Man darf sich von dem Titel nicht täuschen lassen: Wo die Dünen schimmern. Oder anders herum: Man muss sich einfach sagen, egal, ich rufe die Autorin trotzdem an. Schließlich ist der Ort, an dem laut Fischer Verlag die Dünen schimmern, die schöne Insel Amrum.
Die Berliner Autorin Patricia Koelle hat gerade ihr zweites Amrum-Buch vorgelegt. Und es wird nicht das letzte bleiben, denn schon nächstes Jahr kommt der dritte Band ihrer Nordsee-Trilogie raus. Und wenn’s richtig schön schimmert – zu Weihnachten – wird es von ihr noch ein Lesepräsent geben, das ein vielleicht ganz interessantes Thema behandelt, nämlich dem Kriegswinter 1944/45 auf der Insel Amrum. Grund genug also, sich mit der scheibenden Meerverliebten etwas näher zu befassen, deren Romane auch immer mal auf den „Spiegel“-Bestsellerlisten landen. Ungefähr zehn hat sie schon geschrieben, darunter auch eine Ostsee-Trilogie. Das neueste Buch der 53-Jährigen dreht sich um die junge Jessieanna, deren Vater als Archäologe einst von Amrum ausgewandert war nach Amerika. Sie selbst arbeitet dort in der Kosmetikfirma ihrer Großmutter und sucht noch diesen einen wichtigen Stoff für eine Lotion, mit der sie einer kranken Freundin etwas Gutes tun kann. Auf Zeit zurückgekehrt in die Heimat des Vaters, könnte es sein, dass ausgerechnet auf der rauen Frieseninsel das Balsam für verletzte Seelen wartet … „Die Insel war für mich immer ein Glücksort, hier hat einfach immer alles gestimmt“, sagt Patricia Koelle. Ihre Neigung zum Schreiben ging früh los: Mit vier Jahren konnte sie lesen. Und mit fünf schrieb sie Geschichten über einen Waschbären auf der Venus. „Meine Schwester hatte über eine Gespensterkolonie auf dem Mars geschrieben, der war also besetzt.“ Was jetzt kommt, ist nicht erdacht, auch wenn’s einfach märchenhaft klingt. Ihr Vater, Heinz Hermann Koelle, ein deutsch-amerikanischer Raketentechniker, hatte das kleine Mädchen oft in seinem riesigen Bücherregal zwischengeparkt, wenn es galt, sich möglichst ungestört dem eigenen Schreibtisch zu widmen. „Ich hab’ mich in den Regalen unglaublich wohlgefühlt. Und weil ich nicht allein runterkam, habe ich alles durchstöbert, an das ich kam. Für Koelle waren diese Zeiten im Bücherregal prägend. „Ich habe von klein auf gewusst, dass man groß denken kann und träumen darf und das ich Schriftstellerin werden wollte.“ Weil ihr Grammatik und Linguistik eher ungeheuer waren, studierte sie irgendwann Sozialpädagogik. „Das hat mir fürs Schreiben sehr geholfen, diese Arbeit mit den Menschen.“ Sie verliebte sich. Ihren Mann, schwer krank, pflegte sie bis zu seinem Tod Anfang dieses Jahres. „Ich habe mich in dieser Zeit erst langsam wieder ans Schreiben rangetastet“, sagt sie.
Der Überraschungserfolg des ersten Bandes ihrer Ostsee-Trilogie vor knapp drei Jahren gab ihr den Mut, richtig einzusteigen. „Die Ostsee war für mich leichter zu erreichen. Mein Mann war dort öfter zur Kur.“ Amrum aber hat sie nie losgelassen. „Ich hatte die Insel immer im Kopf und war froh, dass ich wenigstens in Gedanken ganz viel Zeit dort verbringen durfte.“ Ihre Geschichte auf der Insel begann früh, denn Koelles Vater ging in Danzig mit einem Mann zur Schule, der auf Amrum später eine gewisse Ingeline Kanzler heiraten sollte – die Schwester von Georg und Jens Quedens. Fortan machten die Koelles Urlaub auf Amrum. Immer im Vier-Jahreszeiten-Hotel an der Oberen Wandelbahn. Mit tollem Blick auf den Kniep und die Strandburgen, die da draußen gebaut wurden. „Sie kommen jetzt auch im Buch vor“, sagt Koelle. Und erinnert sich an das Abenteuer ihrer Kinder-Ferienjahre. „Wir hatten uns Plastikaquarien mitgebracht und haben die mit Salzwasser und Quallen und Krebsen befüllt. Die Putzfrauen waren von den Dingern, die auf den Fensterbrettern vor sich hin schwappten, nicht begeistert“, weiß sie noch und lacht. Später tauschte sie das Hotel gegen ein Zelt und verbrachte mit Freunden viele Sommertage unter dem Leuchtturm. Der kommt natürlich im Roman auch vor. Und die Kaninchen, der Küstenschutz, die Vogelkoje und ein irgendwie ganz reizender Friese. Für das Buch hat sie viel mit Ingeline Kanzler telefoniert. Sie hat sich auch in den Facebookgruppen der Insel umgeschaut und sich dort den Namen ihres Lieblingscharakters besorgt: Pinswin. Übersetzt Igel. „Er ist der nach Amerika ausgewanderte Vater von Jessieanna, mit Igelfrisur und einem schweigsamen und etwas knürrigem Charakter“. Patricia Koelle war 25 Jahre lang nicht mehr auf Amrum. Im Juli kommt sie und erwandert sich die Insel. Und signiert ihre Bücher: am 7. Juli um 17 Uhr im Hotel Hüttmann in Norddorf. Sie freut sich riesig. Vielleicht werden dann ihre Augen ein ganz kleines bisschen schimmern
Dafür die Dünen nicht. Das wär’s! Patricia Koelle: Wo die Dünen schimmern. Fischer-Verlag, Frankfurt 2018; 528 Seiten, 10,99 Euro. Das Buch ist am 23. Mai erschienen.