Auf Amrum kennt jeder jeden? Stimmt nur fast, und nachfragen lohnt sich trotzdem: Hoker beest dü? An: Hü gong’t? Wer bist du? Und: Wie geht’s?
Mats Bohn: „Wetterfest und verschwiegen“
„Seit 2010 bin ich Postbote auf Amrum. Der Beruf hat sich komplett verändert. Früher, noch vor meiner Zeit, war man ein Briefträger, der vielleicht zwanzig Pakete am Tag mithatte. Man konnte die Post mit einem Golf ausfahren. Jetzt ist es so, dass du Paketbote bist, der noch ein paar Briefe mitnimmt. Es hat sich verschoben. Sehr vieles wird bestellt, auch von Touristen, die sich Wein oder Tierfutter in den Urlaub liefern lassen.
Die Briefpost ist noch nicht verschwunden. Ich würde aber sagen, der private Anteil an der Briefpost beträgt höchstens zehn Prozent. Vor allem Postkarten und Trauerbriefe werden weiterhin geschrieben.
Ich komme von Amrum und habe auch nie ernsthaft überlegt, von hier wegzugehen. Aufgewachsen bin ich in Wittdün, in der Inselstraße 33: Der Adresse der Firma Bohn, einem Heizungs- und Sanitärbetrieb, gegründet 1950 von meinem Großvater Paul Bohn. Mein Vater Arfst übernahm den Betrieb 1981 und führte ihn zusammen mit meiner Mutter Anke weiter. Meine Mutter ist Schwedin mit nordfriesischen Wurzeln. Sie studierte in den 1970ern Sozialpädagogik in Malmö und kam als Saisonarbeiterin nach Amrum. In der Wohnung über dem Firmengelände großzuwerden, war für meine Geschwister und mich interessant. Immer war etwas los.
Nach der Schule habe ich eine Ausbildung zum Bürokaufmann abgeschlossen und anschließend, im Winter 2010, war ich Zivildienstleistender im Schullandheim Ban Horn. In dem Jahr fiel mir auf, wie viele Aushilfen bei der Post unterwegs waren; sie kamen von Föhr oder aus Husum und erzählten, dass auf Amrum Postboten gesucht werden. Ich habe mich dann weiter umgehört und direkt nach meinem Zivildienst, im Juni 2010, bei der Post angefangen. Es gefällt mir gut.
Manchmal werde ich auch auf Föhr eingesetzt. Wir sind ein Team und tauschen uns aus. Ich fahre dann über Föhr-Land oder nur durch Wyk, dort wird die reine Briefpost noch mit dem Fahrrad zugestellt. Während des Lockdowns konnte es vorkommen, dass ich als Einziger auf der Fähre nach Föhr saß, wenn ich dort zur Arbeit musste.
Wer hier auf den Inseln Postbote ist, sieht viele Leute, hat aber nur Zeit für kurze Gespräche. Sonst schafft man seinen Bezirk nicht. Es darf einem nichts ausmachen, sechs Tage die Woche zu arbeiten und täglich bis zu 200 Pakete zu schleppen. Oder 50 bis 60 Koffer, wenn zum Beispiel die Mutter-Kind-Kur Anreise hat. Man muss wetterfest sein. Und verschwiegen.“