»Spar dir deine klugen Gedanken, ich mache nur, was ich will«, widersprach der blonde Knirps seiner Mutter, die ihn vergeblich ermahnte, auf der Fähre nicht herumzutoben. Wie der widerborstige Junge wollte auch ich es machen, direkt nach der Ankunft in Nebel auf unserer Lieblingsinsel Amrum.
Abschalten. Nichts hören und sehen. Nicht an Politik denken, erst recht nicht an den Klimawandel und seine Folgen. Wind und Wellen genießen. Dann und wann eine Wolke. Dann und wann eine Möwe. Träumen. Nicht diskutieren über das, was nicht zu ändern ist. Daraus wurde nichts. Und das kam so.
Mit meinem Mann hatte ich es mir im Garten der Ferienwohnung gerade gemütlich gemacht. Tee und Friesenkekse griffbereit. Da entdeckten wir Schmetterlinge, dort am weiß blühenden Sommerflieder. Vorsichtig näherten wir uns. Ein Dutzend Tagpfauenaugen und Distelfalter flatterten hin und her. Da ein eleganter Admiral. Hier ein Pas de deux von bezaubernd feingliedrigen Faltern, die Große Ochsenaugen genannt werden. Auch drei Kohlweißlinge schwebten geräuschlos herbei, berauscht vom Blütenduft der Pflanze, die in den Gärten selten geworden ist.
Wie gebannt beobachteten wir den Tanz der geflügelten Wesen, elfengleich, mit Namen, die mich seit jeher faszinieren. Ein Schmetterlings-Reigen wie damals in unbeschwerten Kindertagen. Der Große und der Kleine Fuchs, Trauermantel, Bläuling, Aurorafalter und Schwalbenschwanz. Warum sind sie nicht mehr da? Daheim, im idyllischen Schwarzwald, sahen wir zuletzt nur ein paar einsame Zitronenfalter.
Plötzlich setzte sich der Admiral auf meinen Arm. Er bewegte die Flügel rasch auf und nieder, als wolle er sprechen, eine Botschaft senden: »Vergiss mich nicht. Rette mich. Tu was«. Meine Urlaubslethargie war schlagartig vorbei. Wenn es um unsere Mitgeschöpfe geht, ist jeder verantwortlich. Niemand darf wegschauen, auch ich nicht. Es braucht kluge Gedanken und Taten, die den Tieren zu Land und zu Wasser mehr Schutz geben, um ihre Artenvielfalt zu retten, ehe es zu spät ist.
Leicht ist es, einen Sommerflieder für Schmetterlinge zu pflanzen, statt jene, bei Insekten unbeliebten, modischen Hortensien. Ein Wildbienen-Hotel aufzustellen, ist auch nicht schwer. Den täglichen Konsum radikal ändern, das macht mehr Mühe. Am Strand von Amrum gibt es jetzt Taschen, um Plastikmüll einzusammeln. Da kann jeder mitmachen. Ich fange morgen damit an.
Ellen Dietrich, freie Redakteurin und Dozentin für Fotojournalismus, lebt in Gengenbach im Schwarzwald.