Neuordnung des Katastrophenschutz-Planes für die Inseln Föhr und Amrum …


Großeinsatz für alle verfügbaren Hilfskräfte …

Der sog. „Katastrophenschutz“ wurde mit Beendigung des „Kalten Krieges“ nach der Deutschen Wiedervereinigung und durch die Umbrüche in Osteuropa und die Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991 in weiten Bereichen vernachlässigt. Erst ab dem Jahr 2002 wurden „Neue Strategien zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ entwickelt und im Jahr 2004 wurde das „Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe“ (BBK) als zentrales Organisationselement für die zivile Sicherheit gegründet. In unserem föderalistischen Staatssystem unterliegt der Katastrophenschutz als Teil der allgemeinen Gefahrenabwehr den Ländern. Diese geben die Verantwortlichkeit bei der Bewältigung von größeren Unglücksfällen oder Katastrophen an die Rettungsdienste und Katastrophenschutzbehörden der Kreise, kreisfreien Städte und Gemeinden weiter.

Im Sinne einer modernen Notfallmedizin müssen verschiedene Notfallszenarien unterschiedlich bewältigt werden. Unterschieden wird der „Individualeinsatz“, bei dem eine optimale medizinische Versorgung eines jeden Verletzten oder Erkrankten durch ein Rettungsteam (z.B. durch die zweiköpfige Besatzung eines Rettungswagens, ggf. mit zusätzlicher Unterstützung durch einen Notarzt) gewährleistet ist, vom „Großschadensereignis“ (auch Massenanfall von Verletzten / Erkrankten = MANV genannt), bei dem es zu einem vorübergehenden Missverhältnis von zu betreuenden Menschen und Rettungskräften kommt. Ein „MANV“ kann für gewöhnlich durch das Hinzuziehen von überörtlichen Kräften („Nachbarschaftshilfe“) bewältigt werden. Im Gegensatz hierzu tritt ein „Katastrophenszenario“ erst dann ein, wenn eine Infrastruktur überregional zerstört ist und diese Nachbarschaftshilfe nicht mehr möglich ist.

Der Klimawandel mit vermehrt auftretenden Umwelt- und Wetterkatastrophen, die weltweite Wirtschaftskrise mit Lieferengpässen, die Coronapandemie, Cyberkriminalität mit Sabotageakten und nicht zuletzt der russische Angriffskrieg in der Ukraine haben in den letzten Jahren zu einem Umdenken in Bezug auf Bevölkerungsschutz (früher: „Zivilschutz“) und Katastrophenbewältigung geführt. Bislang für in Deutschland nicht möglich gedachte Szenarien, wie z. B. die durch Starkregen verursachte Überschwemmungskatastrophe im Ahrtal und umgebenden Kreisen, haben sowohl in der Bevölkerung wie auch in den Ämtern und Verwaltungen zu einer vermehrten Aufmerksamkeit im Umgang mit Katastrophenmeldungen geführt.

In Anbetracht einer möglicherweise notwendigen Aktualisierung und Neuordnung des Katastrophenschutzplanes für die Inseln Föhr und Amrum hat das Amt-Föhr Amrum angeordnet, in Zusammenarbeit mit der Firma „LÜLF+Sicherheitsberatung GmbH“ aus Viersen, ein aktuelles Konzept zur Bewältigung von Großschadensereignissen und Katastrophensituationen zu erarbeiten.

Kein Strom, kein Gas

Schon lange gibt es Pläne und Richtlinien der einzelnen Institutionen wer, was, wie und wann bei einem möglichen Schadensfall zu informieren ist und welche Abwehrmaßnahmen zu ergreifen sind. Man kann davon ausgehen, dass viele dieser Pläne aktualisiert werden müssen, auch sind „neue“ denkbare Schadenslagen hinzugekommen (z. B. hat vor 20 Jahren kaum jemand an „Cyberangriffe“ und „Blackouts“ gedacht).

