Eiderenten – die Wappenvögel von Amrum


In der Regel sind Adler – selbst dort, wo sie gar nicht vorkommen oder seltene Irrgäste sind – die Symboltiere auf Wappen und Flaggen. Beispielsweise wird auch die rechte Hälfte des Wappens von Nordfriesland von einem halben Adler ausgefüllt, wobei heute aber niemand mehr genau weiß, wie er da hingekommen ist. Denn dieses Wappen war ursprünglich die private Schöpfung für den Briefkopf eines Pastors irgendwo in der Gegend um Niebüll. Und auch die Bedeutung der anderen Felder mit Krone und Grütztopf unterliegen verschiedenster Deutung. Beim Adler heißt es, dass er die Freiheit repräsentiert, die den Friesen von deutschen Kaisern geschenkt worden ist. Aber bei diesem “Geschenk” soll es sich um eine Fälschung handeln. Das Friesenwappen hat keine historische Bedeutung und wurde erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts populär als eine Art Kampf-Emblem in der Auseinandersetzung zwischen deutsch und dänisch im Grenzraum, verbunden mit dem Ausspruch “Lewer duad üs Slaw”.

Eiderenten im Brutgebiet, Wittdün

An der Küste sind nicht selten Möwen als Wappenvögel vertreten, aber für Amrum – das weder “offizielle” Wappen noch Flaggen hat – gilt die E i d e r e n t e als Wappenvogel, kreiert durch den im Jahre 1974 vom Kaufmann Jens Quedens gegründeten “Öömrang Ferian” (Amrumer Verein), der sich für Kultur und Natur der Insel engagiert.

Aber durch welchen Umstand ist die Eiderente, ein ursprünglicher Meeresvogel des Nordens, zur Ehre eines Wappenvogels für den Öömran Ferian gekommen? Durch den Umstand, dass die Insel Amrum bis etwa um 1950 der Hauptbrutplatz – zeitweilig auch der einzige – an deutschen Küsten war und sich hier in etwa die südlichste Verbreitungsgrenze befand. Weiter südlich kamen Eiderenten nur vereinzelt als Brutvögel vor. Das hat sich erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts geändert. Eiderenten brüten heute auf fast allen Inseln der Nordseeküste und bis zur Bretagne an der französischen Atlantikküste hinunter, entgegen der Parole über die Erwärmung des Erdklimas, die eigentlich einen entsprechenden Rückzug nach Norden bedingen sollte.

Erste Eiderentenbrut 1887 auf Amrum

Gelege der Eiderente im Daunenkranz

Auf den nordfriesischen Inseln wurde die Eiderente seinerzeit “Grönlandente” genannt, weil die inselfriesischen Walfänger und Robbenschlächter diese Art auf Spitzbergen, Jan Mayen und Grönland kennengelernt hatten. Um 1800 begann diese nordische Meeresente dann erstmalig auf dem Ellenbogen des Sylter Listlandes zu brüten. Aber die ersten Gelegefunde auf Amrum datieren erst auf das Jahr 1887. Der Kojenmann und Entenfänger der Vogelkoje Meerum, Cornelius Peters, notierte in seinem Tagebuch unter dem 21. Mai 1887: “4 Eidergans Eier”, offenbar von einem Gelege in der Nähe der Vogelkojenheide. Wie damals üblich, wird Cornelius die Eier eingesammelt haben, um diese in seiner Küche zu verwerten. Auch späteren Gelegen wird es auf Amrum in einer Zeit radikaler Naturnutzung (wie allen Eiern von Bodenbrütern) nicht anders ergangen sein, und so werden die Bruten der Eiderenten nicht besonders erfolgreich gewesen sein – zumal Eiderenten nicht wie andere Vogelarten bei Verlust des Geleges ein zweites oder gar drittes Nachgelege machen können. Die Zahl der Eiderenten hielt sich auf Amrum also zunächst in Grenzen, obwohl sie nur unter den Eiersammlern, nicht aber durch Bejagung litten. Denn als Jagdwild war diese Meeresente nicht begehrt, nicht einmal in den Nahrungsnotjahren nach dem 2. Weltkrieg wurde den Eiderenten nachgestellt. Es hieß auf Amrum: “Eiderenten sind so zäh, die kann man nur mit Hilfe einer Eisensäge essen”. Und daraus entwickelte sich die Legende, dass Eiderenten einige Jahrhunderte alt werden und deshalb so zäh sind. Anderorts allerdings, z. B. an skandinavischen Küsten, spielt die Jagd auf Eiderenten eine große Rolle – beispielsweise beträgt die Jagdstrecke in Dänemark noch bis zu 130.000 Enten – aber dort kennt man vielleicht eine spezielle Art der Zubereitung?

