“Der Horizont als große Bühne” – zur aktuellen Ausstellung von Nick Jungclaus im Likedeeler …


Der Künstler als Motiv – ein Kontrast zwischen Form und Inhalt.

Ein pfirsichfarbener Streif am Horizont, der langsam über Rosé- und Fliedertöne in Gletscher- und Weißgrau-Nuancen übergeht. Darunter das Meer. Türkisgrün hebt es sich von den Rosavarianten ab. Davor der Strand. Taubenblau und Anthrazit verschwindet er langsam in der Dunkelheit des nahenden Abends.

“Amore” heißt das Werk von Nick Jungclaus, das derzeit im Restaurant LIKEDEELER ausgestellt ist. Und es kommt gut an: Das 60×80 cm große Bild ist bereits mit einem roten Punkt markiert: Verkauft.

Insgesamt knapp 20 neue Werke des gebürtigen Amrumers sind seit September in Steenodde zu sehen. “Zwischen Amore, Gold und langsamen Tagen” heißt die Ausstellung, die neben Großformaten auch kleinere, handgepäcksfreundliche Bilder zum Kauf anbietet. Was alle Kunstwerke vereint, sind die Motive, die die Küste, das Meer und das Watt zum Thema haben.

Die Form muss stimmen. Nick Jungclaus beim Hängen seiner Bilder.

Inspiriert wird Jungclaus natürlich vor allem von seiner ehemaligen Heimat. Geboren und aufgewachsen auf Amrum, ist er – nach einem kurzen Abstecher für das Abitur auf Föhr – schließlich für seinen Zivildienst auf die Heimatinsel zurückgekehrt – und begann mit der Malerei. Gut 25 Jahre ist das mittlerweile her. Und die Leidenschaft hat ihn nicht mehr verlassen. Mittlerweile lebt er mit seiner Familie in Hamburg, seit zwei Jahren besitzt er dort ein eigenes Atelier. “Das erleichtert die Arbeit enorm! Ich kann endlich alles stehen und liegen lassen und mich auch mal an wirklich große Formate wagen”, erzählt Nick. Dennoch bleibt sie Malerei ein Hobby. Hauptberuflich hat Jungclaus zusammen mit seiner Frau ein eigenes Designbüro, in dem sie u.a. Logos, Webseiten und Corporate Designs entwerfen. “Der Job steht immer an erster Stelle. Erst, wenn diese Arbeit getan ist oder ich noch vor einem Termin ein wenig Luft habe, gehe ich ins Atelier – und selbst, wenn ich nur ein paar Rahmen lackiere”, lacht Nick.

Nick Jungclaus vor drei seiner neuen Bilder, die alle in diesem Jahr entstanden sind. Ganz links: “Remedy”

Nicht nur in seinem Alltag vermischen sich die Welten des Malers und Grafikdesigners. Auch seine Kunst wird von beiden Leidenschaften beeinflusst. Nick Jungclaus mag grafische Elemente, geometrische Figuren, farbige Flächen. Dieses Faible für Strukturen und Formen, gepaart mit der Liebe zur unbändigen Natur. Ein Kontrast zwischen mathematischer Ordnung und natürlicher Unordnung. Durch die Flächigkeit entsteht eine Art Bühnenbild. “Der Horizont als große Bühne”, fasst Nick Jungclaus diese Mehrschichtigkeit zwischen Motiv und Technik treffend und poetisch zusammen.

Die Bildmotive selbst malt Jungclaus größtenteils aus der Erinnerung. Die unzähligen Sonnenauf- und -untergänge, die Ausblicke über Watt und Salzwiesen, die vom Wind verformten Dünenketten und der endlose Strand seiner Kindheit und Jugend, dürften für lebenslange Inspiration reichen. Abgesehen davon, dass Nick weiterhin mehrmals im Jahr seine Insel besucht und neue Eindrücke aufsaugt, die in Bildern wie “Gold”, “Remedy” oder “Langsamer Tag” verarbeitet werden.

Das Bild “Amore” ist bereits verkauft. Aus Liebe zum Motiv, zur Küste, zur Farbe? Der Titel lässt Spielraum zur Bedeutung.

“Was mich reizt, ist dieses Spannungsfeld zwischen Meer und Land, Ebbe und Flut”, sagt Nick Jungclaus. Ihm gehe es vor allem um die Kontraste in seinen Bildern, nicht um konkrete Orte. Was auf den ersten Blick harmonisch wirkt, wird plötzlich durch einen rauen Pinselstrich, durch dunkle Farbe im pastelligen Umfeld oder unruhige Verwirbelungen in den Wolken aufgebrochen. Als Betrachter bleibt man an den Bildern hängen, denkt über Tageszeit, Ort und Witterung nach. Die mehrdeutigen Titel verleihen den Werken eine weitere Ebene – “Remedy”? “Ich habe quasi eine Sammlung schöner Wörter. Das können sowohl deutsche Wörter sein, wie eben “Gold” oder auch Wörter aus anderen Sprachen – die entweder schön klingen (“Amore”) oder in ihrer Bedeutung schön sind”, erklärt Nick Jungclaus seine Titel. Manchmal seien es auch ganze Satzfragmente, die er nutzt oder neu zusammensetzt. “Remedy” (dt. Heilmittel) ist ein Beispiel seiner musikalischen Inspirationsquelle. “Ich höre Musik ganz autistisch”, lacht er. Das heißt, er höre ständig Songs, der er bereits vor 30 Jahren gehört hat. “Den ganzen alten Kram, den ich schon mit 16, 17 cool fand”. So ist auch “Remedy” zu erklären, ein Titel der Black Crows von 1992, der ursprünglich als Antwort auf die US-Drogenpolitik entstanden ist. Bei Nick Jungclaus wird nun die Nordsee zum Heilmittel. Was für ein schöner Gedanke…

Zu sehen sind die Bilder von Nick Jungclaus während der Öffnungszeiten des LIKEDEELER:

  • Dienstag bis Samstag bis einschließlich 09.11.24 (anschließend Winterpause)

  • täglich vom 26.12.24 bis einschließlich 04.01.25

Über Nina Löschner

Nina Löschner kam 1989 kurz vor dem Mauerfall in Ost-Berlin zur Welt. Aufgewachsen auf dem Brandenburger Land zog es sie nach der Schule zurück in die Hauptstadt. In Berlin studierte sie Kunstgeschichte und Englisch, arbeite anschließend im Projektmanagement eines Auktionshauses und schließlich sieben Jahre lang als Redakteurin für Funk und Fernsehen. 2022 nahm sie sich eine berufliche Auszeit und absolvierte einen Freiwilligendienst im Naturschutz auf Amrum. Doch die Insel ließ sie nicht mehr los - und so brach sie alle Zelte in der Hauptstadt ab. Heute arbeitet Nina als Leiterin der Schutzstation Wattenmeer in Wittdün.

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