Mystische Orte auf Amrum 09 – Der Bahndamm in Norddorf 54°40´16´´ N  /  8°20´13´´ O


Wenn man den Waldweg, der vom „Nei Stich“ in Norddorf in Höhe des Bushaltestelle „Onkel Toms Hütte“ in Richtung Osten geht, gelangt man am Waldrand  über ein sich bogenförmig nach Süden verlaufendes dammartiges Bauwerk auf den Geestrücken. Sieht man dann westwärts auf dieses Gebilde, könnte man meinen auf einen Deich zu blicken, was jedoch etwas merkwürdig erscheint, befindet man sich hier doch mit ca. 9 m über Normalnull auf einer ziemlich hohen Stelle der Insel. Mystisch, denn eine entsprechende Küstenschutzmaßnahme würde man hier nicht erwarten.

Trampelpfad über den ehemaligen Bahndamm

Es handelt sich eben nicht um einen Deich, sondern um einen Damm, genauer gesagt um einen ehemaligen Bahndamm. Die Insel Amrum hatte in früheren Zeiten tatsächlich eine Eisenbahn, und um die Gleise gleichmäßig zum Ausgleich von Unebenheiten verlegen zu können, musste man entsprechende Dämme errichten. Erbaut wurde die Bahn in den Jahren 1893 bis 1894 und diente zunächst nur den Wittdüner Kurgästen die aus dem Ort heraus über die 4 km lange Strecke über den Kniepsand an den Strand gebracht werden sollten. Erst in den Jahren 1901 bis 1902 wurde dann die Inselbahn, quasi als „ÖPNV“ (öffentlicher Personennahverkehr) ausgebaut und verband, mit Ausnahme von Steenodde, alle Inselorte. Es war nie einfach, die Bahn in einem betriebsbereiten Zustand zu halten, da Sturmfluten und Versandung oftmals die Schienen, v. a. auf dem Kniepsand, beschädigten oder gar wegspülten. Andauernde Wartungs- und Reparaturarbeiten verschlangen Unmengen von Geldern und trieben unterschiedliche Betreiber mehrfach in den Konkurs.

Blick vom Geestrücken auf den Bahndamm

Im Jahr 1907 ging auf Amrum ein Elektrizitätswerk in Betrieb, was ab 1909 dazu führte, dass die Bahnstrecke sogar elektrifiziert wurde und den Einsatz einer „Elektrischen“ möglich machte. Aber auch diese Modernisierungsmaßnahme brachte die Bahnunternehmen immer wieder in Geldnöte und Schwierigkeiten. Im August 1910 brach im E-Werk ein Feuer aus, mehrere Wochen lang dauerte es, bis die Stromversorgung der Insel wieder hergestellt werden konnte, so lange wurde wieder auf Dampfbetrieb umgestellt. Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges im Juli 1914 brachen nahezu alle Kunden der Inselbahn, die Kurgäste, weg, und der Schuldenberg trieb die Betreiber in eine Zwangsverwaltung. Im Oktober 1918 stellte die Inselbahn letztendlich ihren Betrieb ein, weil die Elektrofahrzeuge aus Geldnöten verkauft werden mussten, und es gegen Kriegsende auch keine Kohlen mehr gab um einen Dampfbetrieb reaktivieren zu können. Der Fremdenverkehr ruhte sowieso und die Insulaner gingen wieder zu Fuß und benutzten ihre Pferdefuhrwerke.

Eisenbahnschiene an der Blauen Maus

1920 gingen die Seebrücken, das E-Werk und die Inselbahn in eine Aktiengesellschaft unter der Führung der W.D.R. (Wyker Dampfschiff Reederei) über, die jedoch mangels technischer Möglichkeiten nur einen äußerst begrenzten Einsatz der Elektrischen gewährleisten konnte, und so die Bahn erneut auf Dampfbetrieb umgestellt werden musste. Auch wenn zwischen 1925 und 1928 der Fremdenverkehr auf Amrum wieder florierte, konnte der Bahnbetrieb fortan nie kostendeckend arbeiten.

