doch registriert man im alltäglichen Nebeneinander auch Veränderungen oder einen stetigen Wandel? Zumal sich die Flächen durch die Gezeiten zweimal am Tag zu tarnen wissen. Schnellere und größere Schiffe führen dazu, dass immer häufiger fremde Arten in das Wattenmeer eingetragen werden. Die Bestände der erst nur geringfügig vorkommenden pazifischen Auster und einer Rotalge explodierten nahezu, bedeckten innerhalb weniger Jahre viele Hektar. Im Gefolge der Austern breiten sich wattenmeerfremde Arten wie die asiatische Seescheide oder Schwämme mit aus. Die Rotalge kommt heute fast überall im Nordfriesischen Wattenmeer vor.
Um die Veränderungen des Wattenmeeres und deren Folgen einschätzen zu können, wird seit Anfang der 90iger Jahre ein Monitoring des Wattenmeeres durchgeführt. Neben Feldbeobachtungen per pedes werden Schiffe und Flugzeuge zum direkten Zählen – zum Beispiel von Seehunden – oder um Luftbilder zu machen genutzt.
„Seit Mitte des ersten Jahrzehnts nach der Jahrtausendwende werden, nach deutlichen Preisreduzierungen, häufig auch Satellitenbilder zur Orientierung und Vorplanung genutzt“, berichtet der Teamleiter und Fernerkundungsspezialist Jörn Kohlus von der Nationalparkverwaltung des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN). Er hatte sich mit seiner neuen Kollegin Dr. Gabriele Müller, von Haus aus Zoologin und angehende Geoinformatikerin, gemeinsam mit zwei Praktikantinnen auf den Weg nach Amrum gemacht. Ziel war dabei: Referenzwerte auf den vorgelagerten Muschelbänken an Amrums Ostküste zu sammeln. Für die SAMOWatt-Kartierung – von „SAtellite MOnitoring“ – brauchen die LKN-Experten verlässliche Kontrollwerte für den Abgleich mit den Satellitenbildern und die sichere Deutung derer Parameter. „Die Fernerkundung zur Kartierung der Wattenmeer-Region ersetzt nicht die alten Methoden, aber das aufwendige und teure beproben und am Boden kartieren kann damit gezielter und effektiver – also nicht ‚blind‘ über die ganze Fläche -‘ durchgeführt werden“, erklärt Kohlus.
Die Ergebnisse der Umweltbeobachtung können dabei helfen politische Entscheidungen zu treffen, wie beispielsweise bezüglich des Klimawandels oder beim Planen wann, wo und wie eine Kabeltrasse von den Offshore-Windkraftfeldern am wenigsten Schaden verursacht. Finanziert wird „SAMOWatt“ als Teil der europäischen Initiative Global Monitoring for Environment and Security (GMES), die in den nächsten Jahren ein gut vernetztes, unabhängiges europäisches Erdbeobachtungssystem aufbauen will. Satelliten wie das von Deutschland ausgerüstete TerraSAR-X System liefern neuerdings metergenau aufgelöste Radardaten, die umgerechnet werden, um ein Bild erstellen zu können. Radardaten reagieren auf die Rauigkeit der Oberfläche, so werden auch die Haufen der Wattwürmer gezählt, denn sie könnten das Signal verändern und sind dann ein Hinweis auf sandiges Watt.
Die Nutzbarkeit des Systems für Fragestellungen im marinen Bereich werden, in dem vom Bundesforschungsministerium finanziert Teilprojekte untersucht. „Im Rahmen dieses Programms werden seit circa 2008 Forschungsvorhaben zur Fernerkundung gefördert. Und anders als früher werden dabei gezielt auch Vorhaben gefördert, bei denen die Einsetzbarkeit der Daten untersucht werden“, erklärt der Teamleiter. Vor allem für Koordination und Abwicklung des Projektes an dem auch die Universität Hamburg und eine Spezialfirma für Meeresfernerkundung beteiligt sind, arbeitet an der Nationalparkverwaltung auch noch Kai Eskildsen.
„Vor Ort konnte ich bei den Aufnahmen zu diesem Artikel am eigenen Leib erfahren, warum die Fernerkundung im Watt sicherlich hilfreich ist. Bei bestem Wetter machte ich mich mit dem Kartierungsteam bei Steenodde ins „trocken“ gefallene Watt auf den Weg. Zuerst noch gut zu laufen, doch schon wenige Meter weiter wurde das kurze Stehenbleiben auf dem Fuße bestraft. Nur schwer wollte der vor Muschelschnitten schützende Schuh dem mühselig aus dem Watt gezogenen Fuß folgen. Nur nicht umfallen, das käme für die Kamera überhaupt nicht gut. Aber auch für die Praktikantinnen Raphaela Betz aus Saarbrücken und die in Oldenburg studierende Dithmarscherin Tina Asmuß erlebten bei dieser Art von Dienstreise, dass Praxis andere Herausforderungen beinhaltet als Seminararbeit.
Wetter und Tide zeigten sich der Gruppe wohlgesonnen, sodass nur eine morgendliche Kartierung aufgrund starken Regens zum Niedrigwasser aufgegeben werden musste. „Ansonsten konnten wir bis nach 21:00 kartieren und am Freitagmorgen sogar bereits kurz nach 5.00 Uhr beginnen“, lobte Jörn Kohlus die Rahmenbedingungen. „Im tiefen Schlick vor Nebel gab es durch eingelagerte Muscheln ein paar Ratscher und Blessuren, das kommt vor und gehört dazu“, klingt die Erfahrung durch.
Watttypen entsprechend ihrer Sedimente, Seegras und Muschelbänke konnten im ersten Projekt bereits identifiziert werden. Der qualitative Nachweise gelang. Nun geht es um die “Messempfindlichkeit”, das heißt zum Beispiel festzustellen, wie dicht das Seegras stehen muss, um aus dem All erkennbar zu sein.
Zwischendurch konnte die „Reisegruppe“ auch einiges von der schönen Insel sehen und kennenlernen. Anreiz genug auch mal ohne Wattschuhe und Messwerkzeug nach Amrum zu kommen.
Nach dem Ausfall des Envisat-Satellitensystems entstand eine Lücke im System. Jörn Kohlus spricht hier von einer „Beobachtungslücke“, die aber 2013 mit dem Start neuer Fernerkundungssatelliten in die Umlaufbahn ausgeglichen werden sollen.
Verantwortlich für diesen Artikel: Thomas Oelers