Das Vorhaus der St.-Clemens-Kirche …

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Die St.-Clemens-Kirche war in früherer Zeit der Mittelpunkt des öffentlichen Lebens auf Amrum, was auch aus alten Tagebüchern hervorgeht. Obwohl diese überwiegend in deutscher Sprache verfasst sind, verwenden die Verfasser für bestimmte kirchliche Räumlichkeiten oder Gegenstände oft die friesischen Bezeichnungen oder fügen der deutschen Bezeichnung eine friesische Übersetzung an. Einige der Begriffe sind heute nicht mehr bekannt, andere nur noch der älteren Generation und oft nur in veränderter Form.

Ein markantes Beispiel dafür ist das Vorhaus im Süden der St.-Clemens-Kirche. Im Deutschen bezeichnet man dieses Vorhaus als Karnhaus oder Karenhaus. Die älteste friesische Bezeichnung ist karfestershüüs. Der Ursprung des Wortes lässt sich auf das Altfriesische karfestere, d.h. „bußfasten“ zurückführen, denn ursprünglich standen in diesem Vorhaus die öffentlichen Büßer, die in der Fastenzeit ihre Buße begannen. Dieser Brauch, wie auch andere, die mit dem Vorhaus verbunden waren, sind im Laufe der Zeit verschwunden.

Lediglich die Sitte des feierlichen Kirchganges der Wöchnerin ist noch bis weit in das 19. Jahrhundert erhalten geblieben. Darüber berichtet uns der Amrumer Historiker Knudt J. Clement (1803-1873): Die Wöchnerin wartete vor ihrem ersten Kirchenbesuch nach der Entbindung zusammen mit ihrer Begleiterin (fries. aalerwüf) im Vorhaus der Kirche. Während die Gemeinde im Gottesdienst sang, kam der Pastor heraus, gab beiden die Hand und segnete sie ein. Dann ging er wieder zurück in den Gottesdienst und die beiden Frauen folgten ihm.

Interessant ist, dass Clement das Vorhaus mit kaftershüs bezeichnet. In anderen Quellen in jener Zeit findet man auch die Bezeichnungen kasterhüs, karsterhüs oder kastershüüs, ein Zeichen dafür, dass man auch schon im 19. Jahrhundert nur noch eine ungefähre Bedeutung von dem ursprünglichen Begriff karfestershüüs hatte.

Eine bedeutende Änderung hinsichtlich der Funktion des Vorhauses trat ein, als die St.-Clemens-Kirche 1908 einen Turm erhielt und im Zuge dieser Umbauarbeiten, der Eingang in die Kirche durch diesen Turm verlegt wurde. Vor diesem Umbau gingen die Besucher nämlich durch einen Eingang im Norden sowie durch das Vorhaus in die Kirche hinein. Dabei benutzten die Frauen den Nordeingang (fries. wüfensdör) und die Männer den Eingang im Süden (fries. karmensdör). Außerdem war es Sitte, dass die Männer auf der Nordempore (fries. karmensböön) saßen und die Frauen unten.

In jüngerer Zeit hatte das Vorhaus der St.-Clemens-Kirche dann vor allem die Funktion, als Ort für die Aufbahrung eines Verstorbenen bis zur Beerdigung zu dienen, denn die alte Sitte, dass die Toten im Sterbehaus aufgebahrt und dann für die Begräbnisfeier direkt in die Kirche getragen wurden, verschwand allmählich. Diese Aufbahrung der Särge führte dann auch dazu, dass dieses Haus kastbaarshüs genannt wurde, also das Haus, in dem der Sarg (fries. kast) aufgebahrt wurde.

Von der alten Bedeutung „fasten, büßen“ ist also nichts mehr viel übrig geblieben und nur lautlich erinnert das Wort noch an die ursprüngliche Form.

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Über Reinhard Jannen

Geboren am 8. Juni 1955 in Norddorf. Nach Dem Abitur und Studium zunächst selbständiger Strandkorbvermieter. Ab 1991 dann Lektor und Archivar der Ferring Stiftung in Alkersum auf Föhr, ab 2012 auch Archivar des Amtes Föhr-Amrum. Besonderes Interessengebiet ist die Geschichte und Erforschung der friesischen Sprache.

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