Schienenreste an der NaTourdüne

Naturgewalten mit Stürmen und Eisgang beschädigten die Gleis- und Brückenanlagen und verursachten horrende Reparaturkosten. Die andauernden finanziellen Schwierigkeiten mit häufigen Veränderungen der Eigentumsverhältnisse und die technischen Mängel der Inselbahn führten letztendlich zur endgültigen Einstellung des Bahnverkehrs nach der Sommersaison 1939. In den Jahren zuvor wurde bereits das Straßennetz auf Amrum ausgebaut um nach der Stilllegung der Bahn einen Busverkehr einrichten zu können. Die Konzession hierfür blieb bei der W.D.R., die auch heute noch die Personenbeförderung mit ihren Bussen auf Amrum betreibt.

Bahntrasse zwischen Parkplatz und Strandübergang Norddorf

Wann genau die Bahnanlagen endgültig demontiert wurden, kann keiner mehr sagen, bekannt ist nur, dass in den Wirren des 2. Weltkriegs im Eiswinter 1940 sowohl Bahn als auch Bus im Einsatz waren, und im Herbst 1944 die Bahn abermals in Betrieb ging und Bahnanlagen durch den Einsatz hunderter Soldaten und russischer Kriegsgefangener wieder betriebsfähig gemacht wurden um militärisches Gerät transportieren zu können.

Überreste des Pfahl- und Balkengerüste für die Schienen am Kniepsand bei Wittdün

Heute erinnert nur noch wenig an die Eisenbahnzeit auf Amrum. Letzte Gebäude wurden in den Jahren 2001 („Bahnhofs-Hotel“ in Nebel) und 2010 („Haus Kabelgatt“, ehemals die Bahnhofshalle in Wittdün) abgerissen. Aber mit einem gewissen Spürsinn kann man doch noch so einige Überbleibsel oder Erinnerungsstücke finden, wie z. B. eine Eisenbahnschiene als Terrassenbrüstung an der „Blauen Maus“, oder Schienenreste als Begrenzung der Bosselbahn an der „NaTourdüne“ am Badeland. Der asphaltierte Weg vom großen Gemeindeparkplatz in Norddorf bis zum Strandübergang war der eigentliche Streckenweg der Inselbahn durch die Dünen und in den Weiten des Kniepsandes bei Wittdün kann man bei entsprechenden Wasserständen noch Überreste der Pfahlbauten, die als Unterbau des Gleiskörpers notwendig waren, sehen. Und eben der “Mystische Ort 09 – Der Bahndamm in Norddorf“ ist noch als solcher zu erkennen. Man könnte ihn fast als „Lost place“ oder „Industriedenkmal“ bezeichnen.

Die Inselbahn in Betrieb

Wer mehr über die Geschichte von und Geschichten über die Amrumer Inselbahn erfahren möchte, dem sei das Buch „Wi fohrn, wenn ick mien Punsch ut heff“ von Georg Quedens, ISBN 3-924422-66-4, aus dem Verlag Jens Quedens, Amrum, ans Herz gelegt. Hieraus stammt auch das Foto von der Dampfeisenbahn.

Über Peter Totzauer

Dr. med. Peter Totzauer, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Spezielle Schmerztherapie, geb. 1954 in Fürth/Bay.,hat, bedingt durch den Beruf des Vaters, als Kind u.a. 4 ½ Jahre in Frankreich gelebt. Abitur 1974 in Köln, Studium der Humanmedizin an der Universität Bonn. Seit 1982 ärztlich tätig, davon viele Jahre als Oberarzt in der Anästhesie und als Leitender Notarzt in Euskirchen. War 2007 für ein halbes Jahr im Rahmen einer „Auszeit“ vom Klinikalltag bei seiner Lebensgefährtin Claudia auf Amrum. Dies hat ihm so gut gefallen, dass er seit Ende 2008 seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ganz auf die Insel verlegt hat und hier seit 2010 mit in der „Praxis an der Mühle“ arbeitet. Er hat zwei erwachsene Kinder, sein Sohn ist niedergelassener Physiotherapeut in Neuss, seine Tochter ist Lehrerin an der Öömrang Skuul.

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