Bereits seit fast zwei Jahrzehnten werden die Auswirkungen und die Verbreitung von Kunststoffmüll in der Nordsee und darüber hinaus im Pazifik, im Atlantik und der Antarktis von Wissenschaftlern des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) Helmholtz- Zentrum für Polar- und Meeresforschung untersucht. Nun wenden sich die Wissenschaftler aus Bremerhaven in einem Citizen Science Projekt an Bürger und lokale Umweltverbände mit der Bitte, Sandproben am Strand zu entnehmen, um speziell Mesoplastik (5 bis 25 mm) und Mikroplastik (1 bis 5 mm) an der deutschen Küste zu erfassen. Die kleinen Plastikteilchen sind nicht nur freitreibend im Meerwasser vorzufinden, sondern auch im beprobten Strandsand. Bei Strandspaziergängen werden die winzigen Plastikteilchen oft kaum wahrgenommen. Im Meer sind gerade diese kleinen Plastikteilchen ein Problem, da sie von den Meerestieren mit Nahrung, zum Beispiel Plankton, verwechselt werden. Über den Verzehr der Meerestiere können die kleinen Plastikteilchen wiederum in den menschlichen Organismus gelangen.
Daten über das größere Makroplastik (2,5 bis 100 cm) werden schon seit vielen Jahren im Rahmen des Monitorings der Kommission für den Schutz und Erhalt des Nordatlantiks „OSPAR“ erfasst. Im Vergleich zum Makroplastik gibt es nur wenige wissenschaftlich erhobene Daten zu Verteilungen und Mengen kleinerer Plastikteilchen. Diese Wissenslücke möchte das AWI nun schließen. Mit dem Projekt unterstützt das AWI auch das Ziel der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie der Europäischen Union. In dieser heißt es, dass „Trends von Mengen, Verteilung und möglichst Zusammensetzung von Mikropartikeln (insbesondere Mikroplastik)“ untersucht werden sollen.
Forschungsergebnisse aus verschiedenen Regionen, Habitaten und Meerestiefen bestätigen immer wieder, dass Plastikverschmutzung sehr ungleich verteilt ist. Hotspots mit besonders hoher Verschmutzung sind zum Beispiel die ozeanischen Strömungswirbel, Küstenbereiche in der Nähe von Emissionsquellen oder Meeressenkungen. Die ungleiche Verteilung erfordert, dass Proben von vielen verschiedenen Standorten genommen werden müssen, um einen einigermaßen repräsentativen Überblick über die Umweltverschmutzung zu bekommen. Durch die großflächige Zusammenarbeit des AWIs mit vielen lokalen Umweltverbänden wird das AWI versuchen, diesem Erfordernis gerecht zu werden. Es sollen nicht nur Aussagen über die Menge, sondern auch über die Verteilung des Mikro- und Mesoplastiks an der deutschen Küste getroffen werden können. Die Verteilung kann außerdem Hinweise geben auf potentielle Verschmutzungsquellen oder Verbreitungswege, zum Beispiel durch Wind und Wellen.
Insgesamt über 50 kg Kniepsand verteilt auf 20 Probepunkte hat das Naturzentrumteam des Öömrang ferian i.f. nach Anleitung des AWIs entnommen und nach Bremerhaven geschickt. Alle benötigten Materialien wurden dem Naturzentrum zuvor zugeschickt, auch die Paketmarken für den Rückversand. Auf den Nachbarinseln Föhr und Sylt hat die Schutzstation Wattenmeer dem AWI Proben zugeschickt. Das AWI trennt nach Eingang der Proben die Plastikteile durch Sieben und Dichtetrennung vom Sand und von biologischem Material. Jedes potentielle Plastikteil wird mit einem Fourier-Transformations-Infrarotspektrometer untersucht, um festzustellen, ob es sich wirklich um ein Plastikteil handelt und wenn ja, um welchen Polymertypen (z. B. Polyethylen, Polypropylen, Styropor, usw.) es sich handelt. Jedes erkannte Plastikteil wird in eine Datenbank eingegeben und fotografisch festgehalten. Die Datenbank stellt die Grundlage der weiteren Analysen dar. Sie soll auch der Öffentlichkeit und anderen Wissenschaftlern zugängig gemacht werden. Das Projekt des AWIs läuft noch bis April 2023 und wird von Dr. Ernst Weiße-Stiftung gefördert. Die teilnehmenden Umweltorganisationen und Bürger sind bereits gespannt auf die Ergebnisse.