Naturparadies Wittdüner Südspitze


Der Kniepsandzipfel bei Wittdün mit Eiderenten, Kormoranen, Seeschwalben, Austernfischern und Möwen.

 

Die äußerste Amrumer Südspitze ist eine Gegend mit vorwiegendem Beton, nämlich der Strandpromenade und der Uferschutzmauer rundum, und mit den mächtigen, aus Basalt und Feldsteinen gebildeten Buhnen, um die Gezeitenströmung mit ihren Wattenströmen von der unmittelbaren Uferzone abzuleiten. Aber es gibt wohl keinen anderen Ort auf der Insel mit einem ähnlich lebhaften Panorama. Einige Male täglich kommen die Fähren der W.D.R. von Wyk herunter, der “Adler-Express” stürmt vorbei und lässt seine Kielwellen auf den Strand aufbrausen. Und fast täglich ziehen auch der Seenotkreuzer mit seinem auffälligen Farbanstrich oder ein größerer dunkelrostiger Frachter oder der Tonnenleger über den Hafenpriel Richtung Seezeichenhafen, gefolgt vom Ausflugsschiff “Eilun” oder den Motor- und Segelyachten. Auch der blaue Krabbenkutter von Andreas Thaden gehört noch in das tägliche Erscheinungsbild an der Amrumer Südspitze. Hier ist immer was los!
Zugleich ist diese Gegend aber auch Schauplatz einer vielfältigen Nordseenatur! Da sind zunächst die Eiderenten, die um die Südspitze herumschwimmen und in den Prielen nach Muscheln und kleinen Fischen und Krebstieren tauchen. Auf dem äußersten Kniepsandzipfel, der hier auf die Strandpromenade zuwandert und der während der Hochwasserzeit überflutet ist, ruhen fast ganzjährig einige hundert Eiderenten, die Erpel noch bis in den Sommer hinein in ihrem auffälligen schwarzweißen Brutkleid und die dunkelbraunen Weibchen, die in den Amrumer Dünen ihr Gelege an Krähen oder Möwen verloren haben und jetzt ohne Nachwuchs sind.
Aber die ab Ende Mai in der Kniepsandbucht und an der Südspitze erscheinenden pechschwarzen Jungenten haben seit Jahrzehnten noch einen anderen, unheimlichen Feind. Kaum sind sie von ihren Müttern in das Wittdüner Watt geführt, vermindert sich ihre Anzahl von Tag zu Tag, und nur ganz wenige erreichen das Alter bis zur Flugfähigkeit. Möwen rauben die eine oder andere Jungente, aber das Verschwinden der anderen bleibt rätselhaft. Fehlt die für die Küken spezielle Nahrung, werden sie von Seehunden geraubt? Es bleibt ein Rätsel. Noch in den 1980er Jahren war die Amrumer Südspitze “schwarz” von einigen hundert heranwachsenden Eiderenten.

Eiderenten mit ihren Jungen.

Die Eiderente ist übrigens der “Wappenvogel” von Amrum. Noch bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts war Amrum der südlichste Brutplatz dieser nordischen Meeresente. Eiderenten brüteten in Mengen über alle Insellandschaften verstreut, mit Ausnahme der Feldmark (Inselgeest). Heute sind das Dünengelände zwischen Leuchtturm und Wittdün sowie die Amrumer Odde die Hauptbrutplätze der Eiderente, aber sie kommt jetzt auch weiter südwärts über Norderoog, Trischen bis zu den Ost- und Westfriesischen Inseln als Brutvogel vor.

Rastplatz der Kormorane
Unter den zahlreichen Eiderenten fallen große, schwarze Vögel auf, die einzeln oder in Gruppen auf dem Kniepsandzipfel sitzen: Kormorane, auch “Meerraben” genannt. Sie gehörten früher zu den sehr seltenen Vögeln an der Nordseeküste und kamen nur an wenigen Plätzen als Brutvogel vor, so auf dem Rundlauf eines außer Betrieb gestellten Leuchtturmes an der Außenweser, Eversand genannt. Ansonsten brüteten sie auf Bäumen in Küstennähe an der Ostsee, waren aber nicht beliebt, weil ihr Kot zum Absterben der Bäume führte. Ihre Seltenheit bedingte den vollständigen Jagd- bzw. Naturschutz. Und wie vor Jahren bei den Wildgänsen, erfolgte auch bei den Kormoranen eine umfangreiche Vermehrung und Ausbreitung des Brutvorkommens, so dass sie gegenwärtig an der Nord- und Ostsee auf etlichen Inseln vorkommen und dort, wo Bäume fehlen, in mehr oder weniger großen Kolonien auch am Boden brüten. Der Amrum am nächsten gelegene Brutplatz ist eine Gewässerlandschaft nördlich von Wyk auf Föhr.
Als eifrige und ausschließliche Fischfresser sind Kormorane bei den Fischern, insbesondere an den binnenländischen Fischteichen, gefürchtet. Diese Probleme stellen sich aber nicht für die Meeresküste, wo der Beifang (Discard) der Fischkutter ein Vielfaches dessen beträgt, was Kormorane fressen. Obwohl reine Wasservögel, haben Kormorane kein Fettgefieder und müssen das nach einigen Schwimm- und Tauchgängen nass gewordene Federkleid an der Luft wieder trocken, weshalb sie auf dem Kniepsand oder auf den Buhnen an der Amrumer Südspitze nicht selten mit ausgebreiteten Flügeln zu sehen sind.