Um einen Einstieg in die notwendige Aktualisierung dieser Pläne zu finden haben Mitte Dezember 2022 in den Räumen des Amtes Föhr-Amrum vier Workshops zu in Betracht kommenden Szenarien stattgefunden. Die einzelnen zu bearbeitenden Themen waren „Blackout“ in Form eines langanhaltenden und flächendeckenden Stromausfalls, „Gasmangellage“, „Hochwasserereignis“ inclusive Starkregen und „Fährhavarie“.

Der Amtsdirektor Christian Stemmer und die Beraterfirma hatten hierzu Vertreter aus allen betreffenden Bereichen wie z. B. Hafen, Versorgungsbetriebe, SH-Netz, Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN), Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz, eingeladen.

Wie von der Pressestelle des Amtes Föhr-Amrum mitgeteilt wurde sollen die Erkenntnisse der Workshops und sich mögliche daraus ergebende Konsequenzen im Amts-Ausschuss am 30. März präsentiert werden.

Nach Rücksprache mit einzelnen Seminarteilnehmern kann jetzt jedoch schon über einige interessante Aspekte berichtet werden:

Beispielsweise hätte ein möglicher Blackout für die Versorgungsbetriebe und die Bewohner der Inseln Amrum und Föhr weitgehende Auswirkungen. Unter einem „Blackout“ versteht man eine weitaus größere Betriebsstörung in der Stromversorgung als z. B. ein Ausfall eines Umspannwerkes oder einer lokalen Transformatoreneinrichtung. Ein „Blackout“ betrifft große geografische Regionen bis hin zu einem gesamten Bundesland oder noch weiter. Mögliche Ursachen hierfür können Ausfälle großer Kraftwerke oder Störungen im länderübergreifenden Verbund sein, denkbar auch nach Cyberangriffen. Die SH-Netz, der Netzbetreiber in Schleswig-Holstein, gibt hierbei zu bedenken, dass das „Hochfahren“, also sozusagen das Wiedereinschalten des Stroms, nach derartigen Ereignissen in großen Regionen mit z.B. Metropolen wie Kiel, bis zu einer Woche dauern kann. Diese Tatsache hätte große Folgen auch auf den nordfriesischen Inseln, steht die Stromversorgung hier doch weitgehend mit dem Großraum Kiel in Zusammenhang.

Ratgeber für Notfallvorsorge des BBK

Ohne Strom würde ein gewohnter Tagesablauf auch auf Amrum nicht mehr möglich sein. Kein Strom bedeutet nicht nur kein Licht, kein Radio, kein Fernseher, kein Telefon, auch kein Internet. Und nach ca. 30 Minuten würde kein Mobiltelefon mehr funktionieren. Aber auch die Versorgung mit Betriebsstoffen (Benzin, Diesel, Heizöl), Lebensmittel, Wasser und Heizung wäre gefährdet. Hier sind durch die Versorgungsbetriebe Amrum bereits seit längerem weitgehende Vorkehrungsmaßnahmen ergriffen worden. Ein Betrieb des Wasserwerkes und der Kläranlagen ist durch das Vorhalten von Notstromaggregaten sichergestellt und auch für die Tankstelle wird ein entsprechendes Gerät angeschafft um entsprechende Mengen Benzin oder Diesel für die Aggregate generieren zu können. Die Fähren der W.D.R. können den Strom zum Betrieb der Fährbrücken selbst erzeugen, so dass Anlegemanöver durchführbar sind und so weiterhin eine Versorgung der Inseln möglich bleibt. Beherbergungseinrichtungen, auch die Kurkliniken und die Rehaklinik, die Diakoniestation und die Arztpraxen, sowie Rettungsdienst und Feuerwehren müssen sich im Ernstfall auf längere Ausfallzeiten einstellen und entsprechende Vorkehrungsmaßnahmen treffen. Auch allen Mitbürgern wird geraten sich um Versorgungsmöglichkeiten mit Lebensmittelvorräten und Wasser, aber auch Batterien für Taschenlampen und Radios und Ähnliches zu kümmern. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat zu diesem Thema einen kostenlosen Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen herausgegeben, der über www.bbk.bund.de einzusehen bzw. zu beziehen ist.

