Der Film „“AMRUM“ von Fatih Akin ist derzeit in aller Munde. Es ist die Verfilmung des gleichnamigen Buches von Hark Bohm, indem er seine Kindheitserinnerungen auf Amrum verarbeitet. Eine Zeit, Ende des zweiten Weltkrieges, die einige Insulanerinnen und Insulaner miterlebt haben.

In Gesprächen mit Bewohnern der Altenpflegeeinrichtung und mit ambulant betreuten Senioren stieß Kerstin Sievers – Mitarbeiterin der Pflegediakonie – auf großes Interesse an dem Film AMRUM: „Der Film ist bei der Generation „Hark Bohm“ ein Gesprächsthema. Einige hatten schon das Buch gelesen. Doch beim Kinobesuch stellen sich einem mit 80+ andere Herausforderungen: Wie ins Kino kommen? Wer hilft einem mit dem Rollstuhl/Rollator und wer geleitet einen die Stufen im Kinosaal hinunter an den Platz?“ „Ein weiteres Thema ist die Uhrzeit“, fährt Kerstin fort, „die früheste offizielle AMRUM Kinovorstellung beginnt um 17:45 Uhr – was früher eine normale Ausgehzeit war, ist im fortgeschrittenen Alter bereits nah an der Zubettgehzeit. Wir mussten also eine seniorenfreundliche Zeit für die Vorführung finden, die wir mit 11 Uhr auf den späten Vormittag gelegt hatten.
Einladung ins Kino „LichtBlick“
Der Förderverein Altenpflege auf Amrum übernahm die Eintrittskosten, Getränke und Popcorn. Die Kino-Mitarbeiter terminierten die Sondervorstellung. Ehrenamtliche wurden gefunden, die ihren Fahrdienst und Auto anboten, um die älteren Herrschaften rechtzeitig ins Kino zu bringen und auch wieder zurück zu fahren. So war es 45 Amrumer:innen möglich mit Unterstützung von Angehörigen, Ehrenamtlichen aus der Hospizinitiative, Pastorin Martje Brandt und Mitarbeitern der Pflegediakonie ins Inselkino „LichtBlick“ nach Norddorf zu kommen.

Ein Film, der Erinnerungen weckt
Die Kindheitsgeschichte von Hark Bohm, die in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges auf Amrum spielt, spiegelt die Tragik der damals noch jungen Generation wider. Tauschgeschäfte, Verantwortung, Heimat, die See, das Watt, die Flüchtlinge …, diejenigen, die diese Zeiten selbst miterlebt hatten, sehen und erleben den Film anders als nachfolgende Generationen.
Nach knapp zwei Stunden gingen die Lichter wieder an. „Und, wie war es?“ – „Ich muss mich erst einmal wieder fassen. Der Film hat mich sehr bewegt und mich an eine Zeit erinnert, die nicht leicht war“, erzählt Elly Domeyer. Sie ist Jahrgang 1931 und kann sich noch gut an die damalige Zeit erinnern.„Wir haben damals Butter mit gekochten Kartoffeln gestreckt. Nach der Ernte sind wir auf die Felder gegangen und haben Rest-Kartoffeln gesammelt“, berichtet Elly. Die Anstrengung des jungen Nanning (gespielt von Jasper Billerbeck), der im Film alles dafür tut, dass seine Mutter ein Weißbrot mit Butter und Honig bekommt, konnte sie gut nachempfinden. „Wenn unsere Pullover zu klein wurden, hat Mutter sie aufgeribbelt und mit Schafwolle verlängert – die wir vom Stacheldraht gesammelt hatten– um einen neuen Pulli zu stricken“, erinnert sie sich weiter.

Was damals wirklich zählte
Martin „Tin“ Meinerts und Günther Winkler, beide ebenfalls über 90 Jahre alt, erzählten, dass die Nebeler damals kaum Kontakt zu den Norddorfern hatten. „Wir waren mehr für uns. In Norddorf lebten etwa zweitausend Flüchtlinge, die von den Bauern versorgt wurden. Wir kamen da selten hin“, berichten die beiden.
„Ich habe die Norddorfer Jugendlichen erst bei meiner Konfirmation gesehen – vorher hatten wir keinen Kontakt. Norddorf war weit weg, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Wir haben nicht miteinander gespielt. Unser Alltag bestand aus Essen besorgen, Haushalt machen und zur Schule gehen. Da jede Ortschaft – Norddorf, Nebel und Wittdün – ihre eigene Schule hatte, begegnete man sich dort auch nicht“, erzählt Elly Domeyer.
„Ich habe das Buch von Hark Bohm gelesen und war ganz begeistert. Wie er die einfachen Dinge so fesselnd beschrieben hat! Ich fand den Film toll, wie er umgesetzt wurde“, erzählt Siegrid Streicher.
Aber auch Enttäuschung und Kritik wurden laut. „Das war ja gar nicht meine Insel, bzw. meine Kirche – das habe ich mir anders vorgestellt“, klang es von mehreren der betagten Besucher. Grund hierfür waren viele Filmszenen, in denen Häuser und Ortschaften zu sehen waren, die es auf Amrum nicht gab und nie gegeben hatte. Vor allem, die Darstellung der „falschen“ Kirche stieß auf Unverständnis. Gedreht wurden diese Szenen in Dänemark, an Orten in denen sich die Atmosphäre der 1940er Jahre, mit wenig Bebauung und Kopfsteinpflaster, darstellen ließ.
Ganz besonders und sehr gut fanden die Amrumer:innen hingegen, das Öömrang (das Amrumer Friesisch) in dem Film gesprochen wird. „Noch nie war ich in einem Kinofilm, in dem meine Muttersprache gesprochen wird, und das auch noch von echten berühmten Schauspielern. Ein großes Lob, das haben sie wirklich toll gemacht”, freuen sich die Insulaner:innen, denn sie wissen wie schwer die Aussprache ist.
„Auch wenn einiges im Film für Enttäuschung sorgte, so war das Feedback auf die gesamte Veranstaltung positiv – angefangen von den persönlich ausgehändigten Einladungen, über den Abhol- und Heimfahrservice, bis hin zu den Gratis-Popcorn und Getränken. Das Wiedersehen vieler alter Freunde und Bekannter an diesem Vormittag, sorgte für Freude und Begeisterung bei wohl allen Besuchern“, resümiert Martina Ott, Mitarbeiterin der Pflegediakonie Amrum.
AmrumNews Online-Zeitung der Insel Amrum


Was für eine großartige Aktion! Dank an die Initiatoren sowie alle ehrenamtlichen Helfer, die diese Sondervorstellung ermöglicht haben. Hier zeigt sich mal wieder zu was eine kleine Gemeinschaft in der Lage ist. Chapeau!
Ich war überwältigt. Mich macht der Film nachdenklich. Unsere junge Generation müsste diesen Film, im Unterricht als Pflicht sehen müssen.
Habe in den letzten Jahren keinen besseren Film, auch wenn er nachdenklich macht, gesehen.
Meine Hochachtung den Darstellern, vor allem Nanning.
Ein zwölfjähriger der unserer arg verwöhnten Jugend zeigt, wie das Leben spielen kann. Und verfolgen wir der Entwicklung der Welt, wird es bald die Zukunft sein. Zu Verleugnen ist es kaum noch.
Ich bedanke mich für diese Filmdarstellung. Amrum immer im Herzen.