Dr. Bente Sven Majchczack (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ur- und Frühgeschichte / ROOTS Cluster of Excellence der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) hielt, im Rahmen der 50-Jahr-Feier des Öömrang Ferian, einen sehr interessanten Vortrag über die Amrumrer Siedlungsgeschichte. Zahlreiche Zuhörer waren in das Gemeindehaus Norddorf gekommen um die seltene Gelegenheit wahrzunehmen von einem Wissenschaftler zu erfahren wie Amrum besiedelt wurde.
Amrum, eine Insel mit viel Archäologie. Es gibt eine hohe Dichte an
- steinzeitliche Großsteingräber,
- Hügelgräber aus der Bronzezeit, Eisenzeit und dem Frühmittelalter,
- Siedlungsplätze der Bronzezeit, Eisenzeit, römischen Kaiserzeit und dem Frühmittelalter,
- kuriose Erdwerke: der Krümwaal und andere Wallreste.
Was wissen die Wissenschaftler nun genau und wie bekommt man es heraus?
Vorläufige Ergebnisse sind bisher:
- der Krümwaal ist eisenzeitlich, fasst eine landwirtschaftliche Fläche ein, Einzelhöfe sind auf der Geest verteilt
- Frühmittelalter ähnlich, bisher keine Dorfanlagen
- Höfe oder kleine Weiler (aus wenigen Gebäuden bestehende Siedlung) am Geestrand
- Grubenhaussiedlung im Gebiet Anlun
Den Fokus des Vortrages legte Majchczack auf die rund letzten 1500 Jahre in Nordfriesland.
Mitte des 7. Jahrhunderts sind die Friesen eingewandert (Zweite Friesenwanderung). Es fand eine große Kolonisierung der Marsch- und Moorflächen statt. Die Inseln wurden im 8. Jahrhundert dicht besiedelt. Es folgten Deichbau, Entwässerung, Warftbau, Torfabbau zur Moorkultivierung. „Untergang“ ab 1362.
Schicksalshafte Fluten am 16.01.1362 und am 11./12.10.1634, bekannt als Grote Mandränke (das große Ertrinken) verwüsten die Nordseeküste Schleswig-Holsteins. Sie verändern den Küstenverlauf grundlegend – die heutige Küstenlinie wird geformt.
Auch über das historische Rungholt berichtete Majchczack. Im Mai 2023 entdeckte ein Forscherteam die Grundmauern der Kirche von Rungholt – eine Sensation! Die untergegangene Kirche war ca. 40 m lang und 15 m breit und könnte der St. Olaf-Kirche in Breklum, die in etwa die gleichen Außenmaße hat, ähneln.
Karten aus dem 17. Jahrhundert, wo Rungholt rekonstruiert wurde, zeigen nicht den ehemaligen Ort Rungholt. Die vom Kartografen Johannes Mejer dargestellte Karte von 1652 ist wohl aus seiner Fantasie entstanden, entspricht aber nicht der Realität.
Es hat vier Siedlungsbereiche auf 10 km², einem (See-)Deich, 65 und mehr Warften, einem Sielhafen und zwei Kapellen sowie einer Vollkirche gegeben. Die Forschung geht weiter.
Die Arbeiten im nordfriesischen Wattenmeer sind schwierig, denn man hat nur einen gewissen Zeitraum für die Arbeiten zur Verfügung. Man ist von den Gezeiten abhängig und Arbeiten ist nur bei Niedrigwasser möglich!
An den Arbeiten beteiligt waren die Universitäten Mainz und Kiel, das Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie sowie das Archäologische Landesamt Schleswig Holstein.
Über die derzeitige „Archäologische Kampagne Amrum“ wurde im Vortrag auch berichtet. Es handelt sich hier um ein gemeinschaftliches internationales „Amrum-Projekt“. Erasmus + Blended Intensive Programs, ein Austauschprogramm an dem Studenten und Wissenschaftler verschiedener Universitäten beteiligt sind. Sie kommen aus Gent/Belgien, Aarhus/Dänemark, Kiel/Deutschland, Bratislava/Slowakei und aus Wien/Österreich. Auch das Leibniz-Zentrum für Archäologie – Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie, Schleswig (LEIZA-ZBSA) und das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein waren mit dabei.
Die verschiedensten Messgeräte (viele sind Marke Eigenbau) kamen dabei zum Einsatz, für den Laien sieht der Einsatz dann doch eher etwas eigenartig aus.
Bei den Auswertungen erkennen die Forscher Häuser, Häfen und auch Sand, Wasser oder Gestein.
Alle Messdaten werden auf Landkarten übertragen und so erhält man ein „Pixelbild“, wo der Fachmann vieles aus der Vergangenheit erkennt. So sieht man auf dem Messbild vom Bäärendääl Gräber ohne Ende und auch eine Grubenhaussiedlung ist erkennbar. Grubenhäuser sind eine Art von Erdhaus, die sich ganz oder teilweise im Erboden befinden.
Beim Vortrag von Dr. Bente Majchczack lagen die sensationellen Ergebnisse der letzten Tage noch nicht vor. Am Abschlusstag sprach der Geophysiker von einem „Superhaus“, das im Bäärendääl (zwischen Nebel und Norddorf am Watt) untersucht wurde. Jens Quedens, seit 1988 Vertrauensmann für Kulturdenkmäler auf Amrum, konnte einen Bericht aus dem Jahr 1850, datiert auf 1524, beitragen. „Das brachte den Wiener Professor Immo Trinks aus dem Häuschen“, so Jens Quedens. Das Haus bekam den Namen „Gires Hüs“.
Aber es gab dann noch eine Steigerung, im Anlun (südlich von Norddorf am Watt) wurde eine spektakuläre Entdeckung gemacht. Eine Hafenanlage und ein ganzes dazugehöriges Dorf wurden dort lokalisiert.
Soweit die ersten Highlights der Messungen. Die weiteren Auswertungen werden noch andauern, zum Jahresende ist mit mehr Informationen über die Forschungen zu rechnen. Man darf sehr gespannt sein, was noch so alles entdeckt wurde.