Auf dem Wege zum Nest

Bis Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte sich die Eiderente über die gesamte Insel Amrum als Brutvogel verbreitet, vor allem in den Dünen und auf den damals noch vorhandenen Heideflächen zwischen Norddorf und Nebel, ehe diese durch umfangreiche Aufforstung in den heutigen Inselwald verwandelt wurden. Allerdings war auch das zunächst noch niedrige Gebüsch der jungen Forstflächen als Brutplatz beliebt. Eiderenten konzentrieren ihre Brutplätze gerne in der Nähe von Wasserstellen, vor allem in den Wittdüner Dünen mit den kleinen und großen Moorseen. Auch die Vogelkoje Meerum war zeitweilig ein bevorzugtes Gelände, und als es bis um 1970 auf dem Kniepsand von Nebel und Norddorf noch lokale Reste des ehemaligen Kniephafens gab, in Nebel “Flachten” und bei Norddorf “Ialküül” (Aalkuhle) genannt, wurden auch diese Wasserstellen von den Enten angeflogen und von hier aus zu Fuß die Nistplätze aufgesucht. Halbe oder sogar ganze Kilometer wanderten die Entenpaare hinein in das Dünengelände, und für jugendliche Eiersammler war es ein besonderer Reiz, den Spuren zu folgen und das Nest mit den großen olivgrünen Eiern zu finden – mit Halm und Daunen zugedeckt, um es vor Möwen und Krähen zu verbergen.

Eiderenten-Paare auf einen Dünensee

In den 1970er Jahren erfolgte ein fast explosionsartiger Anstieg der Brutpaare von etwa 250 auf fast 2000, vermutlich durch den Zuzug von skandinavischen und baltischen Populationen. In den folgenden Jahrzehnten kam es jedoch wieder zu einem kontinuierlichen Rückgang und eine Konzentration auf die Wittdüner Dünen zwischen den Zeltplätzen und Wriakhörn. Ebenso blieb die Eiderente auf dem Kniepsandzipfel und auf der Sandbank am Hafenpriel eine auffällige und häufige Erscheinung. Verschwunden sind aber die riesigen, manchmal einige hundert Junge umfassenden “Kindergärten” früherer Jahrzehnte am Wittdüner Strand und am Kliff Wallende zwischen Steenodde und Nebel. Unverändert werden ab Mitte-Ende Mai die Jungen von ihren Müttern gleich nach dem Schlüpfen aus den Dünen zum Wattenmeer geführt, wobei die Enten auch durch die Inseldörfer marschieren. Aber im Watt sind die Jungen seit etlichen Jahren sehr bald verschwunden oder auf wenige reduziert – ein großes, ungeklärtes Rätsel der Inselnatur, zumal keine toten Jungenten gefunden werden. Werden sie möglicherweise von Kegelrobben und Seehunden gefressen? Es liegen etliche Beobachtungen vor, dass Robben Eiderenten, sei es im Spiel oder mit Absicht, töten und fressen.

Hauptnahrung der Eiderenten sind Miesmuscheln, die von den Bänken gepflückt und mitsamt der Schale gefressen werden. Im kräftigen Entenmagen werden die Schalen zu Grus zermahlen, der dann im Kot der Vögel erscheint. Wegen der zeitweilig erheblichen Muschenmengen, die von den Eiderenten verzehrt wurden, haben die davon betroffenen Muschelbauern über Jahre versucht, bei der Bundesregierung eine Jagdzeit einzuführen, die aber – bis auf zeitweilige “Vergrämungsabschüsse” auf den Muschelbänken – versagt wurde und heute im Nationalpark und Weltnaturerbe Wattenmeer nicht mehr zur Debatte steht. Als Jagdwild spielen Eiderenten aus den genannten Gründen (Essen nur mit Hilfe der Eisensäge) keine Rolle, trotzdem kommt es gelegentlich zu naturbedingen Eingriffen in die Population. Schon einige Male brach bei diesen Meeresenten eine von Krebstieren ausgelöste Darmerkrankung (Nematoden, Trematoden) aus, die zahlreiche Todesopfer, hauptsächlich unter den Erpeln, forderte. Dies war 1998 zur Zeit der “Pallas”-Strandung bei Amrum der Fall und verursachte eine hohe Sterberate, die irrtümlich der durch die Pallas ausgelösten Ölpest zugeschrieben wurde. Aber etwa die Hälfte der insgesamt rund 10.000 toten Eiderenten waren Opfer der erwähnten Darmparasiten! Ansonsten ist aber die berüchtigte Ölpest, die durch leichtsinnige Tanker- und Frachterführer oder durch Schiffsunfälle (“Gerd Maersk” im Januar 1955 u. a.) Schlagzeilen liefert, immer wieder die Ursache hoher Todesraten, zumal sich Eiderenten außerhalb der Brutzeit kilometerweit von der Küste entfernt in der Nordsee aufhalten.

Georg Quedens

 

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