Der Spaziergang oder die Fahrradtour durch den Amrumer Wald ist eine gern genutzte Möglichkeit, die Insel Amrum zu erkunden. Ein dichter, etwa 10 km langer Waldgürtel zieht sich vom Leuchtturm bis nach Norddorf und bietet einen optimalen Windschutz. Amrum ist mit 200 ha Wald die waldreichste deutsche Nordseeinsel, der Anteil liegt bei etwa 10% der Gesamtfläche.
Dies war nicht immer so. Früher gab es nur einen spärlichen, kleinflächigen Wald aus Laubbäumen im Bereich feuchter Landgebiete. Die ersten nachgewiesenen Anpflanzungen von Bäumen dienten als Schutz rund um die Vogelkojen Mitte des 18.Jahrhunderts. Es wurden hauptsächlich Laubbäume wie Erle, Ulme, Birke und Weide angepflanzt.
Die erste größere Aufforstung begann 1887. Um den Sandflug einzudämmen, wurden am Rande der Nebeler Dünen mit der Unterstützung des Schleswig Holsteinischen Heidekulturvereinsbis 1898 etwa 16 ha Kiefer und Bergkiefer aufgeforstet, 1914 weitere 5 ha. Nach Untersuchungen von Forstdirektor Carl Emeis hatten sich diese als am widerstandsfähigsten gegen das Nordseeklima mit dem hohen Salzeintrag durch die stürmischen Winde gezeigt. Beigemischte Fichten, nordische Kiefern sowie auch Laubbäume konnten sich nicht durchsetzten. In der Zeit von 1920 bis nach dem 2.Weltkrieg wurden nochmals etwa 15 ha Wald – und Bergkiefer aufgeforstet. Der Versuch auch Sidkafichten und Japanische Lärche zu etablieren, war nur bedingt erfolgreich, die Sidkafichte wuchs an, die Japanische Lärche nicht.
Im Jahr 1921 wurden bei einem größeren Waldbrand im Bereich des Leuchtturms etwa 5000 qm Wald vernichtet.
Im Rahmen des Programm Nord gab es 1952 eine größere Initiative zur Aufforstung an der gesamten Westküste. Ziel war es den Sandflug der Äcker zu vermeiden und den Wald als Schutzschild zu benutzen. Hiervon profitierte auch Amrum. Unter der Regie des 1953 gegründeten Amrumer Forstverbandes wurden zwischen 1953 und 1957 etwa 150 ha neu aufgeforstet. Es wurden neben Wald-und Bergkiefern nun auch Schwarzkiefern und Sidkafichten gepflanzt. Der Anteil von Laubbäumen wie Roteichen, Erlen und Birken betrug 30%. Leider fielen viele Laubbäume wieder dem hohen Salzgehalt der Luft, dem Kaninchenfraß und auch der Trockenheit zum Opfer. Nur im Bereich des Nebeler Waldes, wo es schon einen Schutzschirm aus alten Kiefern gab, konnten sich auch Laubbäume und andere Tannen etablieren.
Diese Aufforstungen im großen Stil waren mit erheblichem Aufwand verbunden. Zahlreiche Landarbeiter kamen vom Festland und bereiteten den Boden vor. Innerhalb kürzester Zeit mussten mehrere 100.000 Setzlinge in die Erde gebracht werden. Dieses war nur möglich, weil die Amrumer Schule dabei half. 120 Schüler unterstützten die Pflanzarbeiten eine Woche lang im ganztägigen Einsatz. Einzelne Schulklassen haben dann bis 1956 immer wieder bei den Anpflanzungen geholfen.
Bis 1965 setzten sich die umfangreichen Aufforstungen fort. In dieser Zeit waren ständig 8 – 12 Arbeitskräfte im Einsatz.
Der neu angepflanzte Wald wuchs gut an, insbesondere die schnell wachsenden und robusten Schwarzkiefern sorgten nach 20 Jahren für einen dichten Waldgürtel vom Leuchturm bis nach Norddorf.
1980/81 bedrohte ein massives Schwarzkiefer-Triebsterben den Amrumer Wald. Aufgrund mangelnder Durchforstung und dem feuchten Inselklima bildeten sich Pilze, die zu erheblichen Schädigungen führten. Mit massiven Durchforstungen gelang es, den Bestand zu stabilisieren. Unter erschwerten Umständen wurden von 1982 bis 1984 insgesamt über 11.000 fm Holz eingeschlagen, damit Luft und Windbewegung in die Bestände kommen konnte. Der Abtransport des Holzes aufs Festland war mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.
Es war damals nicht so einfach Forstfirmen zu finden, die diese Arbeiten durchführen wollten. Mehrere Firmen reisten nach ersten Versuchen kurzentschlossen wieder ab, da der Sand in der Baumrinde die Sägen innerhalb kürzester Zeit stumpf werden ließ.