Schon auf dem Weg nach Süden
Harte, herrische Rufe über dem Kniepsandzipfel erregen schon ab Mitte Juni, also sozusagen mitten im Sommer, die Aufmerksamkeit von Wanderern auf der Strandpromenade. Es sind einzelne und kleine Scharen von Brandseeschwalben, deren nächste Brutplätze auf der naheliegenden und unbewohnten Hallig Norderoog zu finden sind. Dort werden sie in der Brutzeit von einem Vogelwärter betreut, dessen Pfahlbauhütten mit dem Fernglas von der Wittdüner Strandpromenade aus gut zu erkennen sind.
Aber etliche Brandseeschwalben sind nichtbrütende Alt- und Jungvögel oder haben ihre Brut durch Sturmfluten oder andere Wetterunbilden verloren, so dass sie schon frühzeitig aus ihrer Brutheimat abwandern. Sie fliegen im Winterhalbjahr bis hinunter zu den südafrikanischen Küsten.

 

Seit Jahren hier zu finden. Eine fast handzahme Silbermöwe.

Die handzahme Silbermöwe
Eine Besonderheit des Vogellebens auf der Amrumer Südspitze ist auch eine Silbermöwe, die sich dort jeden Sommer einstellt, auf dem Geländer der Strandpromenade sitzt und gegenüber den Menschen nahezu handzahm ist. Vermutlich wartet sie darauf, dass Kurgäste ihre Frühstücks- und sonstigen Essensreste mitbringen, was hier auch ausdrücklich empfohlen wird. Denn wenn die Silbermöwe satt ist, muss sie nicht nach jungen Eiderenten oder den Bruten der Austernfischer spähen, die sich zwischen den Basalt- und Feldsteinen am Abhang der Strandpromenade befinden.
Bei dieser Möwe handelt es sich vermutlich um einen nicht mehr brütenden Altvogel, der einen gelben Farbring am Bein trägt, dessen Markierung allerdings ungeachtet des Alters unverändert gut lesbar ist.

“Verrückte” Brutplätze für Austernfischer
Austernfischer sind die Massen- und Charaktervögel der Amrumer Südspitze. Ganzjährig, auch bei Eisgang im Winter, beleben sie in Scharen das Watt rund um Wittdün und sitzen bei Ebbe auf dem Kniepsandzipfel. Selbst im Frühjahr und Sommer ist die Menge der Nichtbrüter erstaunlich hoch, denn es sind einige hundert, ja bis zu tausend Vögel, die hier zusammengedrängt die Zeit des Hochwassers überdauern, ehe sich bei Ebbe die Schar wieder in kleine Trupps auflöst und zwecks Nahrungssuche in das Watt zwischen Amrum und Föhr zurückfliegt.

Zwischen den Gesteinen der Strandpromenade – brütende Austernfischer

Die Strandpromenade bzw. die aus Basalt und Feldsteinen gebildete “Berme”, die Abschrägung zum Strand, ist seit Jahren auch Brutplatz von drei bis vier Austernfischerpaaren. Ganz ungewöhnlich, denn eigentlich brüten Austernfischer auf Sandstränden, in den Dünen und auf Marschen- und Salzwiesen. Aber auf der Strandpromenade von Wittdün finden sie in den Steinmulden Möglichkeiten für die Eiablage und brüten hier sehr vertraut mit den Menschen, die nur zwei, drei Meter entfernt vorbeiwandern. Die nestflüchtenden Jungen werden in das benachbarte Watt geführt und dort von den Altvögeln gefüttert.

2020 Georg Quedens Urheberrecht beim Verfasser

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