Amrumer Aussichtspunkte 07 – Eisenzeitliches Haus


Aussichtspunkt 07 – Am Eisenzeitlichen Haus

Mit dem Aussichtspunt 07 begeben wir uns in die vorzeitliche Geschichte der Insel Amrum.

Wer von der Nebeler Vogelkoje Meeram über den Bohlenweg zum Quermarkenfeuer Norddorf geht kommt am Eisenzeitlichen Haus, an einer Ausgrabungsstelle und an einem Großsteingrab, vorbei. Zuerst liegt kurz vor dem Dünental mit dem Eisenzeitlichen Haus rechterhand eine neue Ausgrabungsstelle. Folgt man hinter dem Eisenzeitlichen Haus dem Bohlenweg zum Quermarkenfeuer erreicht man nach ca. 200 m eine Bank, von der man aus einen guten Blick über die Dünenlandschaft, das Haus und die Ausgrabungsstelle hat. Kurz vor dieser Bank geht links ein Abstecher des Bohlenwegs ab, der nach wenigen Metern zu einem hinter einer Düne gelegenen Großsteingrab führt.

Blickrichtung Ost auf das Eisenzeitliche Haus

Im Jahr 2011 wurde das „Archäologische Areal“ im Naturerlebnisraum „Vogelkoje Meeram“ eröffnet in dem sich diese drei vorzeitlichen Besonderheiten befinden. An allen drei beschriebenen Stellen befinden sich Hinweisschilder mit Erklärungen zu den jeweiligen Orten.

2014 wurde nach einer Ausnahmegenehmigung durch das Umweltministerium Schleswig-Holstein in diesem Naturschutzgebiet durch Amrumer Handwerksbetriebe am Original-Standort eine Rekonstruktion eines eisenzeitlichen Hauses  nachgebaut. Dieses Wohnstallhaus war offensichtlich ein Teil einer aus über zehn Gebäuden bestehenden eisenzeitlichen Siedlung aus der Zeit um Christi Geburt. Zu dieser Zeit gab es die Insel Amrum noch nicht, da während der Eisenzeit der Meeresspiegel mehrere Meter unter dem heutigen Niveau lag. Man darf sich also nicht vorstellen, dass unsere Vorfahren zu jener Zeit in einer Dünenlandschaft wie wir sie heute kennen gelebt haben.

Das Eisenzeitliche Haus

Die nordfriesische Küstenlandschaft bestand damals aus Marschland und Hochmooren, große Laubwälder mit Eichen- und Birkenwäldern prägten das Landschaftsbild. Unter dem Dünensand liegt eine Altmoräne, die gelegentlich frei geweht wird, den Siedlern vor 2300 Jahren einen stabile Untergrund für ihre Bauten beschert hat und auch heute noch immer wieder archäologische Fundstücke hervorbringt. Diese Moränenlandschaft ist während der Saaleeiszeit vor ca. 130.000 Jahren entstanden, wogegen sich die Dünen erst nach der letzten Eiszeit in Norddeutschland, der Weichsel-Eiszeit, vor rund 10.000 Jahren entwickelten. Das Eisenzeitliche Haus ist 15 Meter lang, 5,5 Meter breit und 4,3 Meter hoch. Man geht davon aus, dass es ein Mehrgenerationenhaus war. Im Inneren befindet sich neben den Wohnbereich mit einer überdeckten Herdstelle auch der Stallbereich.

Aktuelle Ausgrabungsstelle am Eisenzeitlichen Haus

Die eingangs erwähnte neue Ausgrabungsstelle wird erst seit Februar 2020 freigelegt und erforscht. Moderne Analyseverfahren von hier gefundenen verkohlten Getreidekörnern lasen eine Besiedlung in der Zeit zwischen 100 vor Christus und 100 nach Christus annehmen. Dies passt zu dem vermuteten Alter des o. g. eisenzeitlichen Hauses. Ob es sich dabei um ein Einzelhaus oder eine weitere kleine Siedlung gehandelt hat ist allerdings ungeklärt.

Reste der Großsteingräber am Eisenzeitlichen Haus

Bei dem sich ebenfalls im „Archäologischen Areal“ befindlichen Großsteingrab handelt es sich um zwei in den 1950er Jahren freigelegten Grabkammern. Diese stammen allerdings aus einer viel älteren Zeit als  die bereits beschriebenen Ausgrabungen und zeigen, dass das heutige Gebiet der Insel Amrum bereits vor mehreren tausend Jahren bewohnt war. Die beiden Gräber stammen aus der Jungsteinzeit, sind also rund 6500 Jahre alt. In einer der beiden Kammern wurden neben diversen Grabbeigaben auch mehrere Knochen und Schädel gefunden. Einer dieser Schädel wies an seiner Decke ein kreisrundes Loch auf, woraus geschlossen wurde, dass an diesem Menschen eine „Trepanation“ vorgenommen wurde. Dies war und ist eine medizinische, operative Maßnahme zur Behandlung von Schädelverletzungen um bei Anschwellungen des Gehirns, z. B. durch Blutungen, eine Druckentlastung zu erzielen. Es scheint kaum vorstellbar, dass bereits in der Steinzeit derartige Eingriffe vorgenommen wurden. Viele derartige Schädelfunde weltweit zeigen jedoch, dass mehr als 50% dieser „Patienten“ die mit Steinklingen vorgenommene Maßnahme überlebt haben müssen, da die Knochenränder nachgewiesenermaßen Wachstums- und Narbenbildungen aufweisen. Der „Amrumer“ hatte allerdings den Eingriff nicht überlebt, die Knochenränder sind nicht verheilt.

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Über Peter Totzauer

Dr. med. Peter Totzauer, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Spezielle Schmerztherapie, geb. 1954 in Fürth/Bay.,hat, bedingt durch den Beruf des Vaters, als Kind u.a. 4 ½ Jahre in Frankreich gelebt. Abitur 1974 in Köln, Studium der Humanmedizin an der Universität Bonn. Seit 1982 ärztlich tätig, davon viele Jahre als Oberarzt in der Anästhesie und als Leitender Notarzt in Euskirchen. War 2007 für ein halbes Jahr im Rahmen einer „Auszeit“ vom Klinikalltag bei seiner Lebensgefährtin Claudia auf Amrum. Dies hat ihm so gut gefallen, dass er seit Ende 2008 seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ganz auf die Insel verlegt hat und hier seit 2010 mit in der „Praxis an der Mühle“ arbeitet. Er hat zwei erwachsene Kinder, sein Sohn ist niedergelassener Physiotherapeut in Neuss, seine Tochter ist Lehrerin an der Öömrang Skuul.

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