Der Wald auf Amrum ist grundsätzlich sturmerprobt, jedes Jahr ziehen viele Stürme über die Insel ohne Schaden anzurichten. Außergewöhnlich heftige Stürme haben aber auch im Amrumer Wald ihre Spuren hinterlassen. Im Dezember 1999 zog der Orkan Anatolmit Windgeschwindigkeiten bis zu 200 km/h über Nordeuropa und richtete auf Amrum erheblichen Schaden im Wald an. Über 10 ha Wald wurden zerstört. 14 Jahre später kam es dann noch schlimmer. Im Herbst 2013 zogen innerhalb von 3 Wochen die Orkantiefs Christianund Xaverüber die Deutsche Nordseeküste undzerstörten fast 20% des Amrumer Waldes. Ende Oktober vernichtete Christianweite Bereiche des südlichen Waldes und einige Wochen später wütete Xaverim Norden der Insel. Beide Stürme schlugen riesige Schneisen in den Waldbestand, insbesondere der für Neuanpflanzungen so wichtige Altholzschirm aus Schwarzkiefern war betroffen. Über 10.000 fm Holz wurden von Amrum abtransportiert. Große Harvester mit Kettenlaufwerk schnitten die umgefallenen Bäume auf die für den Transport und die Weiterverarbeitung notwendige Länge von 4 m und schredderten die großen Baumkronen der Schwarzkiefern. Der Abtransport von Amrum war schwierig. Man brachte die Baumstämme mit LKW’s zur Steenodder Mole, wo sie auf kleinere Küstenmotorschiffe geladen wurden. Diese brachten sie dann zu einem vor Amrum liegenden größeren Schiff (der litauische Frachter Aquariuskonnte wegen des großen Tiefgangs Amrum nicht anlaufen), welches sie zum Endabnehmer nach Belgien transportierte.
Zügig wurde mit der Wiederaufforstung begonnen. Eine große Hilfe ist hierbei das Bergwaldprojekt des Gemeinnütziges Vereins Bergwald e.V. Seit vielen Jahren kommen einmal jährlich bis zu 50 Freiwillige nach Amrum, um bei der Aufforstung und der Waldpflege zu helfen. Unter fachlicher Anleitung leisten die Naturliebhaber insbesondere auch bei der Pflege der Neuanpflanzungen Großartiges. Finanziell mitgetragen wird die Arbeit auch über die Kooperation mit der OTTO GmbH & Co KG aus Hamburg, die den Waldumbau auf Amrum schon einige Jahre unterstützt.
Die Pflege des Amrumer Waldes wird vom Forstbetriebsverband organisiert. Der Verband wurde 1953 gegründet und den im Forstbetriebsverband zusammengeschlossenen Waldbesitzern gehören mit 180 ha etwa 90 % der gesamten Waldfläche auf Amrum. Größter Waldbesitzer mit rund 95 ha ist die Gemeinde Nebel. Alle 3 Gemeinden zusammen besitzen 130 ha, die restlichen 50 ha teilen sich 31 Privatpersonen sowie die Wyker Dampfschiffsreederei und die Kirchengemeinde.
Finanziert wird die Waldpflege aus Beiträgen der Mitglieder sowie aus Fördergeldern. Im Jahr 2018 sind etwa 60.000 € für die Bestandspflege eingeplant. Vorsitzender des Amrumer Forstbetriebsverbandes ist seit vielen Jahren Holger Peters. „ Ich habe den Wald von meinem Vater geerbt und schnell wurde der Wald auch mein Hobby“ so Peters. „In meiner Kindheit war der Wald und die Aufforstung häufig Thema bei uns zuhause. Der Vater, Willem Peters, war Mitbegründer des Forstbetriebsverbandes und langjähriges Vorstandsmitglied.
Fachlich begleitet wird die Waldpflege schon seit vielen Jahren vom Bezirksförster Walter Rathkens. Sein Bezirk in Nordfriesland umfasst 4300 ha Wald mit insgesamt fast 1500 Waldbesitzern. Seit vielen Jahren kommt er regelmäßig nach Amrum, um den Amrumer Waldbesitzern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Ausholzungen und Neuanpflanzungen werden detailliert festgelegt und mit den Waldarbeitern abgesprochen. „Der Amrumer Wald hat den trockenen Sommer relativ gut überstanden. Der massive Borkenkäferbefall auf dem Festland ist an Amrum vorbeigegangen“ so Rathkens. „Der Borkenkäfer mag das Amrumer Klima nicht, es ist hier zu kühl und oft auch zu feucht.“
Wie Rathkens weiter ausführt, ist der Wald gesund und bestandsstabil. „Die nach den großen Sturmschäden neu aufgeforsteten Flächen sind gut angewachsen und müssen jetzt intensiv gepflegt werden. Traubenkirsche und Dornen müssen regelmäßig zurückgeschnitten werden, damit die neuen jungen Bäume sich entfalten können. Die Kosten für die Pflege betragen 1000 €/ha und jedes Jahr werden etwa 40 ha durchforstet“.
Noch dominiert der Anteil von Nadelbäumen mit Kiefern, Fichten, Tannenarten und Japanlärche den Amrumer Wald aber durch die vielen Neuanpflanzungen ist schon zirka 50% Mischwald entstanden. Bei den Laubbäumen dominieren Birken, Buchen, Eichen, Ahorn und Winterlinden.
„Es gibt immer noch einige Gebiete, in denen die Nadelbäume zu eng stehen und durchforstet werden müssen. Unter dem Schutzschirm der großen Schwarzkiefern werden wir versuchen, den
Anteil des Laubwaldes zu vergrößern. Ziel ist es, einen gesunden Mischwald zu erhalten“ so Holger Peters.
„ Vielleicht gelingt es uns ja auch eines Tages einen Waldlehrpfad auf Amrum zu etablieren, so dass man nicht nur windgeschützt durch den Amrumer Wald radeln und spazieren kann sondern auch noch etwas über unseren schönen Wald lernt“.
Der Forstbetriebsverband würde sich freuen, wenn sich ein Student der Forstwirtschaftslehre finden würde, der seine Bachelor oder Masterarbeit über den Amrumer Wald schreiben möchte.