Einen sehr unterhaltsamen Abend erlebten die Zuhörer einer Autorenlesung am 09. Juli in der Buchhandlung Quedens. Clas Broder Hansen las aus seinem Buch „Gestrandet vor Amrum“ über das abenteuerliche Leben des legendären Frachters „Pella“ und über Amrumer Strandräuber, Plünderer und Schmuggler.
Der Seefahrthistoriker und Autor Clas Broder Hansen wurde 1953 in Hamburg geboren, auf Amrum getauft und wuchs in München auf. Als Kind kam er immer in den Ferien nach Amrum und ist der Insel bis heute treu geblieben, so auch in jenem Sommer 1964, als die „Pella“ im Sturm vor Amrum strandete.
Der 65jährige Wahl-Amrumer Clas Broder Hansen wohnt in dem von den Eltern 1951 erworbenen Haus unmittelbar an der weiten Wildnis der Amrumer Dünen in der Nähe von Strand und Meer. Alles ist so urtypisch, man kommt sich vor wie Robinson auf seiner Insel. Wer kennt es nicht, dass originelle Häuschen beim Leuchtturm, das legendäre Partyhaus, die sogenannte „Klapsmühle“? So wurde das Haus genannt, in dem in den 80er Jahren „wilde“ Feten abgehalten wurden.
Clas Broder Hansen hat das Wrack damals – als Zehnjähriger – zusammen mit seinem Vater auf dem Ausflugsboot „Hansa“ unter Kapitän Helmuth Tadsen besucht.
Fast 55 Jahre später erzählt Clas Broder Hansen lebendig, als wäre es erst gestern gewesen, wie er und auch sein Vater damals zu „Strandräubern“ vor Amrum wurden. Vor fünf Jahren hat der Autor und Verleger, der sowohl in Hamburg als auch auf Amrum lebt, diese erlebten Geschehnisse in seinem Buch „Gestrandet vor Amrum – Die Geschichte der „Pella“ veröffentlicht.
Die „Pella“ war ein knapp 135 Meter langes Transportschiff, bis zu jener Nacht, als sie vor der nordfriesischen Insel Amrum strandete und nach zwei Tagen auseinanderbrach. Anfangs noch eine Attraktion für Insel- und Halligbewohner, versank die „Pella“ immer tiefer im weichen Mahlsand und geriet nach und nach in Vergessenheit.
Die „Pella“ lief am 27. März 1943 in der kanadischen Kleinstadt Sorel (Quebec) als „Elm Park“ vom Stapel. Bis Kriegsende fuhr sie für die kanadische Regierung über den Atlantik und entging nur knapp dem Angriff deutscher U-Boote. Nach dem Krieg wechselte das Schiff öfters den Besitzer, ehe es 1962 an einen griechische Reeder unter libanesischer Flagge fuhr. ELM PARK (1943-46), TRICAPE (1946-57), PALMA (1957-62), PELLA (1962-64).
Die letzte Fahrt der „Pella“ begann am 22. Juli 1964 mit 10.026 Tonnen Eisenerz an Bord im spanischen Hafen Cartagena, Zielhafen war Bremen! Auf dem Weg zur Weser kam die „Pella“ – bei äußerst schlechten Wetter- und Sichtverhältnissen – auf bis heute unerklärliche Weise weit vom Kurs ab.
Der Erzfrachter war am frühen Abend des 31. Juli 1964 ca. siebeneinhalb Seemeilen südsüdwestlich von der Inselküste Amrums im Rütergat auf Grund gelaufen.
Noch während der Sturm wütete, zerbrach die „Pella“ am frühen morgen des 02. August 1964 – auf der Position N 54° 31′ 24” O 8° 14′ 53” – mit einem Knall in zwei Teile. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden alle angebotenen Hilfen abgelehnt, und es waren der 37jährige griechische Kapitän Lampros Matthaios und 24 Besatzungsangehörige (24 Griechen, 1 Holländer) immer noch an Bord. Harry Tadsen, Vormann auf den auf Amrum stationierten Seenotkreuzer „Bremen“, schrieb in sein Logbuch: „Um 03.30 Uhr wurde es auf dem Schiff lebendig, es begann langsam durchzubrechen.“ Er begann gegen 04.00 Uhr bei Sturm der Stärke 8, hohem Seegang und heftigen Regengüssen mit der Abbergung der Seeleute. Knapp 30 Anläufe wurden benötigt um alle Mann von Bord der „Pella“ zu holen, um 05.00 Uhr waren alle gerettet und um 06.45 Uhr im Wittdüner Tonnenhafen sicher an Land.
Der Reeder hatte kein Interesse an einer Bergung gezeigt, und so überließ man die „Pella“ der stürmischen Nordsee. Den Insulanern und Touristen freute es, denn so hatte man inmitten der Sommersaison mit dem Strandungsort schnell ein neues Ausflugsziel gefunden.
Alles, was Schwimmen konnte, machte sich auf den Weg zum Wrack, von Amrum, den Halligen oder sonst irgendwoher. Jeder, der ein Boot hatte, fuhr hinaus und brachte etwas von der „Pella“ mit. Nicht ganz ungefährlich, denn die Nordsee war noch aufgewühlt und die Wellen schwappten über das Wrack. Polizei- und Zollboote patrouillierten in unmittelbarer Nähe. Eine schwierige Situation für die Behörden, denn seitens der Versicherer der „Pella“ wurden keinerlei Ansprüche geltend gemacht, das Plündern aber blieb illegal. Sie wussten nicht, wie sie reagieren sollten, schließlich lag die „Pella“ außerhalb der Dreimeilenzone in internationalen Gewässern.
Der clevere Kapitän August Jakobs wollte einer eventuellen Strafe entgehen und meldete seine Fahrten mit dem Ausflugsboot „Ambronia“ einfach beim Zoll auf Amrum an und gab alles, was er dem Wrack entnahm zu Protokoll.
„Ohne die Räuber wären all die schönen Dinge einfach versunken“, sagt Clas Broder Hansen. Die ursprünglich wertlosen Dinge besitzen heute einen großen Wert, so der Autor. „Hinter jedem Messer, jeder Laterne und jeder Seekarte steckt die Geschichte eines Abenteuers“.
Die „Pallas“ strandete im Herbst 1998 vor Amrum, sie ist immer noch Gesprächsthema und sichtbar. 55 Jahre nach der Strandung ist jetzt auch die „Pella“ wieder aus der Vergessenheit zurück.