Märchen neu erzählt


Märchen sind was tolles. Sie erinnern mich immer an meine Kindheit und können einem viel beibringen. Vor allem Moralvorstellungen und Werte werden über diese Geschichten bereits an die Jüngsten weitergegeben. Als Politikwissenschaftlerin fallen mir aber leider immer mehr Dinge in den Märchen auf, die in unserer heutigen Zeit vielleicht doch etwas veraltet sind und nicht mehr unbedingt als Werte weiter gegeben werden sollten. Versteht mich nicht falsch, viele Aspekte in den altbekannten Märchen sind nach wie vor erzählenswert, aber warum muss sich der Wert von Schneewittchen nur um ihre Schönheit drehen, wenn wir in unserer Gesellschaft eigentlich versuchen Mädchen zu starken, intelligenten,  jungen Frauen zu erziehen, die alles schaffen können, was sie sich vornehmen? Ist das nicht das falsche Bild? Dazu kommt, dass Märchen wie Dornröschen, Schneewittchen oder Aschenputtel immer wieder das gleiche Happy End haben, sie werden von einem Prinzen aus einer vermeidlichen Notlage gerettet, da sie es selbst nicht können. Und ich will eigentlich gar nicht mit der Übergriffigkeit anfangen, die Märchen wie Schneewittchen als Normalität portraitieren, aber ich finde, wir sollten Kindern nicht beibringen, dass es in Ordnung ist, fremde Menschen, in diesem Fall eine schlafende Prinzessin, ohne ihre Zustimmung zu küssen.

Das druckfrische Buch Aschenputtel.

Solche Beispiele finden sich zuhauf in den beliebten Märchen, die in unseren Bücherregalen stehen. Deswegen möchte ich euch heute ein Projekt vorstellen, dass sich genau damit auseinandersetzt. Fairy Tales Retold ist von einem Vater gegründet worden, der seiner Tochter ungerne Geschichten vorlesen wollte, in denen Mädchen nur auf ihr Äußeres reduziert oder übergriffig behandelt werden. Somit hat er beim Vorlesen einfach einige Wörter ausgetauscht, um die Geschichten etwas mehr in unsere Zeit zu holen (aus „wer ist die Schönste im ganzen Land“ wurde zum Beispiel „wer ist die mutigste im ganzen Land“) daraus ist dann ein Buchprojekt geworden. Die Webseite des Projektes schreibt: „Fairy Tales Retold nimmt alte Klassiker und gibt ihnen eine moderne Wendung für die heutige Welt. Die ursprünglichen Charaktere und der Geist jeder Geschichte bleiben erhalten – aber die Bilder, die Erzählung und die Werte sind subtil anders. Vorbei sind die Jungfrauen in Not, die homogenen Charaktere und die patriarchalischen Botschaften; an ihre Stelle treten spannende Abenteuer und einige inspirierende Figuren!“

Mein Patenkind Marret hat auch diese Adventszeit ihr Schneewittchen Buch wieder rausgeholt …

Das erste Buch, das 2019 in einer neuen Version herausgebracht wurde war Schneewittchen und die sieben Zwerge. Vor allem die schöne Illustration und der Gedanke dahinter hat mich überzeugt, aber auch die Inklusivität der Charaktere war schön zu sehen. In dieser Illustration kann sich wirklich jedes Kind wiedererkennen. Das zweite Buch wurde jetzt gerade kürzlich durch eine Crowdfunding Kampagne realisiert und ist rechtzeitig für Weihnachten online auf der Webseite www.fairytales-retold.com erhältlich. Die neuaufgelegte Version von Aschenputtel baut auf ein starkes Frauenbild und schafft den Hass unter Stiefgeschwistern einfach ab. Es geht um eine Prinzessin, die ihr Glück in die eigene Hand nimmt, es ist eine Geschichte über die Liebe zur Familie, wie auch immer diese aussehen mag und die Liebe zu sich selbst.

Die Geschichte von Fairy Tales Retold

Ich bin auf jeden Fall begeistert von beiden Büchern und kann sie nur jedem empfehlen, der noch ein tolles Kinderbuch als Weihnachtsgeschenk oder für eine andere Gelegenheit sucht. Ich hoffe, dass sich mein Patenkind so sehr über Aschenputtel freut, wie sie sich vor zwei Jahren über Schneewittchen gefreut hat.

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Über Rieke Lückel

Rieke Lückel wurde 1995 in Wittdün auf Amrum geboren und hat hier ihre Kindheit und Jugend verbracht. Nach dem Abitur in Dänemark verbrachte sie ein Jahr in Neuseeland und arbeitete dort für Amnesty International, um im Anschluss ein Ethnologie und Politikwissenschafts Studium in Hamburg zu beginnen. Durch die langen Semesterferien verbringt Rieke meist den ganzen Sommer auf Amrum, um ihren Bruder bei SUP Amrum in Wittdün zu unterstützen. Bereits 2010 schrieb sie einen Artikel für AmrumNews und nun 10 Jahre und viele Uni-Hausarbeiten später möchte sie sich erneut den journalistischen Herausforderungen stellen.

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