Überflutung bei Haus Burg, Norddorf, Feb. 2020

Bei einem möglichen Hochwasserereignis ist Amrum aufgrund seiner Topographie wesentlich sicherer aufgestellt als Föhr, hier wären große Teile von Föhr-Land und v.a. im Marschgebiet mit den Aussiedlerhöfen betroffen. Aber auch auf Amrum müssen entsprechende Überflutungsflächen ausgewiesen werden und mögliche Straßenunterbrechungen bekannt sein.

Fährunglück Wittdün, 4.6.2014

Für den Fall einer Fährhavarie hat Amrum ja schon mehrmals bewiesen, dass die Aufarbeitung eines „MANV“ gelingen kann. Erinnert sei hier u. a. an das Unglück mit Adler-Express am Wittdüner Fähranleger am 4. Juni 2014. Betroffen waren 240 Passagiere und Besatzungsmitglieder mit 27 Verletzten (ca. 10 davon schwerverletzt). Die Aufarbeitung dieses Großschadensereignisses ist nicht zuletzt dank der damals bereits existierenden „SEG“ der Insel-Feuerwehren (Ausbildung zur erweiterten ersten medizinischen Hilfe) und der Bereithaltung eines „MANV-Anhängers“ mit Materialien zur Versorgung von 10 Schwerverletzten, hervorragend gelungen. Zu Bedenken ist hierbei aber, dass sich das Unfallgeschehen bei Tageslicht und bestem Wetter mit frühsommerlichen Temperaturen an einer übersichtlichen Stelle ereignet hatte und letztendlich acht Hubschrauber, davon zwei Großraumhubschrauber, am Fähranleger landen konnten. Bei schlechten Wetterverhältnissen, Dunkelheit und Kälte wäre die Versorgung und der Transport der großen Anzahl von Verletzten ungleich schwieriger und bedeutend langwieriger gewesen. An dieser Stelle sei auch anzumerken, dass auf Amrum ein „Massenanfall von Verletzten“ bereits bei einer Anzahl von mehr als 2 Betroffenen beginnt, stehen auf der Insel doch lediglich ein Rettungswagen und ein Notarzt im regulären Einsatz. Ein zweiter Rettungswagen kann bei Bedarf, zumeist, mit einem Hintergrunddienst, noch in den Einsatz geschickt werden. Ähnliches trifft auch auf die Insel Föhr zu, hier stehen noch ausgebildete Feuerwehrmänner als sog. „First Responder“ (ausgebildete Ersthelfer) zur Verfügung. Auch wenn es „ein Amt Föhr-Amrum“ ist, muss bei allen Planungen bedacht werden, dass es keinen gemeinsamen Plan für die beiden Inseln geben kann, sind doch beide Inseln auf Grund der geographischen Lagen in Ernstfall erstmal auf sich alleine gestellt und „Hilfe von außen“, wenn überhaupt, erst mit großer Verzögerung eintreffen kann.

Über weitere Ergebnisse zum Thema Katastrophenschutz werden wir zu gegebener Zeit an dieser Stelle informieren.

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Über Peter Totzauer

Dr. med. Peter Totzauer, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Spezielle Schmerztherapie, geb. 1954 in Fürth/Bay.,hat, bedingt durch den Beruf des Vaters, als Kind u.a. 4 ½ Jahre in Frankreich gelebt. Abitur 1974 in Köln, Studium der Humanmedizin an der Universität Bonn. Seit 1982 ärztlich tätig, davon viele Jahre als Oberarzt in der Anästhesie und als Leitender Notarzt in Euskirchen. War 2007 für ein halbes Jahr im Rahmen einer „Auszeit“ vom Klinikalltag bei seiner Lebensgefährtin Claudia auf Amrum. Dies hat ihm so gut gefallen, dass er seit Ende 2008 seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ganz auf die Insel verlegt hat und hier seit 2010 mit in der „Praxis an der Mühle“ arbeitet. Er hat zwei erwachsene Kinder, sein Sohn ist niedergelassener Physiotherapeut in Neuss, seine Tochter ist Lehrerin an der Öömrang Skuul.

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